# taz.de -- AfD-Jugend „Generation Deutschland“: Wer führt hier wen?
       
       > Die am Samstag in Gießen neu gegründete „Generation Deutschland“ wirkt
       > radikalisiert und diszipliniert zugleich. Ein Auftritt wirft Fragen auf.
       
 (IMG) Bild: Gut gelaunt und rechtsextrem: Jean-Pascal Hohm und der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla
       
       Der Möchtegern-Führer Björn Höcke ließ es sich nicht nehmen, persönlich zur
       Gründung der neuen AfD-Jugend nach Gießen zu kommen. Der ideologische Kopf
       des völkischen Parteimainstreams genoss das Bad in der Menge sichtlich. Die
       Menge, das waren hier in der Hessenhalle: junge Halbstarke mit
       Hitlerjugend-Rasiermesserscheiteln und mittelalte Männer in reaktionärem
       Burschenschaftslook, die in ihren Parteitagsreden sprachen wie lupenreine
       Rechtsextremisten.
       
       Frauen waren kaum da. Zwischen Ständen von extrem rechten Organisationen
       mit Identitären-Merch und verfassungsfeindlichen Pamphleten bildete sich
       eine Traube gleich Frisierter um Höcke – für Selfies und Handshakes. Die
       Jugendorganisation, die sich jeztt großspurig „Generation Deutschland“
       nennt, ist offensichtlich rechtsextrem und stolz darauf.
       
       Und die Jugend ist wichtig für die extrem rechte Mutterpartei: Für extrem
       rechten Kulturkampf in den sozialen Medien, Straßen-Wahlkampf und als
       Vehikel, um den Diskurs noch weiter nach rechts zu verschieben. Die
       Neugründung ist kein Versuch, die Parteijugend zu deradikalisieren, sondern
       vielmehr sie einzubinden und gleichzeitig zu professionalisieren. Sie soll
       als Kaderschmiede dienen, um fähiges Personal rekrutieren zu können – was
       in der AfD rar ist.
       
       ## Neue Zugriffsmöglichkeit
       
       Auch will die Partei mehr Einfluss auf die Jugendorganisation haben: Die
       unter anderem wegen Verbotsbefürchtungen aufgelöste Junge Alternative (JA)
       war ein eigenständiger Verein, auf den der Bundesvorstand disziplinarisch
       nicht einwirken konnte. Bei der neuen Parteijugend ist das anders – die mit
       breiter Mehrheit verabschiedete Satzung sieht vor, dass Mitglieder der
       Jugendorganisation auch AfD-Mitglieder sein müssen. Damit hat die Partei
       Durchgriffsrechte, etwa falls Mitglieder über die Stränge schlagen sollten.
       
       Die Frage ist nur: Was heißt das in dieser Organisation? Am Samstag sprach
       der Bundesvorstand einem Vorstand das Vertrauen aus, der sich vielfach
       verfassungsfeindlich geäußert hat und seine ideologische Nähe zur der
       rechtsextremen Identitären Bewegung demonstrativ herausstellt. Einer rief
       gar das Motto der Hitlerjugend zum „Leitstern“ der neuen AfD-Jugend aus:
       „Jugend muss durch Jugend geführt werden!“
       
       Die neue AfD-Jugend führt sich also selbst, aber sie hat von der
       Parteiführung den ausdrücklichen Segen dafür: AfD-Chefin Alice Weidel war
       extra für ein Grußwort angereist. Zwischen vier großen schwarz-rot-goldenen
       Nationalfahnen opferrollte sie wie gehabt: „Ich hätte nicht gedacht, dass
       so etwas in Deutschland noch einmal vorkommt – man kennt so etwas aus
       anderen Regimen, wo gegen Andersdenkende mit Gewalt vorgegangen wird“,
       sagte sie mit Blick auf die antifaschistischen [1][Proteste]. Sie nannte
       diese „zutiefst undemokratisch“ und plädierte für Meinungsfreiheit und
       Versammlungsfreiheit. Dass die Grundrechte auch für die Gegenseite gelten,
       ließ sie dabei aus.
       
