# taz.de -- Reaktionen auf das Ende des Klimagipfels: Empörung – aber auch Aufbruchstimmung
       
       > Weil kein Beschluss zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gelungen ist, sind
       > Klimaschützer von der Konferenz enttäuscht. Indigene sind jedoch
       > zufrieden.
       
 (IMG) Bild: Sie haben viel Aufmerksamkeit bekommen: Indigene Aktivisten bei einer Protestaktion auf der Klimakonferenz in Belém
       
       Klimaschützer*innen und Politiker*innen stellen die Erfolge der
       UN-Klimakonferenz in den Vordergrund, nachdem sie am Samstag enttäuschend
       zu Ende gegangen ist. "Diese Weltklimakonferenz war gut bei der Umsetzung,
       aber nicht gut genug beim Verhandlungsergebnis", sagte Bundesumweltminister
       Carsten Schneider (SPD).
       
       Die 194 Staaten, die bei der COP30 im brasilianischen Belém verhandelten,
       konnten sich vor allem auf drei Punkte einigen: Die Zahlungen für
       Klima-Anpassung sollen verdreifacht werden, es soll eine neue Institution
       gegründet werden, um die Energiewende weltweit gerechter zu machen – und
       der Klimaschutz soll nicht aufgegeben werden. Letzteres war vor dem Gipfel
       das Minimalziel gewesen.
       
       "Die Konferenz hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit beim Klimaschutz
       quicklebendig ist", sagte UN-Klimachef Simon Stiell. "Und das trotz
       heftigen politischen Gegenwinds." Die US-Regierung Donald Trumps hatte
       [1][keine Delegation nach Belém geschickt] und tritt aus dem Pariser
       Klimaabkommen aus. Trump selbst nannte Klimaschutz einen "grünen
       Schwindel". "Während ein Land sich zurückzieht, stehen 194 Länder
       solidarisch zusammen", sagte Stiell.
       
       „Wir wollten, dass der Gipfel ein Ergebnis produziert und zeigt, dass der
       Multilateralismus funktioniert, auch wenn es schwierig ist“, sagte
       Schneider am Ende der Konferenz. Das haben die 194 Staaten tatsächlich
       geschafft.
       
       ## "Die progressivste Sprache, die wir je gesehen haben"
       
       Der Beschluss, einen Mechanismus für eine gerechte Energiewende zu
       schaffen, stieß im Plenarsaal als einer der wenigen sogar auf Applaus. „Das
       ist die erste Klima-Institution, die mit den wirtschaftlichen und sozialen
       Folgen der Energiewende umgehen soll“, sagte Annabella Rosemberg vom
       Climate Action Network.
       
       Der Mechanismus muss noch konkret ausgestaltet werden. Aber geht es nach
       Rosemberg, soll er eine Beratungsstelle werden, bei der verschiedene
       Initiativen – von Arbeiter*innen, Kommunen, Indigenen – nach Unterstützung
       fragen können. Sie erhalten Zugang zu Erfahrung und Wissen anderer
       Initiativen und Länder, und Hilfe dabei, Gelder aus vorhandenen Fonds
       abzurufen. „Alle anderen Beschlüsse dieses Jahr bringen Beschlüsse oder
       Dialoge. Das hier ist etwas Greifbares“, sagte Rosemberg.
       
       Die Rechte von Arbeiter*innen werden im Abschlusstext zur gerechten
       Energiewende betont, aber auch, dass indigene Völker, Migrant*innen,
       Menschen afrikanischer Abstammung, Frauen, Ältere, Kinder und behinderte
       Menschen miteinbezogen werden müssen. „Das ist die progressivste Sprache,
       die wir je in einem Klimagipfel-Beschluss gesehen haben“, sagte Rosemberg.
       "Der Gipfel endet mit vielen schlechten Nachrichten, aber dank dieses
       Mechanismus gehen wir zufrieden nach Hause".
       
