# taz.de -- Mit der Seawatch im Mittelmeer (2): Raus aufs Meer
       
       > Die Seawatch 5 legt im italienischen Tarento ab zu ihrem 15.
       > Rettungseinsatz. Unser Autor ist mit dabei und denkt über journalistische
       > Distanz nach.
       
 (IMG) Bild: Der junge Mann und das Meer: Fabian Schroer an Bord der Seawatch nach dem Ablegen
       
       Der Pilot springt bei voller Fahrt vom Achterdeck der [1][Seawatch 5]
       zurück auf das kleine Lotsenboot, das neben dem Schiff herfährt, als dieses
       den Hafen verlässt. Man könnte denken, es gäbe keine reißende Strömung
       zwischen den beiden Gefährten, so leichtfüßig wirkt das Manöver. Er wird
       nicht mit auf den Einsatz fahren. Kapitän Sebastian Adler und seine Crew
       sind nun auf sich allein gestellt.
       
       Es geht raus aufs Mittelmeer. Das blauweiße Seenotrettungsschiff legt am
       Montagmittag von der süditalienischen Hafenstadt Taranto ab zu seiner
       fünfzehnten Mission. Die taz ist mit an Bord und begleitet die
       dreißigköpfige Besatzung.
       
       [2][Die Woche im Hafen] verging schnell. Die Crew war rund um die Uhr
       beschäftigt, das Schiff einsatzfähig zu machen, für ausreichend Essen für
       potenzielle Gerettete zu sorgen und jeden Handgriff so einzuüben, dass auf
       hoher See am Ende alles glatt läuft.
       
       Auch ich als mitreisender Journalist muss seetauglich werden, verschiedene
       Sicherheitstrainings und Übungen durchlaufen. Die professionelle Distanz zu
       halten, ist hier nicht immer leicht. Kommt es auf dem Mittelmeer zu einem
       echten Notfall, hilft es wenig, zu sagen, dass man nur zum Schreiben da
       ist.
       
       ## Wo hört Journalismus auf, wo fängt Aktivismus an?
       
       Wie weit darf der Journalist Teil der Gruppe werden, über die er berichtet,
       ohne befangen zu sein? Ein gewisser Grad an „sich gemein machen“ scheint
       unvermeidbar: An Bord wird auf engem Raum gegessen, geputzt, geschlafen –
       und natürlich redet man, zumindest im Hafen, nach Feierabend bei einem
       Getränk über das erlebte. Aber wo hört Journalismus auf, wo fängt
       Aktivismus an? Ein Klo zu putzen, dass ich auch selbst benutze, geht wohl
       noch klar. Eine Schicht auf dem Ausguck wäre da schon etwas anderes.
       
       Als ich in der Morgenrunde erkläre, dass ich aus berufsethischen Gründen
       nicht an Nachtwache oder Essensausgabe teilnehmen werde, fällt es mir
       schwer einzuschätzen, was in den Köpfen meiner Mitfahrenden vorgeht. Sind
       es für sie zwei Hände weniger, die dringend gebraucht würden?
       
       Am Tag vor der Abreise spreche ich noch mit Eliora Henzler, der
       Einsatzleiterin für die Mission. Sie erzählt mir, mit welchen
       Schwierigkeiten Seawatch momentan zu kämpfen hat und warum sie tut, was sie
       tut. Sie sagt, es gebe wichtige Fragen, die man sich zu Migration stellen
       müsse, etwa die nach [3][Überforderung von Kommunen], die Geflüchtete
       aufnehmen.
       
       Henzler stört sich jedoch an der, ihr zufolge nach rechts driftenden
       Debatte darüber, ob es überhaupt Migration geben sollte. Ihre Mutter ist
       Marokkanerin, ihr Vater Deutscher, sie sagt mir: „Wenn es nicht möglich
       wäre, von einem Land ins andere zu kommen, gäb’s mich nicht.“
       
       Kurz nachdem das Schiff den Hafen verlässt, nimmt mich einer der Bordärzte
       beiseite und sagt mir, er verstehe sehr gut, was ich über Distanz gesagt
       habe, wegen ihm soll ich mir keine Gedanken machen.
       
       Ich stehe am weißen Geländer auf der Brücke und der Wind bläst mir ins
       Gesicht. Zwischen den türkisblauen Wellen sehe ich erst einen, dann noch
       zwei weitere Delfine, die die Seawatch 5 beim Start ihrer Mission
       begleiten. In vier Tagen wird sie ihr Einsatzgebiet vor Libyens Küste
       erreichen.
       
       22 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://sea-watch.org/
 (DIR) [2] /Kolumne-Bordtagebuch/!6114601
 (DIR) [3] /Weniger-Gefluechtete-in-Deutschland/!6106068
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Schroer
       
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