# taz.de -- Forschungsort mit Nobel-Bezug: Wo das Dynamit erfunden wurde
> Nicht weit von Hamburg hat Alfred Nobel erstmals Dynamit hergestellt. Mit
> dem Helmholtz-Zentrum Hereon gibt es da nun weniger explosive
> Spitzenforschung.
(IMG) Bild: Historisch ein sehr explosives Gelände
„Krümmel“ ist ein Stichwort, das zumindest bei Leuten aus der
Antiatombewegung Erinnerungen wach werden lässt. Hier am Elbhang,
stromaufwärts von Hamburg, steht ein [1][stillgelegtes Atomkraftwerk], das
jahrelang wegen eines [2][Leukämieclusters] in der Umgebung in den
Schlagzeilen war. Krümmel, Teil der Gemeinde Geesthacht, hat aber in Sachen
Energie eine weiter zurückreichende Geschichte: Es ist der Ort, an dem das
Dynamit erfunden wurde.
„Wir gehen jetzt direkt in den Wald“, sagt Reinhard Parchmann vom
Förderkreis Industriemuseum Geesthacht. „Achten Sie darauf, wo sie
hintreten.“ Parchmann führt eine Gruppe von etwa 15 Leuten über das Gelände
des Helmholtz-Zentrums Hereon in Geesthacht, wo heute Spitzenforschung
stattfindet, aber zugleich im Unterholz die Hinterlassenschaften der
Sprengstoffproduktion zu finden sind.
## Experimente mit dem Teufelszeug
Wer mitkommen will, muss in der Pförtnerloge eine
Haftungsfreistellungserklärung unterschreiben, denn die meisten Gebäude,
die es auf der Tour zu sehen gibt, sind nach dem Zweiten Weltkrieg
gesprengt worden. Die dicken Stahlbetonwände und -decken sehen zwar
durchaus stabil aus – aber wer will dafür schon garantieren. Zudem liegen
Trümmer im Laub. Ab und zu ragt auch mal ein Stück Armierungsstahl aus dem
Boden.
Die Geschichte dessen, was es hier zu sehen gibt, reicht zurück ins Jahr
1865, als der schwedische Unternehmer und Tüftler Alfred Nobel nach
Geesthacht kam. Nobel experimentierte mit dem noch ziemlich neuen Stoff
Nitroglyzerin, einem hochexplosiven, erschütterungssensiblen Öl – wahrem
Teufelszeug. Bei Experimenten mit dem Stoff im schwedischen Laboratorium
der Familie kamen mehrere Leute ums Leben, darunter der jüngere Bruder
Alfred Nobels. Die schwedische Regierung verbot den Betrieb. Nobel musste
sich nach einem neuen Standort umsehen.
Die zerklüftete Gletschermoränenlandschaft am nördlichen Rand des Elbetals
schien dafür sehr geeignet. Zum einen, weil sich die gefährlichen
Produktionsstätten zwischen den Hügeln verteilen ließen, zum anderen, weil
die Elbe als günstiger Transportwege zur Verfügung stand, mit dem Hamburger
Überseehafen in nächster Nähe.
Die Herstellung von Munition war zunächst gar nicht das, was Nobel im Sinn
hatte. Vielmehr ging es darum, für Eisenbahnen Tunnels zu sprengen und
Erzminen zu erschließen. Trotzdem haben die Ruinen im Wald vor allem mit
der Munitionsherstellung zu tun. Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die
Fabrik mit 756 Gebäuden ihre größte Ausdehnung. 7.900 Menschen, viele davon
Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, waren hier tätig.
Die Gebäude, die Parchmann zeigt, sind alle in die Knie gegangen, die
Stützen entzweigesprengt, ein bis zwei Stockwerke niedriger als vor 80
Jahren.
Dass die Dächer bewachsen sind, liegt nicht nur daran, dass hier seit
Jahrzehnten die Natur walten kann – es war gewollt, zu Zwecken der Tarnung.
Auf einigen von ihnen sind kleine Halterungen befestigt, in die Bäume
gesteckt werden. Parchmann nennt sie treffend „Christbaumständer“.
Unter den herumliegenden Trümmern finden sich neben Beton auch Bruchstücke
aus Ziegel- und Basaltmauerwerk. Es war zwischen den Betonpfeilern an
„Ausblasstellen“ eingebaut worden, die im Falle einer Explosion aus der
Wand geflogen wären, ohne dass das gesamte Gebäude hätte einstürzen müssen.
## Zielgerichtete Forschungsarbeit
Direkt an Alfred Nobel erinnert wenig auf dem Gelände. Zum Hereon-Zentrum
gehört ein Alfred-Nobel-Pavillon. Darin steht eine Büste des
Dynamit-Erfinders auf einer Säule aus Dolomit. Das Gestein besteht zu einem
großen Teil aus Magnesium, zu dessen Verwendung [3][das Hereon forscht].
„Magnesium ist ein Drittel leichter als Aluminium“, sagt Patrick
Kalb-Rottmann, Pressesprecher des Helmholtz-Zentrums. Er lädt dazu ein, die
Frontverkleidung eines Porsche hochzuheben, die in der Tat erstaunlich
leicht ist. Sie besteht aus Magnesium, ebenso wie der winzige Stift, den
Kalb-Rottmann mitgebracht hat – einen [4][Stent zur Behandlung von
Herzinfarkten]. Er hat den Vorteil, dass er sich mit der Zeit auflöst und
bei fortschreitender Arterienverkalkung weitere Gefäßeingriffe ermöglicht.
Auch Alfred Nobel hat zielgerichtet geforscht und experimentiert. Um das
Sprengöl handhabbarer zu machen, versuchte er es an andere Stoffe zu
binden. Er experimentierte mit Holzkohle und Schwarzpulver und landete
schließlich bei Kieselgur, einem feinen Sand aus fossilen Kieselalgen. Das
Material gibt es in der Gegend reichlich. Bei einem entsprechenden
Mischungsverhältnis entstand daraus eine feste Masse. 1867 ließ sich Nobel
das als „Dynamit“ patentieren.
2 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Atomkraftwerke-als-Denkmaeler/!5901660
(DIR) [2] /Unerhoert-Protokoll-Bettina-Boll/!5156487
(DIR) [3] /Nebeneffekte-von-Windkraftanlagen/!6102627
(DIR) [4] https://www.mhh.de/presse-news/mhh-kardiologie-implantiert-neueste-generation-selbstaufloesender-stents
## AUTOREN
(DIR) Gernot Knödler
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