       ## Finanzforderung ärmster Länder nicht erfüllt
       
       Unzufrieden waren die meisten Länder jedoch mit dem Kompromiss zur
       Klima-Anpassung. Die Staaten einigten sich zwar auf eine grobe Liste von
       Indikatoren. Nach dem Beschluss beschwerten sich jedoch die EU, die
       Schweiz, Panama und andere darüber, dass die von Wissenschaftler*innen
       ausgearbeitete Liste mit etwa 100 Indikatoren zur Messung von Erfolg und
       Misserfolg nationaler Anpassungsmaßnahmen nicht übernommen wurde.
       Stattdessen müssen die Staaten eine deutlich gröbere, kürzere Liste erneut
       präzisieren.
       
       Schwerer wiegt jedoch, dass die Forderung der ärmsten Länder stark
       verwässert wurde, bis 2030 120 Milliarden US-Dollar jährlich für die
       Anpassung an den Klimawandel zu erhalten. Einigen konnten sich die Staaten
       - auf Betreiben der EU und anderer Industrieländer - lediglich darauf, die
       Anpassungsfinanzierung im Vergleich zu 2025 bis 2035 zu verdreifachen –
       ohne dass schon Daten vorlägen, wie hoch die Gelder dieses Jahr waren.
       
       "Der Ausstieg der USA aus Zusagen sowie die Kürzungen bei Klima- und
       Entwicklungsfinanzierung – unter anderem durch Deutschland – lassen
       befürchten, dass die Mittel 2025 deutlich zu niedrig ausfallen", sagte
       Sabine Minninger, Klima-Expertin bei Brot für die Welt. "Der lange
       Erfüllungszeitraum erschwert darüber hinaus die Planungssicherheit der
       besonders betroffenen Länder erheblich."
       
       Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation
       Germanwatch, lobt jedoch das Versprechen der Staaten, die Finanzierung
       sofort zu vergrößern. "Der Beschluss macht deutlich, dass die
       Anpassungsfinanzierung sofort steigen soll", sagte er. "Wir erwarten, dass
       die EU und andere Länder sich daran halten."
       
       ## Ausstiegsplan aus Fossilen gescheitert
       
       Dominiert wurde die Konferenz von der Forderung des brasilianischen
       Präsidenten Lula da Silva, Pläne für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas
       sowie für einen Entwaldungsstopp auf den Weg zu bringen. Die Idee, die Lula
       in seiner Eröffnungsrede einbrachte, gewann im Laufe der zweiwöchigen
       Verhandlungen immer mehr an Fahrt, gab den [2][Anstoß für die
       "Belém-Erklärung für den Ausstieg aus den Fossilen"] und wurde letztlich
       von 83 Ländern unterstützt.
       
       Aber auf Weltklimakonferenzen können Entscheidungen nur im Konsens
       getroffen werden – und den gab es nicht. "Die Beschlüsse zeigen das
       Versagen der internationalen Staatengemeinschaft, gemeinsam und couragiert
       die eskalierende Klimakrise einzudämmen", sagte Greenpeace-Vorstand Martin
       Kaiser. "Ölkonzerne und Exportländer wie Saudi-Arabien und Russland haben
       verhindert, dass die Konferenz einen beschleunigten Ausstieg aus Öl, Gas
       und Kohle verabschiedet."
       
       Michael Jacobs, Professor an der Universität Sheffield, hält das Scheitern
       der Ausstiegspläne sogar für "die Geburt einer neuen Achse der Blockade",
       die aktiv fossile Brennstoffe fördert und sich Klimaschutz entgegenstellt.
       
       Zusammen mit Russland, Saudi-Arabien und Nigeria habe sich auch China den
       Ausstiegsplänen in den Weg gestellt hat, sagte Christoph Bals von
       Germanwatch. "Das war die größte Enttäuschung."
       
       ## Grüne sehen Schuld auch bei Deutschland
       
       In der chinesischen Politik gebe es den Grundsatz, ein neues Energiesystem
       zu errichten, bevor das alte abgebaut wird, erklärte Kate Logan, Klima- und
       China-Expertin von der Organisation Asia Society. Wenn der Ausstiegsplan
       das nicht berücksichtigt hätte, hätte China ihn nur schwer akzeptieren
       können, sagte sie. "Besonders weil unklar war, ob eine kritische Masse von
       Ländern mit an Bord ist."
       
