# taz.de -- Migrationspolitik in Schweden: Kommunen gegen „freiwillige Rückwanderung“
       
       > Schwedens Regierung will den Kommunen dabei helfen, Migranten wieder
       > loszuwerden. Viele davon sagen nun: „Danke, aber nein danke.“
       
 (IMG) Bild: Will seine Migrant*innen gerne behalten: das kleine Städtchen Jokkmokk in Schweden
       
       Wir wollen mit Ihnen darüber sprechen, wie Sie die bei Ihnen lebenden
       Migranten wieder loswerden können: Auch wenn das nicht wörtlich [1][in der
       Einladung] stand, die Ende September an alle 290 schwedischen Kommunen
       verschickt wurde – in Jokkmokk deutete man dies als den Kern der Botschaft.
       „Danke, aber nein danke“ schrieb Bürgermeister Roland Boman [2][in seiner
       öffentlichen Antwort] an die Nationale Beauftragte für die Arbeit mit
       freiwilliger Rückwanderung.
       
       Der Brief zog immer weitere Kreise in sozialen Medien, wo er nicht zuletzt
       aus der migrantischen Community viel Zuspruch erfuhr. Und immer mehr
       Kommunen folgten dem Beispiel: Bis Ende vergangener Woche erreichten 75
       Absagen die Rückwanderungsbeauftragte – und die schwedische Öffentlichkeit.
       
       Die Kampagne „Freiwillige Rückwanderung“ zieht die liberal-konservative
       Koalition mit ihrem Zusammenarbeitspartner, [3][den rechten
       Schwedendemokraten], durch, obwohl eine von ihr beauftragte
       Expertenkommission davon abgeraten hatte. Die warnte unter anderem davor,
       dass die Pläne der gesellschaftlichen Integration schaden dürften.
       
       Vor wenigen Tagen erst wurde es dennoch beschlossen: Anerkannte Flüchtlinge
       bekommen ab kommendem Jahr eine deutlich erhöhte Summe Geld, wenn sie
       Schweden freiwillig verlassen: umgerechnet knapp 32.000 Euro für einen
       Erwachsenen. Eine „Rückwanderungsunterstützung“ gibt es in Schweden seit
       1984 – bislang betrug sie gut 900 Euro.
       
       ## Schaden laut Expertenbericht größer als Nutzen
       
       Als Zielgruppe hebt die Regierung nun Menschen hervor, die „aus
       unterschiedlichen Gründen nicht ihren Platz in Schweden gefunden haben oder
       sich in einer lange andauernden Ausgrenzung befinden“. Dass das Programm
       sich gegen Migranten insgesamt richtet, davon geht man in Jokkmokk aus:
       „Jokkmokk sind WIR, nicht wir und die“, heißt es in der Antwort der Kommune
       auf die Einladung zur Zusammenarbeit bei der Rückwanderungskampagne. Man
       werde die Kräfte nicht unterstützen, die jetzt die Regierungspolitik
       vorantreiben – gegen „unsere Mitmenschen, die arbeiten und beitragen“.
       Boman bezeichnet diese Politik als „unschwedisch“.
       
       Schon in dem [4][Expertenbericht im Auftrag der Regierung] war von dem
       problematischen Signal an deren Zielgruppe die Rede, dass sie im Land
       besonders unerwünscht sei. Zumal, wenn Schweden bereit sei, eine so hohe
       Summe aufzuwenden, um sie loszuwerden. Das würde sich negativ auf den
       Willen und die Sicht auf ihre eigenen Möglichkeiten auswirken, ein
       integrierter Teil der schwedischen Gesellschaft zu werden.
       
       Nach Untersuchung von [5][Erfahrungen aus Dänemark] kamen die Experten zu
       dem Ergebnis, dass die erhöhte Summe etwa 700 Menschen pro Jahr zusätzlich
       veranlassen könnte, Schweden zu verlassen – nicht viele im Vergleich zu der
       großen Unruhe unter allen, die sich von dem Signal angesprochen fühlen.
       
       ## Kommunen fürchten Abwanderung
       
       Der größte Teil der Kommunen, die nun ihrerseits der Regierung ein Signal
       schickten, liegt in der dünn besiedelten nördlichen Hälfte Schwedens, in
       der Abwanderung seit Langem ein Problem ist. Auch deshalb sagt etwa Roland
       Boman der Zeitung Dagens Nyheter: „Wir brauchen alle Menschen in unserer
       Kommune, und wir müssen noch mehr werden.“
       
       Aber auch Stockholm und südschwedische Städte wie Lund und Malmö gehörten
       zu den Absendern. [6][Migrationsminister Johann Forssell (Moderate)]
       reagierte insgesamt ungehalten und mit augenscheinlichem Unverständnis: Es
       gehe doch nur um Zusammenarbeit dabei, Informationen über ein freiwilliges
       Angebot zu verbreiten, sagte er dem schwedischen Fernsehsender SVT.
       
       Die Absagen kämen vor allem von Kommunen, die von Sozialdemokraten, Linken
       und Grünen geführt würden. Das sei ein Beweis dafür, dass die in einer
       „vollkommen verantwortungslosen Migrationspolitik verharren“, sagte er der
       Nachrichtenagentur TT. In immerhin 34 der Kommunen ist aber mindestens eine
       der Stockholmer Regierungsparteien in der Führung vertreten, wie eine
       Aufstellung des Radiokanals P4 zeigte. Ein Beispiel ist Lund mit seinem
       Vizebürgermeister Rasmus Törnblom von den Moderaten, der meinte, er habe
       Wichtigeres zu tun.
       
       Schwedens Regierung hat noch mehr Signale parat, so plant sie etwa einen
       „Schwedenvertrag“, den Menschen, die neu ins Land kommen, künftig
       unterschreiben sollen. Schwedische Werte, darum geht es der Regierung viel.
       Dass man unterschiedlicher Ansicht sein kann, was das eigentlich bedeutet,
       zeigt sich gerade mal wieder.
       
       4 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.jokkmokk.se/media/4b1naj0e/skrivelse-fraan-nationell-samordnare-foer-arbetet-med-frivillig-aatervandring.pdf
 (DIR) [2] https://www.jokkmokk.se/media/hphichox/svar-till-nationell-samordnare-foer-arbetet-med-frivillig-aatervandring.pdf
 (DIR) [3] /Rechte-Partei-in-Schweden-/!6096916
 (DIR) [4] https://www.regeringen.se/contentassets/d4e85935015e40efadfb0589f0ecce69/stod-till-invandrares-utvandring-sou-202453.pdf
 (DIR) [5] /Asylpolitik-in-Daenemark/!6122173
 (DIR) [6] /Doppelmoral-in-Schweden/!6097365
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Diekhoff
       
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