# taz.de -- Auktion von Nazi-Dokumenten: 350 Euro für ein Hinrichtungspapier
> Ein Auktionshaus in NRW wollte Nazi-Dokumente über Häftlinge von
> Konzentrationslagern versteigern. Das ist verwerflich und gehört schlicht
> verboten.
(IMG) Bild: Einen „Judenstern“ wie diesen wollte das Auktionshaus verkaufen, „mit Gebrauchsspuren“ aus dem KZ Buchenwald
Am Sonntagmorgen war die Seite noch abrufbar. Da konnte man sich Briefe von
KZ-Insassen aus fast allen Konzentrationslagern der Nazis anschauen, mit
Name und Adresse, ja sogar Dokumente zur Sterilisation eines Menschen,
dessen „[1][Erbgesundheit]“ nach Ansicht der regierenden Rassisten und
Antisemiten zu wünschen übrig ließ. Zu kaufen gab es eine
Gestapo-Karteikarte über die Hinrichtung eines Juden in Ostpreußen und
einen „Judenstern“ aus dem [2][KZ Buchenwald] „mit Gebrauchsspuren“. Oder
wie wäre es mit einem Papier über den Tod einer 1944 im Rahmen der
sogenannten Euthanasie ermordeten Patientin? Dokumente aus dem Schlachthaus
der Menschheitsgeschichte also, dazu noch höchst privater Natur.
Am Sonntagmittag war die Seite im Internet nicht mehr vorhanden. Die für
den Montag geplante Versteigerung eines Neusser Auktionshauses von 623
Objekten unter dem Titel „Das System des Terrors“ wurde abgesagt – offenbar
auf erheblichen politischen und publizistischen Druck. Das Auktionshaus
Felzmann selbst mochte sich am Sonntag nicht äußern. Die Bestätigung der
Absage erfolgte durch einen Sprecher der nordrhein-westfälischen
Staatskanzlei.
Was NS-Devotionalien angeht, hat sich die Öffentlichkeit in den letzten
Jahrzehnten an so einiges gewöhnen müssen. Da werden [3][Bilder des
gescheiterten Kunstmalers Adolf Hitler versteigert]. Auch Hitlers
Bartbürste und eine seidene Unterhose von Hermann Göring gerieten schon
unter den Hammer. Es gibt Leute, die so etwas sammeln.
## Mit dem Leid von Menschen Kasse machen
Die Verherrlichung des Nazi-Regimes ist in Deutschland aus gutem Grund
strafbar, ebenso die Verwendung verfassungswidriger Zeichen und Symbole,
worunter fast alle Kennzeichen von SS, SA, Hitlerjugend und NSDAP fallen.
Aber ins eigene Kämmerlein darf man sich die Vitrine mit geschnitzten
Hakenkreuzen gerne stellen.
Die nun auf den letzten Metern abgesagte Versteigerung in Neuss stellte
freilich eine weit verwerflichere Aktion dar. Hier wollte ein Unbekannter –
wir wissen nicht, wer der Einlieferer ist – und ein Auktionshaus mit dem
Leid von Menschen Kasse machen. Was ist eine KZ-Einweisung wert, was gar
eine Entlassung? Wie viel bezahlt man für das Dokument über eine
vorgesehene Sterilisation? Die geforderten Schätzpreise bewegten sich meist
im Bereich zwischen 100 und 500 Euro. Das Papier über die „Euthanasie“
einer Frau in Hademar wurde mit 350 Euro bewertet, ebenso viel wie die
Hinrichtung des Juden aus Ostpreußen.
Von einem [4][„zynischen und schamlosen Unterfangen“ sprach Christoph
Heubner], der Vizechef des Auschwitz-Komitees. Das Leid aller Menschen, die
von den Nazis verfolgt und ermordet wurden, werde aus kommerziellem
Interesse missbraucht.
## Mosaiksteinchen für die Forschung
Der Kapitalismus neigt bekanntlich dazu, aus allem und jedem eine Ware zu
machen, die es zu verticken gilt. Ist der Verkauf von NS-Dokumenten über
gefangene und gequälte Opfer die höchste Stufe dieser Gesellschaftsordnung?
Zählt diese etwa zur viel gelobten sozialen Marktwirtschaft?
Das dann doch nicht, entschied die Bundesregierung. Nach Protesten des
Auschwitz-Komitees und des Fritz-Bauer-Instituts ergriff Außenminister
Johann Wadephul (CDU) am Wochenende das Wort. „So etwas gehört sich
schlicht und ergreifend nicht, und es muss klar sein, dass wir eine
ethische Verpflichtung haben gegenüber den Opfern, derartige Dinge zu
unterbinden“, sagte Wadephul zu Beginn einer Auslandsreise. Er habe mit
seinem polnischen Amtskollegen Radoslaw Sikorski über den „ungeheuerlichen
Vorgang“ gesprochen, sagte Wadephul. Er sei sich mit ihm „völlig einig,
dass ein solcher Versuch, ein Geschäft mit dem Verbrechen der Schoah zu
machen, abscheulich ist und unterbunden werden muss“.
Ganz anders hatte sich am Wochenende der Geschäftsführer des Auktionshauses
geäußert. Auch private Sammler betrieben „intensive Forschung“ und
leisteten einen „Beitrag zur historischen Aufarbeitung“, berichtete die
Frankfurter Allgemeine am Samstag aus einer Erklärung. Das mag so sein.
Genauso gut können Sammler ihre ersteigerten NS-Dokumente aber auch hinter
Glas in ihrem Arbeitszimmer aufhängen.
Dass die seidene Unterhose Görings (Bundweite 114 Zentimeter) zur
Akkumulation von Kapital dienlich ist, ist schon schwer genug erträglich.
Aber Deutschland ist ein liberales Land, und es sollte niemandem verboten
sein, mit welcher Unterhose auch immer er oder sie im eigenen Schlafgemach
unterwegs. Dass der Unterhosen-Verkäufer damit Geld verdient, tja, das ist
die Marktwirtschaft, bei der in diesem Fall die Anwendung des Adjektivs
„beschissene“ erlaubt ist.
Das Verhökern von NS-Dokumente über deren Opfer dagegen gehört schlicht und
einfach verboten. Dort werden Namen von Menschen genannt, die gelitten
haben, vielfach ermordet wurden. Diese Papiere gehören, wie das
Auschwitz-Komitee verlangte, entweder den Familien der Opfer oder sie
sollten – besser – in entsprechenden Archiven und Gedenkstätten gehütet
werden. Sie sind Mosaiksteinchen für die Forschung über den
Nationalsozialismus. Sie sind Teil des bösesten Kapitels der
Menschheitsgeschichte und müssen deshalb auch allen Menschen zugänglich
bleiben.
Das Auktionshaus Felzmann ist eigentlich auf die Versteigerung von
Briefmarken spezialisiert. Es sollte schleunigst zu seinem Kerngeschäft
zurückkehren.
Redaktioneller Hinweis: Dieser Text wurde am 16.11.2025 um 19.52 Uhr
aktualisiert und um zusätzliche Textpassagen ergänzt.
16 Nov 2025
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(DIR) [1] /Buch-ueber-Eugenik-in-Deutschland/!6033872
(DIR) [2] https://www.buchenwald.de/
(DIR) [3] https://www.spiegel.de/panorama/nuernberger-auktion-hitler-aquarelle-fuer-32-000-euro-versteigert-a-621147.html
(DIR) [4] https://www1.wdr.de/nachrichten/auktion-ns-dokumente-judensterne-neuss-100.html
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