# taz.de -- Während Rettungsaktion der NGO Sea-Watch: Libysche Küstenwache gibt Schuss ab
       
       > Die Sea-Watch 5 hatte Freitagnacht gerade 66 Menschen aus dem Mittelmeer
       > geborgen. An Bord war auch taz-Redakteur Fabian Schroer. Es ist nicht das
       > erste Mal, dass ein Rettungsschiff unter Beschuss gerät.
       
 (IMG) Bild: Die Besatzung der Sea-Watch 5 hilft einer Gruppe Geflüchteter während einer Rettungsaktion im Mittelmeer vor Libyen am 11. August
       
       In der Nacht auf Freitag [1][hat ein Schiff der libyschen Küstenwache (LCG)
       während einer Rettungsaktion der NGO Sea-Watch im zentralen Mittelmeer
       interveniert] und [2][dabei einen Schuss abgegeben]. Der Vorfall ereignete
       sich, als die Crew der Sea-Watch 5 66 Menschen in internationalen
       Gewässern, etwa 100 Kilometer südlich von Malta, aus Seenot gerettet hatte.
       An Bord war unter anderem taz-Redakteur Fabian Schroer.
       
       „Wir sind schockiert, dass mit einem so aggressiven Vorgehen gegen die
       Sea-Watch 5 auch unser taz-Kollege in Gefahr geraten ist“, sagt
       taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann. „Der Vorfall zeigt, dass wo
       Seenotrettung mit militärischen Mitteln bekämpft wird, zusammen mit den
       Menschenrechten auch die Pressefreiheit missachtet wird.“ Die taz verlange,
       dass deutsche und europäische Behörden Libyen zur Aufklärung dieses
       Vorfalls drängen und sich die Sicherheit der Sea-Watch 5 garantieren
       lassen.
       
       Berichte über Gewalt gegen NGO-Rettungsschiffe, [3][teils auch unter
       Einsatz scharfer Munition durch die LCG gibt es seit 2017]. Die NGO
       Sea-Watch zählt seit 2016 mindestens 32 „gewaltvolle Vorkommnisse gegen NGO
       Schiffe“.
       
       Erst am 25. August hatte die Crew des Rettungsschiffs Ocean Viking der NGO
       Sos Mediterannee gemeldet, [4][20 Minuten lang „mit Dauerfeuer“ von der LCG
       beschossen worden zu sein]. Die Ocean Viking befand sich gerade mit 87 aus
       Seenot geretteten Menschen auf dem Weg nach Italien. Das Schiff wurde
       schwer beschädigt. Mittlerweile ermittelt die italienische
       Staatsanwaltschaft in der Sache.
       
       Die LCG wurde ab 2016 vor allem auf Betreiben Italiens in dem
       Bürgerkriegsland aufgebaut. Seither bekommt sie aus Europa Geld, Training,
       Schiffe sowie Unterstützung bei der Luftraumüberwachung.
       
       Erst am vergangenen Montag hatten 42 zivilgesellschaftliche Organisationen,
       darunter Amnesty International, die EU-Kommission [5][in einem offenen
       Brief aufgefordert], die Unterstützung für die LCG einzustellen.
       „Menschenleben dürfen nicht im Namen des Grenzschutzes missachtet werden“,
       heißt es darin. Die Unterzeichner verweisen auf eine lange Liste von
       Gewalttaten, die bei der Aufbringung von Booten in Seenot durch die
       libysche Küstenwache begangen wurden. Sie werfen libyschen Beamten vor,
       eine „Kultur der Straflosigkeit für Gewalt“ zuzulassen.
       
       Die EU-Kommission bekräftigte indes ihr Engagement für Libyen. „Das haben
       wir bisher getan und werden es auch weiterhin auf verschiedenen Ebenen tun,
       und das ist derzeit unsere Politik“, sagte Sprecher Guillaume Mercier zu
       dem Schreiben.
       
       ## UN betrachtet Libyen für Geflüchtete als „nicht sicher“
       
       Die LCG ist zu einem wichtigen Akteur der europäischen Flüchtlingsabwehr im
       Mittelmeer geworden.
       
       Seit 2017 stoppt sie mit sogenannten Interceptions Flüchtlingsboote und
       bringt die Insassen gegen ihren Willen zurück nach Libyen. Im vergangenen
       Jahr [6][betraf dies nach Angaben der UN-Migrationsorganisation IOM rund
       21.800 Menschen], in diesem Jahr bisher 16.200. Dabei übermitteln sowohl
       die EU-Grenzschutzagentur Frontex als auch maltesische und italienische
       Behörden der LCG die Koordinaten von Flüchtlingsbooten.
       
