# taz.de -- Senat will das Tempelhofer Feld bebauen: Bürgerbeteiligung als Farce
       
       > Beteiligte der Dialogwerkstatt zum Tempelhofer Feld sind sauer: Der
       > Berliner Senat hält an Bebauungsoption fest und will das Feld-Gesetz
       > ändern.
       
 (IMG) Bild: Die Architekt*innen von morgen denken über Alternativen zur Bebauung des Feldes nach
       
       Berlin taz | Sie wollen zeigen, dass es auch anders geht: Etwa 50
       Studierende sitzen am Mittwochvormittag in bunten Stuhlreihen auf einem
       Holzpodest, ringsum ein Weiher, Schilf, lautstarkes Quaken der Frösche.
       Hier, in der „[1][Floating University]“ in Kreuzberg, stellen die
       angehenden Architekt*innen und Stadtplaner*innen ihre Konzepte für
       eine mögliche Zukunft des Tempelhofer Felds vor.
       
       Sie alle eint, dass sie das Feld nicht bebauen wollen. „How not to built“,
       wie man nicht baut, lautet der Titel des gemeinsamen Projekts der
       Technischen Universität (TU) Berlin, der Hochschule für Technik, Wirtschaft
       und Kultur Leipzig und der Bauhaus-Universität Weimar. Antoine Vialle ist
       Professor für klimaorientierten Städtebau an der TU und einer der
       Initiator*innen des Projekts. „Uns geht es darum, den Wert des
       Tempelhofer Felds als Freiraum und als urbanes Ökosystem herauszustellen“,
       sagt Vialle am Mittwoch zur taz.
       
       Eine Gruppe nach der anderen betritt die kleine Bühne unter dem Zeltdach.
       Wie nah das Feld ist, verrät ein Blick aufs Wasser: Darin spiegelt sich der
       markante Radarturm der US-Armee am ehemaligen Flughafengelände, er ragt
       gleich hinter den umstehenden Bäumen in die Höhe.
       
       Es gehe ihrer Gruppe darum, die Offenheit des Tempelhofer Felds zu
       bewahren, das „Gefühl von Raum und Weite“, sagt eine Studentin in ihrer
       Präsentation. Zugleich müsse das Gelände in die Klimastrategie der Stadt
       eingegliedert werden. Dass das dringend nötig ist, zeigt eine andere
       Gruppe, die Klimamodelle für das Jahr 2100 errechnet hat. „Wir erwarten
       viel mehr tropische Nächte als heute. Das Feld könnte eine Oase der Kühlung
       sein“, so ein Teilnehmer.
       
       ## Die Zeichen stehen derzeit eher auf Bebauung
       
       Doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn die Zeichen stehen derzeit eher
       auf Bebauung der innerstädtischen Grünfläche. Und das, obwohl sich die
       Teilnehmer*innen der Dialogwerkstatt zur Zukunft des Tempelhofer Felds
       klar dagegen ausgesprochen haben. Entsprechend unzufrieden sind sie dann
       auch mit dem Ablauf und Ausgang des vermeintlichen Beteiligungsformats, das
       am Wochenende zu Ende ging. „Viele sind wütend. Wir haben den Prozess als
       manipulativ und Scheinbeteiligung empfunden“, sagt einer der
       Bürgerbeteiligten, der anonym bleiben will.
       
       Die 275 zufällig ausgewählten Berliner*innen trafen sich am Wochenende zum
       dritten und letzten Mal, um die einen Monat zuvor von einer Jury
       [2][ausgewählten Entwürfe] zu diskutieren. Von den sechs Plänen sahen nur
       zwei eine Bebauung des Feldes vor. Die Stimmung sei angespannt gewesen, als
       die Sieger vorgestellt wurden, heißt es.
       
       Das Misstrauen ist groß. Das Forum hatte im vergangenen Jahr, zehn Jahre
       nach dem erfolgreichen Volksentscheid zum Erhalt des Tempelhofer Feldes,
       vom schwarz-roten Senat die Aufgabe bekommen, Vorschläge für eine
       Entwicklung des ehemaligen Flughafenfelds zu erarbeiten. Während des
       Prozesses sei immer wieder die Frage gestellt worden, wo das Feld bebaut
       werden solle – nicht ob, heißt es. Diese Einschränkung der Optionen hätten
       viele als Bevormundung und respektlos empfunden.
       
