# taz.de -- Strafrechtsverschärfung in Italien: Lebenslange Haft für Femizide
       
       > Vor zwei Jahren wurde in Italien Giulia Cecchettin von ihrem Ex ermordet,
       > seitdem wird gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Nun reagiert die
       > Politik.
       
 (IMG) Bild: Zehntausende demonstrierten am 22. November in Rom gegen Gewalt gegen Frauen
       
       Lebenslange Haftstrafe, das hat Italien jetzt gesetzlich verankert, wenn
       Frauen ermordet werden – weil sie Frauen sind. Am Dienstag hat Italiens
       Abgeordnetenhaus einstimmig den neuen Artikel 577 des Strafgesetzbuchs
       beschlossen. Wer eine Frau tötet, wegen ihres Geschlechts, aus Hass gegen
       „Frauen als solche“, zur Diskriminierung und zur Unterdrückung ihrer
       Freiheit, für den gibt es nur eine Strafe: lebenslange Haft.
       
       Nicht zufällig fand das abschließende Votum im italienischen Parlament am
       25. November statt: exakt am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.
       Und ein Zeichen setzten die Abgeordneten aller Fraktionen von links bis
       rechts auch mit der einstimmigen Verabschiedung. Das Wort Femizid – im
       Italienischen femminicidio – kommt zwar in dem neuen Gesetzesartikel nicht
       vor, doch er legt detailliert die Tatbestände dar, die den Mord an einer
       Frau „in ihrer Eigenschaft als Frau“ zum Femizid machen.
       
       Mehr noch: Anders als bei anderen Morden, für die der Artikel 575 des
       Strafgesetzbuches „eine Strafe nicht unter 21 Jahren Haft“ vorsieht, wird
       für Femizide das Standardstrafmaß auf lebenslänglich angehoben. Italiens
       Politik will so demonstrieren, dass sie den Kampf gegen die oft tödliche
       Gewalt an Frauen weiter verschärft.
       
       Und reagiert damit auch auf [1][Forderungen aus der Bevölkerung.]
       Zehntausende Menschen gingen Mitte November in Rom auf die Straße, um
       Gewalt gegen Frauen anzuprangern. Am Dienstag darauf fanden dann in
       zahlreichen Städten Italiens Kundgebungen, Flashmobs und Demos statt.
       Italienische Medien tun das ihre, um öffentliche Aufmerksamkeit
       herzustellen, berichten immer wieder auf Titelseiten und in
       Fernsehsendungen über Femizide, über die Taten, dann über die Prozesse.
       
       ## Akribisch vorbereiteter Mord
       
       Taten wie die des Studenten Filippo Turetta, der im November 2023 seine
       Ex-Freundin, [2][die 22-jährige Giulia Cecchettin], mit zahlreichen
       Messerstichen getötet, ihre Leiche dann in einen Wald geschafft und sich
       nach Deutschland abgesetzt hatte. Giulia Cecchettin hatte nach der Trennung
       trotz seiner Selbstmorddrohungen den Kontakt zu Filippo Turetta nicht
       völlig abgebrochen. Auch an ihrem Todestag waren die beiden verabredet. Den
       Mord an seiner Ex-Freundin hatte Turetta akribisch vorbereitet.
       
       Oder der Fall des Barkeepers Alessandro Impagnatiello, der im Mai 2023
       seine 29-jährige schwangere Freundin Giulia Tramontano erstach. Die junge
       Immobilienmaklerin ermordete er, weil ihm ihre Schwangerschaft nicht passte
       und weil sie zudem eine Affäre von Alessandro Impagnatiello mit einer
       Arbeitskollegin entdeckt hatte.
       
       Die Ermittler fanden heraus, dass er vor der Tat im Internet ausführlich zu
       Giftmorden recherchiert hatte. Der Tatbestand, dass Turetta ebenso wie
       Impagnatiello ihre Morde minutiös geplant hatten, also alles andere als
       Affekttäter waren, schockierte die italienische Öffentlichkeit genauso wie
       die Tatsache, dass beide Verbrechen in gutbürgerlichen Milieus geschahen.
       Beide Taten wurden von freundlichen, wohlerzogenen jungen Männern aus der
       Nachbarschaft begangen.
       
       Die beiden Morde brachten in Italien landesweit die Debatte über notwendige
       Reaktionen auf Gewalt an Frauen erneut in Gang – mit der Folge, dass jetzt
       der gesonderte Straftatbestand Femizid eingeführt wurde. Er soll vor allem
       den immer wieder gefällten milden Urteilen einen Riegel vorschieben. So
       erhielt ein 32-jähriger Angeklagter in Florenz nur 16 Jahre Haft; das
       Gericht hielt ihm zugute, dass er nach dem Mord an seiner Freundin nicht
       geflohen war.
       
