# taz.de -- Ausstellung „Robotron“ in Leipzig: Großrechner und Altmeister
       
       > Die Ausstellung „Robotron. Code und Utopie“ der Leipziger Galerie für
       > Zeitgenössische Kunst nimmt die Technologiepolitik der DDR in den Blick.
       
 (IMG) Bild: Margret Hoppe, Arno Rink, Wandbild Robotron Gebäude 1970, Leipzig, 2012, C-Print
       
       Auf der Heimfahrt von Leipzig meldet Spiegel Online, dass nur fünf Prozent
       der deutschen Industrieunternehmen ohne Software aus den USA und Hardware
       aus China auskommen würden. Blieben die aus, müssten die meisten Firmen in
       wenigen Wochen ihren Betrieb einstellen.
       
       Da lobt man sich doch die vorausschauende Technologiepolitik der
       DDR-Planwirtschaft, die den Ausgangspunkt der Ausstellung „Robotron. Code
       und Utopie“ bildet, die man gerade in der [1][Leipziger Galerie für
       Zeitgenössische Kunst (GfZK)] besichtigt hat: Das Kombinat Robotron
       entwickelte ab Anfang der 1960er Jahre volkseigene Computer inklusive
       eigener Software.
       
       Diese technischen Entwicklungen setzten zwar auf ihre Weise den berühmten
       DDR-Slogan „Überholen ohne einzuholen“ um: [2][der Robotron 300], ein
       riesiger Mainframe-Rechner von 1968, war letztlich eine Kopie des zehn
       Jahre älteren IBM 1401 aus den USA. Aber dafür war er für den Bedarf der
       DDR optimiert und lief bald in Fabriken, Universitäten und
       Forschungseinrichtungen. Der normale DDR-Bürger dürfte mit den Produkten
       des Kombinats kaum Kontakt gehabt haben – Personal Computer für den
       Privatgebrauch sind in der DDR kaum gebaut worden.
       
       Trotzdem haben sich schon in den 1960er und 70er Jahren Künstler in der DDR
       mit Kybernetik und früher Digitalisierung beschäftigt, wie die Ausstellung
       zeigt. In essayistischer, assoziativer Manier zeigt sie Kunst von den
       1960er Jahren bis zu Auftragsarbeiten aus diesem Jahr, darunter
       überraschende Positionen.
       
       Da ist zum Beispiel A. R. Penck, der gleich mit mehreren Arbeiten vertreten
       ist, einmal mit einem ganzen Zyklus von Zeichnungen, in dem seine
       Strichmännchen schon an etwas hantieren, das wie ein Computerarbeitsplatz
       mit angeschlossenem Internet aussieht. Die Filzstiftzeichnung
       „Computermodell“ von 1970 scheint von kybernetischen Diagrammen und
       Lochkarten beeinflusst zu sein. Auch die Hommage an Claude Shannon, einem
       Pionier der Informationstheorie, die [3][Ruth Wolf-Rehfeldt mit ihrer
       Erika-Schreibmaschine] tippte, hat man nicht unbedingt kommen gesehen.
       
       ## Fenster zur zukünftigen utopischen Gesellschaft
       
       Ein weiterer Künstler, den man in der Ausstellung kaum erwartet hätte, ist
       [4][Werner Tübke], den man für seine altmeisterlichen Historienschinken in
       Öl kennt. Aber Anfang der 1970er Jahre schuf er für die Leipziger
       Universität ein riesiges Panoramabild, das Arbeiter, Wissenschaftler und
       Ingenieure der Gegenwart in intensive Diskussionen vertieft zeigt. Für ein
       Segment des 14 Meter breiten Bildes macht er Skizzen bei Robotron; im
       fertigen Bild ist die Szene so hell abgesetzt, dass sie wie ein Fenster
       wirkt, durch das man die zukünftige utopische Gesellschaft erkennen kann.
       
       Künstler, die schon in den 1960er Jahren den [5][Computer als Medium
       benutzt haben], wie im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet etwa die
       Stuttgarter Schule, gab es in der DDR nicht. Erst in den 80er Jahren ließ
       sich der konstruktivistische Maler Horst Bartnig beim Institut für
       Informatik in Adlershof ein Programm schreiben, das mithilfe einer
       sowjetischen Großrechenanlage sämtliche Kombinationsmöglichkeiten einer
       kleinen Auswahl von grafischen Elementen durchdeklinierte.
       
       Aber in gewisser Weise waren schon das Formsteinsystem der konkreten
       Künstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht aus den 1970er Jahren
       Vorläufer solcher generativen Bildverfahren. Die acht Steine waren auf eine
       Weise gestaltet, „die jede vertikale, horizontale, diagonale, geschwungene
       oder gestreut ornamentale Anordnung zulässt“, wie es im Patentantrag für
       die viereckigen Blöcke aus Gussbeton hieß. Bald wurden sie in so großem
       Stil an öffentlichen Gebäuden verbaut, dass sie ein definierendes Element
       des ostdeutschen Stadtbilds wurden.
       
       ## Computerisierung konnte das marode System nicht retten
       
       Trotz aller Propaganda von der „Mikroelektronik im Dienste des Sozialismus“
       hat die Computerisierung das marode System nicht retten können. Die DDR
       blieb ein Industrieland mit antiquierten Industriemaschinen und zum Ende
       hin immer abenteuerlicheren Produktionsmethoden, wie die Fotografien von
       Tina Bara aus den Buna-Kunststoffwerken in Schkopau belegen.
       
       Gerade sahen die Arbeiterinnen im Reinraum des VEB Halbleiterwerks
       Frankfurt/Oder noch selbstbewusst und der Zukunft zugewandt in die Kamera
       von Marion Wenzel – dann kam die Wende und die meisten DDR-Unternehmen
       wurden abgewickelt.
       
       Heute versucht der Freistaat Sachsen mit dem Label „Silicon Saxony“ an
       diese Technikgeschichte anzuknüpfen. Die Fusion von Robotron und Siemens
       unter dem Markennamen Rosie, von der nach der Wende viele Angestellte des
       DDR-Kombinats träumten, hat aber nur in der Videoserie von Nadja Buttendorf
       stattgefunden. Trotzdem sind viele der „Robotroniker“ bis heute stolz auf
       ihren ehemaligen Arbeitsplatz – und einige von ihnen waren auch schon bei
       der Ausstellung in Leipzig, die sich mit ihrem untergegangenen Kombinat
       beschäftigt.
       
       19 Nov 2025
       
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