       Dann holte sie zum Rundumschlag gegen „die Medien“ aus. Im Fokus: die
       Öffentlich-Rechtlichen. Bei der Tagesschau habe sie lesen müssen, dass
       rechtsextreme Netzwerke in Gießen seien – „so'n Quatsch“, spottet Weidel,
       schaltet in Angriffsmodus und ruft: „Sie sind dadurch mitverantwortlich
       durch die Aufladung dieses Klimas! Rüsten Sie ab!“ Damit meinte sie
       selbstverständlich nicht die jährlichen Rekordhöchststände rechter Gewalt
       und den von der AfD angeführten Rechtsruck. Weidel sagte, sie werde
       fälschlich als rechts geframed. Es folgten Jubel und böse Blicke zur
       Presse, die wie immer bei AfD-Veranstaltungen weit hinten sitzen muss und
       sich nicht frei bewegen darf.
       
       ## Opferlegenden und Patriotenproteine
       
       Die laut Weidel angeblich nicht anwesenden rechtsextremen Medien waren 30
       Meter weiter – im Vorraum der Hessenhalle – postiert. Und zwar mit der
       Genehmigung des Bundesvorstands. Neben Höcke tummelten sich diverse extrem
       rechte Organisationen. Der extrem rechte Verleger Götz Kubitschek verkaufte
       zusammen mit seinem Sohn, Wieland Kubitschek, Aktivist der Identitären
       Bewegung, Bücher aus seinem Antaios Verlag. Dieser verlegt
       Revolutionsanleitungen ebenso wie Martin Sellners verfassungswidriges
       Konzept von „Remigration“, das vorsieht, Deutsche, die den Rechten nicht
       deutsch genug sind, zu vertreiben.
       
       Antaios war nicht die einzige extrem rechte Organisation vor Ort: Die den
       Identitären nahe Medienagentur Tannwald-Media hatte einen Stand. Diese
       generiert mit KI rassistische und deutschtümelnde Memes. Weitere Aussteller
       verkauften Patrioten-Proteine, Remigrations-Aufkleber oder gleich solche
       mit Neonazi-Szenecodes wie „1161“ (Anti-Antifaschistische Aktion).
       
       Opferlegenden aber strickt Weidel trotzdem schnell und routiniert. Sie
       wünschte zum Beispiel allen „gute Genesung“: darunter ein AfD-Abgeordneter,
       der sich auf der Anreise mit Gegendemonstranten geprügelt hatte. Es handelt
       sich um den Bundestagsabgeordneten Julian Schmidt, Zeitsoldat der auch im
       Afghanistan-Einsatz war, selbst austeilte und auch kassierte. Zudem fuhr
       ein Auto mit Delegierten aus Berlin in eine Rettungsgasse hinter einem
       Krankenwagen her und fuhr dabei fast Gegendemonstrant*innen um, die
       zum Dank die Rückscheibe des Autos zerschlugen.
       
       Als wäre das nicht genug, log der bayerische AfD-Landesvorsitzende Stephan
       Protschka, in dem er behauptete, dass die Linksradikalen ein Polizeipferd
       getötet hätten. Was die Polizei jedoch umgehend richtig stellte. Das Pferd
       sei ohne Fremdeinwirkung eine Böschung heruntergefallen. Aber Tier und
       Reiterin seien wohlauf.
       
       Aber die Realität spielt in der Parallelwelt in der Hessenhalle an diesem
       Tag wohl keine Rolle. Da verwundert es schon fast, dass die
       Jugendorganisation sich nicht den Namen „Jugend Germania“ gibt, den ein
       Delegierter vorschlägt. Und dieser Mann gilt innerhalb des AfD-Spektrums
       als „gemäßigt“ (!).
       
       ## Neuer Jugendführer Jean-Pascal Hohm
       
       Am Nachmittag soll dann ein Anführer gewählt werden. Der Parteivorstand
       unterstützt den ehemaligen JA-Vorsitzenden [2][Jean-Pascal Hohm]. Der
       28-jährige Cottbusser bezeichnet sich selbst schamlos als „rechts“ und wird
       nicht müde zu betonen, wie gut die Arbeit der Identitären Bewegung sei, die
       immerhin auf der Unvereinbarkeitsliste der Mutterpartei steht.
       
       Unfreiwillig komisch ist, dass Hohm sich angesichts der
       russlandfreundlichen Propaganda seiner Partei in seiner Antrittsrede dazu
       genötigt sieht, klarzustellen: „Weder Tino Chrupalla noch Alice Weidel sind
       Knechte Russlands.“ Darüber, wie nah man Russland sein will, hatte es
       zuletzt [3][interne Streitigkeiten gegeben.]
       
       Hohm leitet schnell wieder über auf sicheres Terrain: das Völkische. Der
       Mann ohne Berufsausbildung sagt, er wolle mit seiner Generation Deutschland
       dafür sorgen, dass „Deutschland die Heimat der Deutschen bleibt“. Er
       behauptet stumpf, Deutsche würden auf Schulhöfen zur Minderheit oder seien
       es schon.
       