       ## „Non una di meno“
       
       Ein 35-Jähriger erhielt in Triest eine Strafe von nur 22 Jahren, das
       Gericht würdigte so auch die Tatsache, dass er aus dem Gefängnis heraus
       weiter für den Unterhalt seiner Kinder aufkam. In einem anderen Fall hatte
       die Staatsanwaltschaft in Modena zwar für einen 70-jährigen Angeklagten,
       der seine 47-jährige Frau und deren Tochter erschossen hatte, lebenslange
       Haft beantragt. Doch das Gericht billigte dem Angeklagten zu, seine Motive
       seien „menschlich verständlich“, da er sich „gedemütigt“ gefühlt und in
       einem „emotionalen Blackout“ zur Waffe gegriffen habe. Es verhängte deshalb
       30 Jahre.
       
       Eine Analyse von 370 Femizid-Urteilen zwischen 2010 und 2016 ergab, dass
       zwar Eifersucht als eines der Mordmotive angeführt, aber als strafmildernd
       gewertet wurde. Damit soll nun Schluss sein. Es wäre ein weiterer
       Fortschritt in einem Land, das erst im Jahr 1981 den spezifischen
       Ehrenmordparagrafen abgeschafft hatte, wonach Männer mit höchstens sieben
       Jahren Haft rechnen mussten, wenn sie die untreue Frau oder Verlobte
       töteten.
       
       In Italien werden, genauso wie in Deutschland, unterschiedliche Zahlen für
       Femizide genannt. Das Statistische Amt Istat meldet für 2024 106 Femizide
       (bei insgesamt 116 Frauenmorden). Die Website [3][femminicidioitalia.info]
       dagegen spricht für 2024 von 40 Femiziden, das Innenministerium von 96
       Frauenmorden „im familiären oder Beziehungsumfeld“. Doch nicht umsonst
       heißt das Frauennetzwerk, das zur Großdemonstration am letzten Samstag in
       Rom aufgerufen hatte, „Non una di meno“ – „nicht eine weniger“: Jenseits
       der Zählweise ist jeder dieser Morde einer zu viel.
       
       So wichtig den Frauen in Italien das neue Femizid-Gesetz ist, so sehr
       könnte sich die Allparteienallianz bei seiner Verabschiedung als
       Eintagsfliege entpuppen.
       
       Ebenfalls am 25. November stoppte der Senat vorerst ein weiteres
       Gesetzesvorhaben, auf das sich ursprünglich die rechte
       [4][Ministerpräsidentin Giorgia Meloni] und die linke
       [5][Oppositionsführerin Elly Schlein] geeinigt hatten. Es sah eine
       Freiheitsstrafe von 6 bis 12 Jahren für Personen vor, die sexuelle
       Handlungen an einer anderen Person ohne deren „freie und aktuelle
       Zustimmung“ vornahmen – auch, wenn sie ihren Konsens an einem bestimmten
       Punkt widerruft. Im letzten Moment jedoch machte die Rechte im Parlament
       einen Rückzieher. Matteo Salvinis Lega propagierte eine große Gefahr für
       unschuldige Männer. Frauen könnten einen solchen neuen Paragrafen für
       Rachefeldzüge nutzen.
       
       29 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Femizide-als-Straftat/!6071549
 (DIR) [2] /Ein-Femizid-beschaeftigt-ganz-Italien/!5971331
 (DIR) [3] https://femminicidioitalia.info
 (DIR) [4] /Justizreform-in-Italien/!6125018
 (DIR) [5] /Neues-Buendnis-in-Italien/!6022551
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Italien
 (DIR) Giorgia Meloni
 (DIR) Schwerpunkt Femizide
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Guatemala
 (DIR) Schwerpunkt Femizide
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gewalt gegen Frauen in Guatemala: 376-mal gegen Straflosigkeit
       
       In Guatemala leben Frauen sehr gefährlich. Die Aufklärungsrate bei
       Verbrechen ist gering. Aktivistinnen prangern die Untätigkeit des Staates
       an.
       
 (DIR) Femizide weltweit: Alle zehn Minuten eine getötete Frau
       
       Rund 50.000 Frauen und Mädchen starben laut der UN 2024 durch Gewalt in der
       Familie oder Beziehung. Dabei gibt es Unterschiede je nach Weltregion.
       
 (DIR) Neue Studie über Femizide: Gekränkte Männer, tote Frauen
       
       Es sind Partner oder Ex-Partner, die Frauen umbringen. Es ist keine Zeit,
       darauf zu warten, dass Männer sich ändern. Es muss jetzt etwas passieren.