       Zweitens rufen die Rettungsleitstellen von Italien und Malta bei Notrufen
       in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen immer öfter die LCG, um
       Schiffbrüchige aufzunehmen und nach Libyen zu bringen, statt nach Europa.
       
       Drittens interveniert die LCG bei Rettungsaktionen durch europäische
       NGO-Schiffe und versucht offensichtlich, diese zu vertreiben – so wie in
       der Nacht zu Freitag.
       
       Die UN hat explizit erklärt, dass sie Libyen [7][für Geflüchtete als „nicht
       sicher“ betrachtet].
       
       NGOs, darunter Amnesty International, [8][weisen seit Jahren auf mafiöse,
       auch personelle Verbindungen zwischen der LCG und kriminellen Banden hin],
       die in das Geschäft mit Kidnapping, Erpressung und Schlepperei in Libyen
       verstrickt sind.
       
       Die EU-Kommission behauptet indes, [9][ihre Unterstützung der LCG führe zu
       „mehr Rettungen auf See“]. Konkrete Angaben, welchen Umfang die
       Unterstützung für die LCG hat, macht sie nicht.
       
       ## Deutschland sieht libysche Küstenwache mittlerweile kritisch
       
       Über den EU-Nothilfefonds für Afrika (EUTF for Africa) flossen bis 2021
       rund 465 Millionen Euro für migrationsbezogene Maßnahmen nach Libyen. Seit
       2021 stehen im EU-Programm „Globales Europa“ 65 Millionen Euro für „Schutz
       und Grenzverwaltung“ in Libyen bereit. Unklar ist, wie viel davon an die
       LCG fließt. Sicher ist, dass die LCG seit 2018 bewaffnete Patrouillenboote
       von Italien bekommen hat – und diese auch bei den Attacken auf
       Rettungsschiffe benutzt wurden.
       
       Seit 2016 gehören [10][Ausbildung und „Kapazitätsaufbau“ der LCG] zu den
       Aufgaben zweier militärischer Operation der EU: bis 2020 der Operation
       „Sophia“ und dann der Nachfolgerin „Irini“. An beiden ist bzw. war die
       Bundeswehr beteiligt. „Sophia“ sollte vor allem Schlepper bekämpfen, Irini
       das Waffenembargo gegen Libyen überwachen.
       
       Deutschland sieht die LCG allerdings mittlerweile kritisch. Die Ampel hatte
       der Bundeswehr untersagt, sich im Rahmen der Irini-Mission an der
       Ausbildung der LCG zu beteiligen. 2024 sagte eine Vertreterin des
       Auswärtigen Amtes dazu, man sehe die LCG „nicht als Akteur, mit dem eine
       Zusammenarbeit möglich ist, aufgrund der relativ gut dokumentierten
       Menschenrechtsverletzungen.“ Aus dem Bundesinnenministerium hieß es,
       [11][man wolle „signalisieren, dass wir dieses inakzeptable Verhalten der
       libyschen Küstenwache nicht unterstützen“.]
       
       Kern der EU-Kooperation mit Libyen ist vor allem ein seit 2017 laufendes
       „Memorandum of Understanding“ zwischen Italien und der Regierung in
       Tripolis. Die italienische Regierung will das im November regulär
       auslaufende Memorandum verlängern, ein Bündnis um die Gruppe „Refugees in
       Libya“ will [12][das mit Protesten in den kommenden Wochen verhindern].
       
       27 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Seenotrettung-im-Mittelmeer/!6116040
 (DIR) [2] https://sea-watch.org/libysche-miliz-beschiesst-rettungsschiff-sea-watch-5/
 (DIR) [3] /Toedlicher-Zwischenfall-im-Mittelmeer/!5459105
 (DIR) [4] https://www.sosmediterranee.de/aktuelles/ocean-viking-unter-beschuss
 (DIR) [5] https://www.refugeesinlibya.org/post/eu-commission-stop-funding-abuse-in-libya-joint-letter-from-42-humanitarian-and-civil-society-gro
 (DIR) [6] https://libyaobserver.ly/inbrief/libyan-coast-guard-intercepted-about-28000-immigrants-during-2024-iom-says
 (DIR) [7] https://crisisresponse.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1481/files/appeal/documents/Libya-Maritime-Update-31-Aug-to-6-Sept-2025.pdf
 (DIR) [8] https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2021/05/MDE1975612017ENGLISH.pdf
 (DIR) [9] https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/eu-action-migration-libya/
 (DIR) [10] https://www.operationirini.eu/about-us/
 (DIR) [11] https://www.bundestag.de/resource/blob/1056138/54_Wortprotokoll_10-04-2024.pdf
 (DIR) [12] https://www.refugeesinlibya.org/post/stop-the-memorandum-italy-libya
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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       Distanz nach.