# taz.de -- Deutsch-französischer Digitalgipfel: Kohle für die Cloud
> Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam unabhängiger werden. Aber bei
> einem Gipfel über digitale Souveränität zeigen sich ihre Differenzen.
(IMG) Bild: Traute Einigkeit: Merz und Macron beim Gipfel über europäische digitale Souveränität in Berlin
Eigentlich wollten Deutschland und Frankreich Einigkeit zeigen. Sich
gegenseitig versichern, gemeinsam nach digitaler Unabhängigkeit zu streben.
Doch trotz aller Absichtserklärungen, bei der Beschaffung von Technologie
stärker auf europäische Produkte zu setzen, zeigt sich bei einem von
Deutschland und Frankreich organisierten [1][europäischen Digitalgipfel in
Berlin] vor allem eins: Wenn Deutschland und Frankreich über [2][digitale
Souveränität] reden, reden sie aneinander vorbei – außer, es geht ums Geld.
Frankreich ist Deutschland auf dem Weg zur technologischen Unabhängigkeit
einige Jahre voraus: Mit einer Digitalabgabe besteuert das Land Werbeerlöse
der großen Tech-Konzerne. Der Schutz europäischer Unternehmen ist der
französischen Regierung eine Maxime.
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hingegen hat sich das schöne Wort
„Souveränität“ erst vor kurzem vom Nachbarn abgeschaut. Deutschlands
Patentlösung für die digitale Unabhängigkeit: „Technologieführend werden“,
erklärte Digitalminister Karsten Wildberger beim Gipfel – um dann „bei den
Standards mitreden zu dürfen“.
Für die Bundesregierung geht das bevorzugt unter dem Schlagwort
„Bürokratieabbau“. So erklärte Merz in seiner Rede den „Rückbau der
Bürokratie“ und die „Offenheit der Wirtschaft“ zu Leitmotiven. Einer
Digitalabgabe öffnete er sich nur zögerlich: „Die Diskussion in der
Bundesregierung über eine solche Abgabe ist noch nicht abgeschlossen“ – man
müsse das steuerrechtlich nochmal sorgfältig prüfen. Außerdem stehe ja noch
im Raum, „ob das nicht Reaktionen auslöst aus den USA“.
Um den „Kampf des Digitalen“ nicht zu verlieren, erklärte dagegen Macron,
müsste in der Verwaltung und bei anderen öffentlichen Beschaffungen
konsequent auf europäische Lösungen gesetzt werden. „Wir wollen gemeinsam
dafür sorgen, dass Europa bevorzugt wird, wenn es zum Beispiel um KI oder
Dienstleistungen für unsere zentralen Verwaltungen geht“, so der
französische Präsident. Zumindest hier kündigte auch Merz an, mehr tun zu
wollen.
## Mut zur Regulierung
Netzaktivist Markus Beckedahl kritisierte gegenüber der Deutschen
Presseagentur die Ergebnisse des Gipfels. „Wo ist der Plan, den
US-Cloud-Anteil bis 2030 drastisch zu senken? Wo sind die Ziele, die
Meilensteine, die Investitionen? Stattdessen wieder der uralte Trick jedes
Digitalgipfels der letzten 20 Jahre: Der Markt wird’s schon richten.“ Wenn
Deutschland wirklich digitale Souveränität wolle, brauche es [3][Mut zur
Regulierung und die klare Entscheidung, eigene Infrastrukturen zu bauen].
Auch die französische Digitalministerin Le Hénanff, die zuletzt wegen ihres
Vorgehens gegen die Online-Verkaufsplattform „Shein“ Schlagzeilen machte,
zeigte sich eher unzufrieden mit dem deutschen Nachbarn. Denn der
beschäftigt sich bevorzugt mit Deregulierung für den deutschen Mittelstand.
Wäre es nicht gut, wenn bei den Anstrengungen um digitale Souveränität
nicht die Autoindustrie im Mittelpunkt stehen würde, sondern
Digitalunternehmen? Frankreich teile die Auffassung, dass mehr investiert
werden müsse, so Hénanff, insbesondere in europäische Unternehmen. Aber im
Kern bedeute „souverainité“ eben, dass Abhängigkeiten abgebaut werden
müssen. Die [4][starken europäischen Regularien seien dafür die Grundlage].
## Investition für die Innovation
„Erstmal bauen, dann regulieren“ findet dagegen ihr deutscher
[5][Amtskollege Karsten Wildberger] und verortet sich damit im „Team
Innovation“. Man könne viel von Frankreich lernen, aber man hoffe, dass
„andere“ auch von Deutschland lernen könnten. Fast abwehrend betonte
Wildberger die Gemeinsamkeiten: „Datenschutz, Sicherheit, Grundrechte von
Bürgerinnen“ stünden gar nicht zur Debatte
Einigkeit dagegen beim Geld: Um eine eigene Cloud-Infrastruktur aus dem
Boden zu stampfen, sind enorme Investitionen nötig. „Hunderte Milliarden“
müsse Europa laut dem französischen Finanzminister Lescure in europäische
Rechenkapazitäten stecken. Dafür ließe sich auch das Geld europäischer
Kleinsparer mobilisieren. EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen sah das auf
dem Gipfel ähnlich: „Wir haben den Markt, wir haben das Talent, wir haben
die Ambitionen. Was wir jetzt liefern müssen, sind Geld und Innovation“.
18 Nov 2025
## LINKS
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## AUTOREN
(DIR) Raoul Spada
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