# taz.de -- Asylpolitik in Dänemark: Härter geht es kaum
       
       > Dänemark versucht mit allen Mitteln, Geflüchtete fernzuhalten. Heute ist
       > der harte Asylkurs Vorbild für viele andere EU-Länder. Auch für
       > Deutschland?
       
 (IMG) Bild: Hoshang Rostami und Jamshid Rostami in einer Unterkunft in Kaershovedgaard, einem ehemaligen Gefängnis im März 2019
       
       Wenn es hart auf hart kommt, findet Bundesinnenminister Alexander Dobrindt
       (CSU) seine Vorbilder auch unter Sozialdemokraten. Dafür müssen sie ihm nur
       etwas voraus haben bei einem seiner zentralen Anliegen, der verschärften
       Asylpolitik. Wie Mette Frederiksen in Dänemark, die ihre Sozialdemokraten
       2019 mit harten Positionen zu Asylfragen zurück an die Regierung brachte.
       
       Dänemark will es Asylbewerbern so schwer wie möglich machen, im Land
       anzukommen und vor allem zu bleiben. Offen formuliertes Ziel ist ein
       begrenzter Aufenthalt auch von anerkannten Flüchtlingen. Sie sollen sich
       bestenfalls als temporäre Gäste fühlen.
       
       Noch vor einigen Jahren löste dieser Kurs Befremden in vielen EU-Ländern
       aus. Heute hat Dänemark viele Bewunderer*innen in anderen
       Hauptstädten. Auch deutsche Politiker*innen sind inzwischen voll des
       Lobes. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) etwa nannte den dänischen
       Asylkurs „wirklich vorbildlich“. Und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt
       (CSU) sagte, das Beispiel Dänemarks sei „maßgebend“ für die deutsche Wende
       in der Asylpolitik.
       
       Schon vor Mette Frederiksens sogenanntem Paradigmenwechsel von 2019 war die
       dänische Asylpolitik restriktiv. Statt „Wir schaffen das“, sagte der
       damalige rechtsliberale Regierungschef und heutige Außenminister Lars Løkke
       Rasmussen 2015, man werde noch mehr dafür tun, dass künftig weniger
       Menschen kommen. Asylsuchenden wurden Leistungen gekürzt, oft nur noch
       zeitlich befristete Aufenthaltstitel ausgegeben und der Familiennachzug
       erschwert.
       
       ## Heimkehr als Ziel
       
       Und seit dem Paradigmenwechsel-Gesetz von 2019 ist es offiziell: Heimkehr
       ist das Ziel, nicht Integration. Heute bekommen anerkannte Asylbewerber nur
       noch begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen für jeweils ein bis zwei Jahre.
       Erteilte Aufenthaltstitel können einfacher wieder entzogen werden.
       
       Zugleich wurden die Ansprüche für eine permanente Aufenthaltserlaubnis
       stark erhöht. Sie kann frühestens nach acht Jahren und nach Erfüllung von
       zahlreichen Kriterien, darunter Arbeit und umfangreiche Dänischkenntnisse,
       erreicht werden.
       
       2021 entzogen die dänischen Behörden Hunderten syrischen Flüchtlingen den
       Schutztitel und erklärten Teile des Landes um Damaskus für sicher. Dabei
       wütete dort immer noch das Assad-Regime.
       
       Weil deshalb viele der betroffenen Syrer nicht abgeschoben werden konnten,
       landeten sie in den sogenannten Rückführungszentren, die es in Dänemark für
       solche Fälle gibt und die mit schlechten Bedingungen zur Ausreise
       „motivieren“ sollen. Inspekteure des Europarats konstatierten beim Besuch
       des Zentrums Ellebæk, die Lebensbedingungen dort seien schlechter als in
       russischen Gefängnissen.
       
       ## Ein Klima der Unsicherheit
       
       Insgesamt ist für Geflüchtete ein Klima der permanenten Unsicherheit
       entstanden, wie aus einer Studie von Boundary Work hervorgeht, einem
       Forschungsprojekt der Uni Kopenhagen in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz
       und der dänischen Flüchtlingshilfe. Das macht es auch für Freiwillige wie
       Sachbearbeiter schwerer, die Integration in Dänemark zu unterstützen. Viele
       Geflüchtete trauen sich nicht mehr, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen,
       weil dies die Chancen auf Aufenthaltstitel verringern kann.
       