       Die Schuld für das Scheitern der Ausstiegsbewegung sieht Lisa Badum,
       klimapolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, aber
       auch bei Bundeskanzler Friedrichs Merz (CDU) und Finanzminister Lars
       Klingbeil (SPD): "Es ist unverschämt, dass Merz die brasilianischen
       Gastgeber beleidigt und Klingbeil das Fliegen billiger macht, während der
       Globale Süden allein das Klima schützen soll", sagte sie. "So torpediert
       man seine eigene diplomatische Stärke."
       
       Abseits der Verhandlungen kann die brasilianische Konferenzleitung eine
       gute Bilanz vorweisen: Sie wollte die vielen internationalen freiwilligen
       Klimaschutzinitiativen organisieren und hat tatsächlich 117 Pläne in den
       verschiedensten Bereichen vergleich- und messbar gemacht: wie
       Landwirtschaft mit weniger Methan-Ausstoß gelingen oder die Betonproduktion
       klimafreundlicher werden kann zum Beispiel, [3][jeweils mit konkreten
       Maßnahmen und Zielen, an denen Erfolg und Scheitern abgelesen werden kann].
       
       Außerdem will die globale Klima-Allianz der Stadtwerke und
       Versorgungsunternehmen Uneza zusammen mit der Internationalen
       Energie-Agentur und der Internationalen Erneuerbaren-Agentur einen Plan
       vorlegen, wie weltweit 1 Billion US-Dollar für den Ausbau von Stromnetzen
       zusammengekratzt werden können.
       
       Südkorea schloss sich während des Gipfels einer Allianz von Staaten an, die
       aus der Kohleverstromung aussteigen wollen, und Mexiko legte ein Klimaziel
       vor, das die Entwicklungsorganisation Oxfam einen „ehrgeizigen Sprung nach
       vorn“ nannte. All diese Initiativen seien "ein wichtiger Katalysator für
       die Umsetzung von Klimaschutz-Versprechen", sagte UN-Klimachef Simon
       Stiell.
       
       ## Brasilianische Indigene zufrieden mit ihren Erfolgen
       
       Die Belémer Klimakonferenz kann auch dank der starken
       zivilgesellschaftlichen Präsenz als Erfolg gelten. Zwar sorgten indigene
       und studentische Proteste in der ersten Woche für [4][Chaos und eine sehr,
       sehr lange Schlange von Gipfelteilnehmer*innen] beim Einlass am
       Mittwochmorgen.
       
       Aber so sei das eben in Demokratien, sagte Konferenzdirektorin Ana Toni.
       "Wir veranstalten eine Klimakonferenz im Amazonas-Gebiet. Hätten wir sie
       irgendwo anders hinverlegt, hätten wir viel weniger indigene Beteiligung
       gehabt", sagte sie. "Zum Glück ist Brasilien eine Demokratie, in der
       Menschen auf verschiedene Weisen protestieren können. Wir sollten das
       begrüßen."
       
       Der Druck der Indigenen zeigte tatsächlich Wirkung: Lulas Regierung hat in
       10 neuen Gebieten indigene Landrechte anerkannt. Kleber Karipuna, Mitglied
       des Volkes der Karipuna, lobte die Konferenz dafür, die Bedeutung indigener
       Völker beim Klimaschutz anerkannt zu haben.
       
       "Allein in Brasilien wurden 59 Millionen Hektar staatlich anerkannt als
       Gebiete, die über die nächsten 5 Jahre als indigene Territorien geschützt
       und verwaltet werden müssen", sagte er. "Uns wurden außerdem 1,8 Milliarden
       US-Dollar versprochen, um unsere Lebens- und Wirtschaftsweise zu
       unterstützen."
       
       23 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wie-US-Gouverneure-die-Buehne-der-Klimakonferenz-nutzen/!6130279
 (DIR) [2] /Initiative-auf-der-Klimakonferenz/!6131747
 (DIR) [3] https://climateaction.unfccc.int/assets/documents/3_.pdf
 (DIR) [4] /Zwischenbilanz-des-UN-Klimagipfels/!6130042
       
       ## AUTOREN
       
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