# taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Guatemala: 376-mal gegen Straflosigkeit
> In Guatemala leben Frauen sehr gefährlich. Die Aufklärungsrate bei
> Verbrechen ist gering. Aktivistinnen prangern die Untätigkeit des Staates
> an.
(IMG) Bild: Immer mehr Frauen protestieren in Guatemala gegen geschlechtsspezifische Gewalt
Acht Stunden Fahrt hat Perta Gamboa auf sich genommen, um gegen alle Formen
von Gewalt gegen Frauen in Guatemala-Stadt zu protestieren. „Es ist
wichtig, hier vor dem Justizpalast darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen
in Guatemala nicht sicher sind. Körperlicher und psychologischer Gewalt
sind Frauen in Guatemala immer wieder ausgesetzt. Selbst Femizide bleiben
oft straflos“, erklärt die 29-jährige Garifuna aus Livingston.
Gemeinsam mit acht, neun Freundinnen hat sie sich eingereiht in eine Gruppe
von Frauen aus dem Verwaltungsbezirk Izabal, die, geschmückt mit gelben
Blumen, gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen in Guatemala protestieren.
„Die ist vielschichtig“, erklärt Alejandrina Cano von der Unión Nacional de
Mujeres Guatemaltecas (UNAMGT). „Bis zum 15. November haben wir 376 Morde
an Frauen, darunter 141 Femizide, dokumentiert. Das sind 376 zu viel und
wir fordern, dass jeder einzelne aufgeklärt und geahndet wird“, sagt Cano
und setzt sich mit einem knappen Dutzend Mitstreiterinnen auf die Stufen
des Justizpalasts.
Umgeben von lilafarbenen und grünen Papierblumen blickt sie aus dem
Papp-Rahmen, auf dem die Buchstaben „Wo ist die Gerechtigkeit – es blüht
die Hoffnung“ aufgeklebt sind. Ein typisches Bild an diesem Morgen in
Guatemalas Hauptstadt, wo sich ein rundes Dutzend Frauen- sowie zwei
Transfrauen-Organisationen eingefunden haben, um gegen Gewalt gegen Frauen
zu protestieren und den Staat in die Verantwortung zu nehmen.
## Vorwurf Untätigkeit
Eben diesem Staat werfen etliche der Organisationen Untätigkeit vor. Zu
wenig Ermittlungserfolge, zu wenig Fälle, wo die Täter hinter Gittern
landen – sowohl bei Fällen von Vergewaltigung wie bei Femiziden. „Schluss
mit der Straflosigkeit“, lautet eine der Parolen, die über ein Soundsystem
mit dicken Boxen über den Platz der Menschenrechte vor dem Justizpalast
geblasen werden, als sich der Zug der Demonstrierenden in Bewegung setzt.
In den Zug, der zu mehr als 90 Prozent aus Frauen besteht, die aus allen
Landesteilen in die Hauptstadt gekommen sind, darunter viele [1][Indigene],
haben sich nur wenige Männer eingereiht. Bezeichnend für Paula Barrios von
der Organisation Frauen transformieren die Welt. Als versierte Anwältin war
sie in mehreren Prozessen wegen Vergewaltigungen und tödlicher Gewalt gegen
Frauen tätig.
Einer dieser Fälle ist der brutale Mord an Luz María, die von ihrem Ehemann
vor den Augen des gemeinsamen Kindes Anfang 2022 umgebracht worden war. Der
Fall hat in Guatemala 2022 Schlagzeilen gemacht. Das 25-jährige Opfer
arbeitete als Kriminalistin für die Staatsanwaltschaft.
Ihre Mutter Ada Morales hatte sich nicht gescheut, immer wieder an die
Öffentlichkeit zu gehen und die Ermittlungsbehörden unter Druck zu setzen.
Das trug dazu bei, dass der Ehemann und Täter Jorge Rafael Zea Mejía im
Oktober schließlich zu einer 50-jährigen Freiheitsstraße verurteilt wurde.
## Fehlender politischer Druck
Das ist eher untypisch in Guatemala. Dort sind die Gerichte heillos
überfordert mit der Zahl der Fälle, die sie bearbeiten sollen. Weitere
strukturelle Probleme sind die Korruption im Justizapparat sowie der
fehlende politische Druck. Dieser trägt dazu bei, dass auch Verfahren aus
dem blutigen Bürgerkrieg (1960–1996) wegen Vergewaltigung und Mord an
indigenen Frauen auch fast dreißig Jahre nach dem Friedensschluss immer
noch nicht abgeschlossen sind, wie Frauen wie Olga Xoy von der indigenen
Frauenbewegung Tz’ununija beklagen.
Neue Gesetze erhofft sie sich von der Regierung Bernardo Arévalo, die gegen
Korruption angetreten ist, aber auch für mehr Respekt für die
Menschenrechte. Das eint viele Frauen in dem rund 1.000 bis 1.500 Köpfe
zählenden Marsch, der sich durch die sechste Avenida bis auf den Platz der
Verfassung schiebt, wo die Abschlusskundgebung stattfindet.
Sie endet mit dem Appell an die Regierung, endlich mehr zu tun. „Wir
brauchen mehr Prävention, effektivere Ermittlungsstrukturen und eine
Justiz, die ihrer Aufgabe gerecht wird“, meint Elisa Ramírez aus dem
Stadtteil Santa Fé von Guatemala-Stadt. Die agile Mittfünfzigerin wirbt per
Fahne für das Gesetz 5452. Dieses soll den Frauen mehr ökonomische
Förderung und Unabhängigkeit bringen – für Ramírez ein Schritt in die
Zukunft.
26 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Knut Henkel
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