# taz.de -- Schulstreik gegen Wehrpflicht: „Wir wollen sie zwingen, uns zuzuhören“
       
       > Der 15-jährige Elias organisiert in Hamburg den Schulstreik am Freitag
       > mit. Die Perspektive der Jugendlichen, sagt er, sei praktisch nicht
       > vorhanden.
       
 (IMG) Bild: Kein Opfer fürs Militär: Mutter protestiert gegen die Wehrpflicht
       
       taz: Elias, du organisiert den Schulstreik gegen die Wehrpflicht mit. Wie
       bist du dazu gekommen? 
       
       Elias: In Anbetracht der Militarisierung und des medialen Diskurses ist das
       Thema Wehrpflicht wirklich in meine Nähe gerückt. Plötzlich kam diese
       Perspektive: Vielleicht muss ich da hin, wenn ich erwachsen werde.
       Gemeinsam mit Mitschüler*innen habe ich dann einen Streikaufruf im
       Internet gesehen. Das fanden wir gut, [1][deshalb haben wir ein
       Streikkomitee an unserer Schule gegründet.]
       
       taz: Die Wehrpflicht wird sehr breit diskutiert, aber potenziell Betroffene
       – also männliche Jugendliche, die nach 2008 geboren wurden – kommen in der
       Debatte kaum zu Wort. Wie hast du das bisher wahrgenommen? 
       
       Elias: Ich muss dir leider zustimmen. Kriegstüchtigkeit ist ein riesiges
       Thema, aber [2][die Perspektive von uns Jugendlichen], auf deren Schultern
       das ja letztlich aufgebaut werden soll, ist praktisch nicht vorhanden.
       Überhaupt erhalten unsere Perspektiven keinen Einzug in den Bundestag. Eine
       Mehrheit der Jugendlichen, vor allem unter denen, die davon betroffen
       wären, ist gegen eine Wehrpflicht. [3][Deswegen wollen wir streiken und sie
       zwingen, uns zuzuhören.]
       
       taz: Wie wird das Thema unter euch Schüler*innen diskutiert? 
       
       Elias: Ich habe Mitschüler*innen, deren Familien aus Kriegsgebieten
       geflohen sind. Über die Sozialen Medien können wir, ob wir wollen oder
       nicht, sehen, was Krieg bedeutet. Aber wir sehen dann nur irgendwelche
       alten weißen Männer, die darüber diskutieren, dass die Jugend möglichst
       schnell zur Kampftruppe des deutschen Staates werden soll. Wir haben Angst
       vor der Miliarisierung, Angst vor einem Krieg. Das ist auch der Grund,
       warum wir jetzt so viel Hoffnung in diesen Schulstreik setzen. Wir wollen
       Schüler*innen, die sich gelähmt fühlen von ihrer Ohnmacht, eine Perspektive
       geben. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft unterstützt unseren
       Protest. Es gibt aber auch Schulleitungen, die den Streik verhindern
       wollen.
       
       taz: Es soll erstmal einen freiwilligen Wehrdienst geben. [4][Nur wenn sich
       nicht genug Freiwillige finden, soll über eine allgemeine Wehrpflicht
       entschieden werden.] 
       
       Elias: Aber letztlich ist das doch auch nur ein Ausnutzen von sozialen
       Hierarchien. Wenn ich als Jugendlicher pespektivlos bin und dann in
       Sozialen Medien Werbevideos der Bundeswehr sehe, die mehr als 2.000 Euro
       monatlich und einen kostenlosen Führerschein anbieten, dann ist das
       natürlich attraktiv. Wenn ich nirgendwo anders eine Chance auf ein Leben in
       finanzieller Sicherheit sehe, ist das doch auch eine Art Zwang. Haben wir
       zunächst dieses Modell der finanziellen Anreize und danach erst das der
       verpflichtenden Wehrpflicht für alle, dann heißt das letztlich nur, dass
       die ersten, die in den Kasernen versauern, die Armen sind.
       
       taz: Oft heißt es, [5][eine Wehrpflicht sei notwendig, um die Demokratie
       verteidigen zu können.] 
       
       Elias: Ja, es wird immer so hoch gesprochen von unserer Demokratie, von
       unserer Freiheit. Aber dann sollte doch mal etwas dafür getan werden, dass
       wir alle auch ein besseres Leben in Frieden und Freiheit haben! Wir stehen
       einer Regierung gegenüber, die nach unten tritt. [6][Das
       Renteneintrittsalter] soll weiter nach oben verschoben werden, wir haben
       eine [7][rassistische Abschiebungspolitik], es wird [8][nichts gegen
       Jugendarmut] unternommen. Wir haben es mit einem [9][enormen Rechtsruck] zu
       tun. Da finde ich die Diskussion über die vermeintliche Verteidigung der
       Demokratie an der Waffe sehr abstrakt.
       
       taz: Was möchtest du nach der Schule machen?Elias: Ich glaube, da kann ich
       nur das sagen, was die allermeisten in meinem Alter sagen würden: Ich habe
       überhaupt keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich [10][sicher nicht zur
       Bundeswehr gehen] will.
       
       4 Dec 2025
       
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