       Mit diesen Sätzen verknüpft er einen ethnischen Volksbegriff mit
       politischen Zielen – was verfassungsfeindlich ist. Seine Scheitelarmee in
       der Hessenhalle beantwortet das mit Standing Ovations und ruft „Hohm! Hohm!
       Hohm!“, was sich zwar nur mittelgut rufen lässt. Geschenkt. Er wird mit
       90,4 Prozent der Stimmen zum alleinigen Vorsitzenden gewählt.
       
       Die Gründung der Generation Deutschland zeigt, wie professionalisiert und
       diszipliniert extrem rechten Netzwerke mittlerweile zusammen wirken, um
       auch die AfD maßgeblich zu beeinflussen. Das deutlichste Zeichen dafür: Zu
       Jean-Pascal Hohm, der bestens vernetzt ist – etwa mit der rechtsoffenen
       Hooligan- und Protestszene in Cottbus und auch Fuchs in einer rechten
       Burschenschaft – gab es nicht einmal einen Gegenkandidaten.
       
       ## Völkische haben die Nase vorn
       
       Danach wird die Liste diszipliniert durchgewählt. An zweiter Stelle kommt
       Jan Richard Behr. Er ist ebenfalls alter JA-Kader, war mehrfach bei
       Kubitschek in Schnellroda zu Besuch und – das darf hier nicht fehlen: hat
       Kontakte zur Identitären Bewegung – er bekommt 89,24 Prozent.
       
       Auch Adrian Maxhuni aus Niedersachsen stellt sich vor: Auch er ist
       langjähriger Kader der JA und gehört zum völkischen Netzwerk in der Partei,
       das dort spätestens seit 2021 Mainstream ist und in der Jugendorganisation
       noch länger. Der Landesverband Niedersachsen hatte 2022 die von ihm
       geführte Junge Alternative als Jugendorganisation aberkannt, [4][weil sie
       zu radikal aufgetreten ist].
       
       Damals forderten JA-Gruppen in Chats: „Wir sollten Tierversuche stoppen und
       Flüchtlinge dafür nehmen“ oder „die Endlösung für die Musels in
       Deutschland“. Maxhuni führte die JA Niedersachsen trotzdem weiter. Darüber
       hinaus soll er [5][Kontakte zu einem alten NPD-Ideologen] haben, der
       Schulungen durchführt. Zur Belohnung erhält er von den Delegierten in
       Gießen 81,09 Prozent der Stimmen.
       
       Kontrovers wurde es erst bei der Kandidatur zum 3. Vize-Vorsitzenden: Hier
       schicken die verfeindeten Lager des chronisch zerstrittenen Landesverbands
       Nordrhein-Westfalen jeweils eigene Kandidaten ins Rennen. Am Ende
       dominiert, wie erwartet, das völkische Netzwerke um den
       Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich („das freundliche Gesicht des
       NS“). Ihr Kandidat, Patrick Heinz, wird mit deutlichem Vorsprung gewählt;
       er bekommt 78 Prozent.
       
       Zuvor hielt er eine klar rassistische und rechtsextremen Rede. Er
       generalisierte Gewalt an Schulen als Problem vom „Mohammed“, der in den
       Pausen Butterflys zücke und deutsche Schüler verprügele. Das wolle er genau
       so formulieren, insistierte Patrick Heinz und sagte bockig: „Dann sind wir
       intolerant und werden intolerant bleiben!“. Szenenapplaus.
       
       Selbst der ihm unterlegene Kandidat des in der AfD als zu liberal
       kritisierten Lagers um NRW-Landeschef Martin Vincentz hatte in seiner
       Bewerbungsrede „Remigration“ gefordert, sich also angebiedert. Doch er
       erhielt nur 17,7 Prozent – deutlicher könnten die Kräfteverhältnisse in der
       Jugend der AfD kaum zum Ausdruck gebracht werden.
       
       ## Umstrukturiert, nicht entradikalisiert
       
       Unterm Strich hat die AfD ihre extrem rechte Jugendorganisation
       umstrukturiert, die radikalen Inhalte bleiben aber die gleichen wie bei der
       Jungen Alternative. Sie sollen ab jetzt nur professioneller verpackt
       werden. Auch deswegen riet Chrupalla davon ab, auf Häuser zu klettern und
       Banner zu droppen.
       
