# taz.de -- Die Kunst der Woche: Umgestaltung der Dinge
       
       > Billy aus dem Häuschen, Espresso der Langsamkeit: Diese Woche ändern sich
       > die Verhältnisse mit Werken von Krys Huba und Atiéna R. Kilfas.
       
 (IMG) Bild: Installationsansicht, Krys Huba, „All of those records; tell me, bee“ im Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 2025
       
       Für die Darstellung des Standardisierten, mit dem wir uns umgeben, mit und
       in dem wir uns einrichten, hat Künstler*in Krys Huba ein Material
       gefunden, das sich dafür wie kaum ein anderes eignet: Billy Regale. Huba
       sucht die Ikea-Möbel auf Kleinanzeigen, bei eBay oder auf der Straße,
       benutzt mit Vorliebe solche Exemplare, die Spuren des Gebrauchs zeigen, die
       abgelebt oder ausgeblichen sind.
       
       In Hubas Ausstellung „All of these records; tell me bee“ im
       [1][Künstlerhaus Bethanien] entdeckt man sie wieder, als Elemente von Raum
       einnehmenden Installationen. Zusammengebaut sind sie dort freilich nicht
       nach Bedienungsanleitung, zeigen lässt sich an den Pressspanbrettern eben
       auch, wie leicht sich Dinge auseinandernehmen und umgestalten lassen.
       
       Fast wie Gebäude wirken die Regalkonstruktionen. Behausungen und wie diese
       von ihren Bewohner*innen angeeignet werden, ist etwas, was Huba
       umtreibt. Nicht nur, was Menschen betrifft. Zu jener, bereits im
       Ausstellungstitel benannten fiktiven Figur „bee“ etwa, haben Huba unter
       anderem ein paar Röhrchen aus einem Insektenhotel inspiriert, die im „Lost
       & Found“ des Atelierhauses gelandet waren. Bee ist nun unter anderem eine
       von zwei Personen, die sich in Hubas zur oder während der Arbeit an der
       Ausstellung entstandenen Texten im Dialog über das sich Finden und sich
       Zurechtfinden unterhalten. Und der Grund, warum man bei den gelblichen
       Latexschichten, die Huba an den Billy-Wänden befestigt hat, sofort an
       Bienenwachs denken muss.
       
       Überhaupt spielt Huba mit Assoziationen, mit vertrauten Bildern – indem
       Huba in die Billy-Wände Zeichen und Texte ritzt etwa, wie vielleicht fast
       jede*r damals im Jugendzimmer, und diese als Latexabdrücke ausstellt. Oder
       indem dey Fundstücke, Alltagsdinge, Kitschiges liebevoll platziert. Via
       Malerei wiederum widmet Huba sich Subjekten, malt Körperteile, Oberkörper
       vor allem, die sich binären Geschlechterkategorien entziehen und mal mehr,
       mal weniger an Schmetterlinge erinnern. Ein Wesen, das sich transformiert,
       das für Übergänge steht. Darum eben geht es stets bei Huba, um
       Veränderlichkeit, Fluidität. „All of these records; tell me bee“, zweites
       Kapitel der Reihe „Becoming B“ im Künstlerhaus Bethanien, spürt queerer
       Identität nach, fragt nach Zugehörigkeiten, subtil, poetisch, leichtfüßig.
       
       ## Das Schnelle verlangsamt
       
       Der allmorgendliche Spielbetrieb in der heimischen Küche: Kaffee aufbrühen,
       in die Tasse gießen, ein Stück Zucker hineinpurzeln lassen. Dazu der Blick
       auf die Titelzeilen der Tageszeitung. Atiéna R. Kilfas hat in ihrer
       Ausstellung in der [2][Galerie Neu] – es ist ihre erste in der Berliner
       Galerie – die Requisiten dafür in Szene gesetzt. Hochglänzend wie Werbung
       in glossy Magazinen sind die Fotografien des Inneren einer Porzellantasse.
       
       Einmal drei, einmal sechs nebeneinander, „Espresso Adagio“, den Moment, in
       dem die Tasse gefüllt wird, in die Länge gezogen, der schnelle Kaffee
       extrem verlangsamt. So nah und reduziert, dass es fast abstrakt wirkt. Auf
       den ersten Bildern ist kaum zu erkennen, was man da eigentlich sieht.
       „Schau genau hin“, das ist es, was die Künstlerin ihrem Publikum auf
       unterschiedliche Art und Weise zuzuraunen scheint.
       
       Atiéna R. Kilfas, ars-viva-Preisträgerin 2024, 1990 in Frankreich geboren,
       mittlerweile in Berlin lebend, arbeitet mit Fotografie, Video, Skulptur und
       Installation, untersucht (westliche) Bildtraditionen, visuelle Archetypen,
       filmische Konventionen, dechiffriert die Rolle von Bildern im Film,
       hinterfragt, wie diese ein Zeitgefühl schaffen, Ideen vermitteln,
       Perspektiven lenken.
       
       Bei den beiden motorisierten, auf Aluminium übertragenen Zeitungen ist das
       mit dem genauen Hinschauen allerdings ein wenig kompliziert. Die zwei
       Zeitungstitel im Tabloid-Format drehen sich so schnell um sich selbst, dass
       man die Schlagzeilen kaum lesen kann. Wie in alten Filmen oder wie im
       Trickfilm, wenn die Neuigkeiten hereinprasseln. Man muss einen Trick
       anwenden, sie mit dem Smartphone aufnehmen, dann auf Pause drücken.
       
       Einem Film Noir scheint indes die Szene entsprungen, die ein schwarz-weißer
       Stummfilm zeigt, den man erst sieht, wenn man hinter eine Wand geht: ein
       älterer Herr in einem altmodisch-eleganten Büro. Sein Kinn hat er wie zum
       Nachdenken auf die Hand gestützt, ernst schaut er in die Kamera. Oder
       nicht? Etwas stimmt nicht, der Schein trügt. Man muss weiterschauen, um das
       herauszufinden. Was es ist, sei an dieser Stelle nicht verraten. Viel
       besser ist es, es mit den eigenen Augen in der Galerie zu sehen.
       
       12 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://bethanien.de
 (DIR) [2] https://galerieneu.net
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Beate Scheder
       
       ## TAGS
       
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