# taz.de -- Schulstreiks gegen Wehrpflicht: „Friedrich, du Manyak, wir kämpfen nicht für dich“
       
       > Bundesweit haben Schüler*innen am Freitag gegen die neue Wehrpflicht
       > demonstriert. Die taz nord war in Bremen und Hamburg dabei und hat
       > zugehört.
       
 (IMG) Bild: Viele selbstgemalte Schilder: Schüler*innen demonstrieren in Hamburg beim Schulstreik gegen die neue Wehrpflicht
       
       Michael Wüst verteilt Flyer auf genau der richtigen Veranstaltung: „Wenn
       ihr verweigern wollt, kommt zu uns in die Beratung!“, ruft er am Rand des
       Schulstreiks gegen die Wehrpflicht in Bremen am Freitagvormittag. Ab Januar
       wird es bei der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte
       KriegsdienstgegnerInnen (DFVG) Bremen wieder offene Sprechstunden geben,
       sagt Wüst. Einige Schüler*innen schnappen sich einen Flyer und reihen
       sich wieder ein.
       
       Aufgerufen zur Demo hat das bundesweite Bündnis „Schulstreik gegen
       Wehrpflicht“. [1][An diesem Freitag hat der Bundestag für die Einführung
       eines neuen Wehrdienstes gestimmt.] Er verpflichtet alle Männer ab dem
       Geburtsjahr 2008 dazu, sich mustern zu lassen.
       
       [2][Dagegen streikten am Vormittag Schüler*innen in mehr als hundert
       Städten] – auch im Norden. Rund 1.000 Teilnehmende waren es jeweils in
       Bremen, Kiel, Göttingen und Hamburg, 350 in Lübeck. Schulstreiks gab es
       außerdem in Lüneburg, Flensburg, Oldenburg, Leer, Braunschweig, Schwerin
       und Hannover.
       
       In Bremen sind die meisten auf der Demo im schulpflichtigen Alter. Levi,
       16, vom Alten Gymnasium hat Angst vor einem Krieg. Er findet, dass das
       Thema in der Schule zu wenig diskutiert wird. Bei ihm zu Hause sei das
       anders. Sein Vater habe ihm Tipps für die Musterung gegeben: „Ich soll
       sagen, dass ich psychische Probleme habe und viele
       Ernährungsunverträglichkeiten.“ Seine Mutter hat ihm eine Entschuldigung
       geschrieben, damit er auf die Demo gehen kann.
       
       Stress mit der Schule? 
       
       Für Helena, 15, war es nicht so einfach. Sie ist eine von wenigen
       Schüler*innen der Freien Evangelischen Bekenntnisschule, die hier sind.
       „Wir bekommen alle Fehlstunden“, sagt sie, „aber das nehmen wir in Kauf.“
       Sie wolle nicht, dass ihre Freunde in den Krieg ziehen müssen.
       
       Andreas Wolfinger will seinen 13-jährigen Sohn vorm Krieg schützen. Er war
       jahrelang nicht mehr demonstrieren, sagt er. „Das ist doch irre. Das hat es
       alles schon gegeben.“ Jasmin möchte ihren Nachnamen nicht in der Zeitung
       lesen. Sie hat einen 15-jährigen Sohn. Wenn er einberufen würde, wolle sie
       fliehen, sagt sie. In der Hand hält sie ein Plakat, auf dem steht: „Meinen
       Sohn kriegt ihr nicht!“
       
       In Hamburg, auf dem Hachmannplatz vor dem Hauptbahnhof, stehen Ida, Lilly
       und Leni, alle 14, auf der unter anderem von der Jungen GEW, der ver.di
       Jugend und dem AStA der Uni Hamburg organisierten Kundgebung – mit
       eintausend anderen, mehr Menschen als gedacht. Die drei kommen von der
       Hamburger Stadtteilschule Bahrenfeld, sind aber nur kurz da, weil sie um 12
       Uhr Klausur schreiben. „Spanisch“, sagt Ida und verdreht die Augen.
       
       [3][In Hamburg hatte es zuvor Diskussionen darüber gegeben, ob Eltern ihre
       Kinder für den Schulstreik entschuldigen dürfen]. Die Schulbehörde fand:
       nein. Verpasste Klausuren und Tests müssen mit null Punkten gewertet
       werden, stellte ein Sprecher klar. Deswegen haben viele sich krankgemeldet,
       um zu kommen, erzählen einige der taz.
       
       Es gibt zwar ein paar Fahnen und Flyer von Gruppen und Parteien, der
       Sozialistischen Deutschen Arbeiter*innenjugend (SDAJ) zum Beispiel
       oder des BSW, aber der Großteil der Schüler*innen ist einfach so da, auf
       eigene Faust. Es gibt sehr viele selbst gemalte Plakate und Schilder.
       
       Am Rand der Kundgebung sprayen ein paar Achtklässler vom Gymnasium noch
       schnell Sprüche auf Pappe. „Friedrich, du Manyak, wir kämpfen nicht für
       dich“, neongrün auf orange, eine krakelige Zeichnung von Händen, die ein
       Gewehr zerbrechen.
       
       Elias C. und Taiga Y., beide 13, liefern sich ein Streitgespräch neben den
       Spraydosen. „Ich bin für Wehrpflicht“, sagt Taiga. Jugend brauche
       Disziplin, sagt er. Nach dem Abschluss wolle er zur Marine. Seine Mutter
       ist einverstanden, dass er mit der Zeitung spricht.
       
       Elias’ Mutter auch. „Ich würde nicht kämpfen“, sagt er zu Taiga. Die beiden
       kennen sich von früher, sind aber nicht mehr auf derselben Schule. „Wenn
       Putin kommt, würdest du sagen: ‚Klar, wirf ’ne Bombe auf uns?‘“, fragt
       Taiga zurück. Elias: „Ich würde ins Krankenhaus gehen, Leute verarzten oder
       so, aber ich könnte mir niemals vorstellen, ein Gewehr in die Hand zu
       nehmen.“ Taiga: „Das kannst du auch bei der Bundeswehr. Wenn ich müsste,
       würde ich Deutschland verteidigen. Ich bin stolz auf Deutschland.“ Elias:
       „Ich kann niemals stolz auf Deutschland sein, mit der Vorgeschichte.“
       Taiga: „Wir ham so viel geschafft.“ Elias: „Wir ham auch sechs Millionen
       Juden umgebracht.“ Taiga: „Ja, aber das macht keine Wehrpflicht auch nicht
       weg.“
       
       ## Vergleich mit Fridays for Future
       
       Elias fragt Taiga, was er auf der Anti-Wehrpflicht-Demo wolle. Er sagt, er
       habe kein’ Bock auf Schule. Elias winkt ab. „Wir haben unterschiedliche
       Meinungen“, sagt er.
       
       Aus Elias’ Klasse sind fast alle da. Er ist sicher, die Mehrheit an seiner
       Schule sei gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Sie würden nicht ihr
       Leben geben wollen für die Interessen von Staat und Kapital. Die nicht
       gekommen sind, glaubten nur nicht, dass Demos etwas bringen, sagt er.
       
       Es waren Tausende beim Schulstreik gegen die Wehrpflicht in Hamburg und
       Bremen, keine Hunderttausende. [4][Anders als bei den Klimademos von
       Fridays for Future von 2019, mit denen die Proteste verglichen werden].
       Doch dieser Freitag war nur der Anfang. Das bundesweite Bündnis hat schon
       den nächsten Schulstreik angekündigt, für den 5. März 2026.
       
       5 Dec 2025
       
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