       Das Votum der Dialogwerkstatt fiel dann auch eindeutig aus: Das Feld soll
       unbebaut bleiben. Der vom schwarz-roten Senat bereits geplante und drei
       Millionen Euro teure städtebauliche Wettbewerb wäre damit eigentlich
       überflüssig gewesen. Denn der sollte eigentlich die Ergebnisse des
       Bürger*innenforums konkretisieren. Trotzdem fand er statt.
       
       ## „Klare Absage an die Bebauungspläne des Senats“
       
       Neben fünf Bürger*innen aus der Dialogwerkstatt saßen im
       Entscheidungsgremium auch sechs Architekt*innen und Stadtplaner*innen.
       Der Senat hatte der Gruppe auf den Weg gegeben, die besten Entwürfe zu
       identifizieren, die „ein breites Spektrum möglicher Entwicklungen für das
       Tempelhofer Feld aufzeigen“. Zwar sehen vier Vorschläge keine Bebauung vor,
       zwei aber eben doch.
       
       Das Konzept „Tempelhofer Atem“ des Kopenhagener Büros Schønherr etwa will
       die westlichen und südlichen Ränder mit höheren Wohngebäuden in Richtung
       Straße sowie mit Townhouses in Richtung Feld vollstellen. „Ob die Bebauung
       tatsächlich als sozialer Wohnungsbau realisierbar wäre, wurde aber
       angezweifelt und konnte auch von den Sachverständigen und im Preisgericht
       nicht abschließend beantwortet werden“, berichtet ein Jury-Mitglied.
       
       Nach der Diskussion über die Siegerentwürfe verfasste eine größere Gruppe
       der Dialogwerkstatt eine gemeinsame Erklärung. „Die Bebauung des
       Tempelhofer Felds ist anscheinend längst beschlossen und der Dialogprozess
       nur ein Mittel zur Durchsetzung dieses Ziels“, heißt es darin.
       
       Das kritisiert auch der Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion,
       Julian Schwarze. „Die Ergebnisse des Wettbewerbs und der Dialogwerkstätten
       sind eine klare Absage an die Bebauungspläne des Senats“, so Schwarze. Auch
       wenn das CDU und SPD nicht passe, müssten sie sich jetzt an ihr eigenes
       Verfahren halten „und die Scheindebatte um eine Bebauung des Tempelhofer
       Feldes beenden“.
       
       ## Es mangele Berlin nicht an Bauland für neue Wohnungen
       
       Auch das Bündnis Architects4Tempelhofer Feld veröffentlichte nach dem Ende
       der Dialogwerkstatt einen offenen Brief mit fast 4.500 Unterschriften an
       Bausenator Christian Gaebler (SPD) mit der Aufforderung, das Feld
       freizulassen. Es mangele Berlin nicht an Bauland für neue Wohnungen, heißt
       es darin. Zehntausende Genehmigungen lägen vor, würden aber nicht
       umgesetzt. Außerdem stünden 40.000 Wohnungen und 1,5 Millionen Quadratmeter
       Büroflächen leer.
       
       Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung hat schon vor Jahren auf die
       große Bedeutung des Tempelhofer Felds für die Kühlung von Berlin
       hingewiesen. „Die Bebauung des Tempelhofer Feldes gefährdet eine
       klimagerechte und zukunftsfähige Stadtentwicklung“, mahnt das
       Architekt*innenbündnis.
       
       Bausenator Gaebler kündigte im Stadtentwicklungsausschuss des
       Abgeordnetenhauses an, dass das Tempelhofer-Feld-Gesetz nun auf jeden Fall
       geändert werden müsse, selbst wenn dort nur eine Entwicklung der
       Freiflächen stattfinden sollte. Dass es dabei bleibt, bezweifelt der
       Grünen-Abgeordnete Schwarze: Wenn es dem Senat tatsächlich um eine
       Weiterentwicklung des Feldes abseits einer Bebauung gegangen wäre, hätte er
       den Prozess anders aufsetzen müssen. „Stattdessen hat er versucht, mit dem
       Wettbewerb Stimmung für eine Bebauung zu machen und ist damit klar
       gescheitert.“
       
       Das zeigt auch die alternative Ideensammlung der Studierenden aus Berlin,
       Leipzig und Weimar in der „Floating University“. Auf das Feld sei ja
       sowieso schon gebaut worden, heißt es hier. Man könnte sich also auch
       einfach darauf konzentrieren, die existierenden Strukturen besser zu
       nutzen. „Baut nicht noch mehr aufs Feld!“, appelliert TU-Professor Antoine
       Vialle. „Das Feld ist ein Ort der Freiheit.“
       
       16 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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