# taz.de -- Ortsbegehung im Römergrab: Ein Grab lädt zum Festmahl
       
       > In Köln steht das besterhaltene Römergrab nördlich der Alpen. Es ist erst
       > seit Kurzem wieder zugänglich und sieht aus wie ein festlicher
       > Speisesaal.
       
 (IMG) Bild: Sieht schon recht lebendig aus für ein Grab
       
       Man kommt rein und möchte sie anfassen: diese fein geflochtenen Korbsessel,
       die heute wieder modern sein könnten. Und man möchte sich draufsetzen,
       sofort. Denn sie bestehen aus Marmor, und gerade der Kontrast zwischen
       echten und suggeriertem Material ist so fesselnd. Aber – man darf nicht.
       Das steht zwar nicht dran, weil diese antike Grabkammer möglichst original
       getreu bleiben soll. Aber da immer ein Guide zur Besichtigung mitgeht,
       besteht wenig Chance, es heimlich zu tun. Also bleibt man gesittet stehen
       im Römergrab in Köln-Weiden, neun Kilometer stadtauswärts an der stark
       befahrenen Aachener Straße gelegen.
       
       Schon zu Römerzeiten – wir sprechen hier vom 2. Jahrhundert n. Chr. – war
       die „Via Belgica“ eine belebte Ausfallstraße Richtung Westen. Daran hat
       sich nichts geändert. Vorsichtig balanciert man den schmalen Bürgersteig
       entlang, um nicht vom Verkehr mitgerissen zu werden. Wäre fest
       vorbeigelaufen am „Römergrab“-Banner zwischen allerlei kleinen Häusern. Ein
       ungewolltes Understatement, ein Prélude des Kommenden.
       
       Mit ein paar Schritten steigt man dann die Treppe hinab in jene
       Vergangenheit, auf die Köln so stolz ist. Denn neben Straßen, Bibliothek
       und Wasserleitungen haben die römischen Kolonisatoren in der „Provinz
       Niedergermanien“ Prunkgräber wie dieses hinterlassen. Zum Beispiel einen
       Sarkophag aus Carrara-Marmor mit Symbolen von Frühling und Winter – Anfang
       und Ende des Lebens – sowie ein Medaillon mit Bildnissen der Verstorbenen.
       
       ## Lebensmittel für die Verstorbenen
       
       Im alten Rom gab es sowohl Sarg- als auch Feuerbestattungen, und oft bekam
       der Tote eine Münze mit, um den legendären Fährmann Charon zu bezahlen,
       damit er die Seele ordnungsgemäß über den Totenfluss in die Unterwelt
       brachte. Auch Lebensmittel gab man mit, wünschte man dem Verstorbenen doch
       weiterhin fröhliche Festmähler. Auch die Kölner Grabkammer, die
       besterhaltene nördlich der Alpen, ist wie ein Speiseraum möbliert, mit
       Ruhebetten – Männer aßen im Liegen – und Korbsesseln für die Frauen.
       Natürlich alles aus edlem Gestein.
       
       Ob sich auch in dieser Grabkammer, wie anderswo, Verwandte zum
       Totengedenken trafen, ist nicht überliefert. Ein trostloser Raum ist das
       hier jedenfalls nicht. Sicher, der große Sarkophag – der einst ein
       Stockwerk höher stand, bevor die Decke einstürzte, – steht etwas im Wege.
       Abgesehen davon fühlt man sich durchaus in Gesellschaft zwischen den
       lebendig modellierten Büsten zweier Frauen und eines Mannes.
       
       Wobei niemand weiß, wer diese Leute sind, denn Inschriften gibt es leider
       nicht. Sicher ist, dass die Büsten nicht die im Sarkophag Bestatteten
       zeigen, entstammen sie doch einer anderen Zeit; immerhin wurde das Gab vom
       2. bis ins 4. Jahrhundert über mehrere Generationen genutzt. Sie alle
       stammten wohl von einem der umliegenden Gutshöfe und waren wohlhabend,
       sonst hätten sie sich kaum Ewigkeitsmaterialien wie Marmor geleistet. Die
       Armen mussten sich mit einem Holzsarg begnügen – ein Grund, weshalb ärmere
       Schichten generell wenig materielle Spuren hinterließen.
       
       Und das Grab stand nicht allein: Eine regelrechte Gräber-Prachtstraße muss
       es längs der Via Belgica gegeben haben, wie die Ausstellung im Wärterhaus
       nebenan zeigt. Wobei abermals die prominente erste Reihe die teuerste war.
       Auch der Kölner Sarkophag stand, umhegt wohl von einem offenen Tempelbau,
       direkt an der Straße, sodass ihn jeder Passant sehen konnte. Trotzdem
       dachte man praktisch: Die Schauseite ist reich verziert, die Rückseite roh
       und unbehauen.
       
       ## Durch Zufall wiederentdeckt
       
       Wiederentdeckt wurde das Ganze im 19. Jahrhundert bei
       Ausschachtungsarbeiten. Der damalige Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner
       erkannte die Einzigartigkeit des Grabs, ließ es sichern und – in Anlehnung
       an den zerstörten Tempelbau von einst – einen Schutzbau darüber setzen,
       nebst Wärterhaus. 1848, zeitgleich zur Fertigstellung des Kölner Doms nach
       über 600 Jahren Bauzeit, war das Römergrab öffentlich zugänglich.
       
       Dann kamen der Deutsch-Französische und die beiden Weltkriege, das Grab
       wurde vergessen. Bis in die 2000er Jahre, so ist zu hören, habe die
       Bewohnerin es Wärterhauses Besuchern auf Anfrage aufgeschlossen.
       Systematisch wurde die Sache mit dem 2017 gegründeten Förderverein, der
       seither das Grab betreut und seit 2019 samt neuem Lernort mit Ausstellung
       und Seminarraum wöchentlich öffnet. Und wenn man wieder herauskommt, ist
       man verändert, denn man weiß: Diese lärmende Straße führte einst durch
       einen riesigen Friedhof, eine prachtvolle Prozession der Steine.
       
       27 Dec 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
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