       Selbst wer einen dauerhaften Aufenthalt bekommt oder sich gar einbürgern
       lassen kann, bleibt der scharfen dänischen Integrationspolitik unterworfen.
       So wird etwa ein Wohnort verpflichtend zugewiesen. Gleichzeitig werden
       Stadtteile mit über 50 Prozent „nicht-westlicher Einwanderer und ihrer
       Nachkommen“ gezielt aufgebrochen. Hier gilt das Ghettogesetz, nach dem
       Straftaten härter bestraft und Bewohner*innen sogar zwangsumgesiedelt
       werden können.
       
       All das zeigt Wirkung. Im vergangenen Jahr bekamen nur 860 Menschen in
       Dänemark Schutz– eine historisch niedrige Zahl. Der Ausländer- und
       Integrationsminister Dybvad Bek lobte zur Bekanntgabe der Zahlen die eigene
       „stramme Ausländerpolitik“. Es sei entscheidend „für unsere Gesellschaft
       und den Zusammenhalt, dass wir einen geringen Asylzustrom haben, damit die
       Integration Schritt halten kann“.
       
       Der Politikwissenschaftler Christian Albrekt Larsen von der Uni Aalborg
       forscht zur dänischen Integrationspolitik. In seiner Studie „Eine
       Bevölkerung vermischt sich“ stellt er fest, dass die Integration in
       Dänemark tatsächlich vergleichsweise gut gelinge: Eingewanderte und
       Ursprungs-Dänen begegneten sich in allen Ebenen der Gesellschaft immer
       öfter, was unter anderem daran liege, dass es so wenige Eingewanderte gebe.
       
       ## Integration und Abschottung
       
       Die Überzeugung, dass es für gelingende Integration harte Abschottung
       gegenüber Neuankommenden brauche, sind heute weitgehend Konsens in
       Dänemark. Bis ins links-grüne Lager hinein stützen Parteien den harten
       Abschottungskurs.
       
       Larsen erklärt die Entstehung dieses Konsenses damit, dass etwa die in den
       1990ern gegründete rechtspopulistische Dansk Folkeparti (DF), anders als
       rechte Parteien in anderen Ländern, nicht mit einer
       faschistisch-neonazistischen Vergangenheit in Verbindung gebracht wurde.
       Rechte Positionen seien deshalb nie tabuisiert worden. Weitverbreitet ist
       auch die Überzeugung, dass der dänische Sozialstaat auf ethnischer
       Homogenität beruhe, die nur durch eine restriktive Zuwanderungspolitik zu
       bewahren sei.
       
       Und dann ist da noch die sogenannte „Mohammed-Krise“ von 2005. Als die
       dänische Zeitung Jyllands Posten damals Karikaturen veröffentlichte, die
       den islamischen Propheten Mohammed mit Bombe unterm Turban zeigten, sorgte
       dies für die schwerste außenpolitische Krise Dänemarks seit dem Zweiten
       Weltkrieg.
       
       Bei Ausschreitungen in der islamischen Welt kamen bis zu 250 Menschen ums
       Leben, der Zeichner lebt bis heute unter Polizeischutz. Das sorgt nach wie
       vor für Ressentiments gegenüber Muslimen.
       
       ## Vorbild in der EU
       
       Dass die Asylpolitik sich inzwischen auch in anderen EU-Länder massiv
       verschärft hat, begrüßt man in Kopenhagen. „Das halte ich nur für positiv,
       so können wir zusammen mehr Kontrolle über den Zustrom nach Europa
       bekommen“, sagte Ausländer- und Integrationsminister Dybvad Bek im Juni,
       kurz bevor das Land die halbjährlich rotierende Präsidentschaft des
       EU-Ministerrates übernahm.
       
       Dort treibt die dänische Regierung nun die Bemühungen voran, Asylverfahren
       in Nicht-EU-Staaten auszulagern und abgelehnte Asylbewerber in
       Abschiebezentren in anderen Ländern zu internieren. Die EU-Kommission hat
       inzwischen einen Entwurf vorgestellt, der genau das ermöglichen soll und
       von einer Mehrzahl der anderen EU-Staaten unterstützt wird.
       