       Seine Diktatursozialisation ließ grüßen: Er schwor die neue AfD-Jugend mit
       einem alten FDJ-Slogan ein: „Für bessere Zukunft richten wir die Heimat
       auf“ – dem Lieblingslied von Erich Honecker. Vom Begriff
       „Bevölkerungsaustausch“ wollte Chrupalla in einem TV-Interview nicht reden,
       aber ansonsten dürfe die neue Jugend ruhig auch über die Stränge schlagen.
       Wie ein Feigenblatt ging dann seine Aufforderung unter, dass man
       gleichzeitig anschlussfähiger auch für Deutsche mit Migrationshintergrund
       und Frauen werden wolle. Waren ja auch kaum welche da.
       
       Abzuwarten bleibt, inwiefern es tatsächlich zu Parteiordnungsmaßnahmen
       kommen wird, wenn die neue Jugendorganisation ihren Rechtsextremismus genau
       so offen zur Schau trägt wie die aufgelöste JA. In Gießen hatte man
       jedenfalls den Eindruck, dass der AfD – einschließlich Bundesvorstand –
       ihren Rechtsextremismus mutig zeigt. Betrachtet man die Umfrage-Werte
       scheint ihr das nicht zu schaden.
       
       ## Leitsatz der Hitlerjugend wird bejubelt
       
       Die Frage ist nur: Ist der Bogen irgendwann überspannt? Und wie viele
       Verbotspunkte will die AfD noch sammeln? Auch Kevin Dorow aus
       Schleswig-Holstein, ein Burschenschaftler mit mehreren Schmissen im
       Gesicht, testete die Grenzen aus. Er kandidierte als erster Beisitzer im
       Vorstand und hielt die bis dahin radikalste Rede: „Wir distanzieren uns
       nicht“, ruft er in den Saal, lobt das AfD-Vorfeld und leitet dann über zum
       Motto der Hitlerjugend: „Jugend muss durch Jugend geführt werden“, forderte
       er.
       
       Das HJ-Motto hatte Rechtsextremist Björn Höcke vor einigen Wochen in Social
       Media gepostet und wieder gelöscht, [6][nachdem herauskam, dass er wieder
       wissentlich NS-Parolen verbreitet hatte]. Dorow bezieht sich in Gießen auf
       Höcke und ruft das Motto von der Bühne. Für die Nazi-Parole gibt es
       Szenenapplaus. Kevin Dorow wird danach mit 88,6 Prozent gewählt.
       
       ## Wurde dieser Mann von außen eingeschleust?
       
       Noch absurder wird es, als Alexander Eichwald die Bühne betritt, der eine
       bizarre Rede hält, die in Tonalität und Gestik an Adolf Hitler erinnert.
       Das wurde selbst AfD-Delegierten zuviel, einer fragte, ob das ein V-Mann
       sei. Auch im Netz gab es sofort Spekulationen, ob es sich dabei um eine
       Aktion eines linken Aktivisten handeln könnte.
       
       Doch tatsächlich: Eichwald ist AfD-Mitglied und im Stadtrat von Herford als
       „Sachkundiger Bürger“ benannt – mit Stimmrecht. Jean-Pascal Hohm sagte
       danach, der Auftritt habe gezeigt, wie wichtig es sei, bei
       Aufnahmegesprächen genau hinzuschauen. In einem Podcast hatte er kürzlich
       noch behauptet, dass es kein Problem für rechte Aktivisten sein sollte,
       AfD-Mitglied zu werden – wenn man nicht mit Namen und Gesicht bereits
       bekannt sei. Die Partei kündigte Ordnungsmaßnahmen gegen den
       Hitler-Imitator an. Doch selbst nach diesem Führer-Cosplay erhielt Eichwald
       immerhin 12 Prozent.
       
       30 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neugruendung-der-AfD-Jugend-in-Giessen/!6129882
 (DIR) [2] /Neugruendung-der-AfD-Jugend-in-Giessen/!6129882
 (DIR) [3] /AfD-streitet-ueber-Russland/!6129521
 (DIR) [4] /AfD-erkennt-Junge-Alternative-nicht-an/!5857470
 (DIR) [5] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-so-radikal-wird-die-neue-afd-jugendorganisation-a-d0251ad8-1cfa-4c9b-838d-9ab4a593bd08
 (DIR) [6] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus6894449e8d87bf286ac881a8/AfD-Bjoern-Hoecke-verbreitet-Leitsatz-der-Hitlerjugend.html
       
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