       Die deutsche Bundesregierung greift bislang aber nur wenige der extremen
       dänischen Regelungen direkt auf. Aufenthaltserlaubnisse für anerkannte
       Asylbewerber*innen sind in Deutschland zwar formal zunächst auch
       beschränkt, werden aber fast immer verlängert und relativ schnell
       entfristet.
       
       Auch die Rückführungszentren oder ein Ghettogesetz gibt es hier nicht. So
       fungiert der nördliche Nachbar in Berlin bislang eher als vages Schlagwort,
       wenn konservative und rechte Politiker*innen benennen wollen, wohin
       sich die deutsche Migrationspolitik bewegen sollte.
       
       ## Juristische Hürden in Deutschland
       
       „Einiges von dem, was Dänemark macht, würde in Deutschland juristisch gar
       nicht gehen“, sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von ProAsyl.
       Dänemark hat rechtlich einen Sonderstatus innerhalb der EU, die das Land
       vor dem Beitritt ausgehandelt hat.
       
       Erst dadurch kann das Land auch anerkannte Asylbewerber mit befristeten
       Aufenthaltserlaubnissen abspeisen. Deutschland sind dagegen durch
       EU-Verordnungen und das Grundgesetz engere Regeln auferlegt. Dennoch:
       „Manche holen sich da Inspiration“, sagt Judith.
       
       Ausgerechnet für die deutschen Sozialdemokraten ist Dänemarks Asylpolitik
       eine besondere Versuchung. Nicht irgendeine Partei ist es, die dänische
       Asylpolitik zu dem geformt hat, was sie heute ist – sondern das dänische
       SPD-Pendant Socialdemokratiet.
       
       Und deren Wahlergebnisse sind, anders als in Deutschland, beeindruckend:
       Über 27 Prozent erhielt die Sozialdemokraten zuletzt und damit mehr als
       doppelt so viele Stimmen wie die zweitplatzierte Partei. Die deutsche SPD
       kommt in Umfragen derzeit auf 15 Prozent.
       
       ## Grenzen des „dänischen Modells“
       
       Schon seit Jahren geistert deshalb der Begriff des „Dänischen Modells“
       durch die Debatten innerhalb und um die SPD. Die Idee: Wenn die deutschen
       Sozis es machen wie ihre Genossen in Dänemark, dann werden sie auch wieder
       gewählt. Inhaltlich gemeint ist ein Kurs, der sozialpolitisch links und
       migrationspolitisch scharf rechts ist.
       
       Richtig verfangen hat die Idee in der SPD bislang noch nicht. Vor dem
       Hintergrund der seit Jahren sinkenden Wahl- und Umfragewerte schien das
       „Dänische Modell“ der SPD-nahen Ebert-Stiftung aber doch wichtig genug, um
       eine Studie zu Chancen und Risiken in Auftrag zu geben.
       
       Deren Ergebnis allerdings war eine deutliche Absage. „Weder aus
       wahltaktischer noch aus demokratietheoretischer Sicht gibt es einen guten
       Grund, die Strategie der dänischen Sozialdemokraten zu übernehmen“, heißt
       es im Fazit der Studie. Statt der rechten Migrationspolitik sei es das
       „klare linke Profil in der Sozial- und Wirtschaftspolitik“ gewesen, das den
       Erfolg der dänischen Sozialdemokratie erkläre.
       
       Tatsächlich wäre es falsch, anzunehmen, die dänischen Sozialdemokraten
       seien um des Wahlerfolgs wegen auf ihren harten Asylkurs geschwenkt. Die
       Wende 2019 sei nicht aus politischem Kalkül entstanden, meint der
       Politologe Christian Albrekt Larsen. „Die neue Generation der
       Sozialdemokratie macht das nicht aus strategischen Gründen“, sagt er.
       „Mette Frederiksen ist davon überzeugt. Es liegt tief in ihrem Verständnis
       davon, wie die Welt zusammenhängt.“
       
       24 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederik Eikmanns
 (DIR) Anne Diekhoff
       
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