# taz.de -- Antisemitismus und Wissenschaftsfreiheit: Uni verbietet jüdische Stimme
       
       > Iris Hefets durfte nicht in den Räumen der Uni Bremen sprechen, weil der
       > Verfassungsschutz ihren Verein „Jüdische Stimme“ als extremistisch
       > einstuft.
       
 (IMG) Bild: Iris Hefets spricht hier bei einer Kundgebung Unter den Linden in Berlin im Jahr 2023
       
       Hamburg taz | Die Universität Bremen hat eine Veranstaltung mit der
       Psychoanalytikerin Iris Hefets auf dem Campus und in ihren Räumen
       untersagt. Damit hat sie eine erneute Debatte über Antisemitismus,
       Meinungsfreiheit und die Grenzen der Israelkritik in Deutschland ausgelöst.
       
       [1][Hefets ist Vorstandsmitglied des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten
       Frieden in Nahost“] und sollte am vergangenen Samstag im Rahmen einer
       Veranstaltung mit dem Titel „[2][Schweigen und Schuld – Psychologische
       Mechanismen im Umgang mit dem Genozid in Gaza]“ an der Uni auftreten.
       Eingeladen hatten der AStA, die linke Studierendengruppe Kralle, die Gruppe
       „Uni(te) for Pali“ sowie die Gruppe „Seeds for Palestine“. Ihren Vortrag
       hielt Hefets stattdessen in Räumen der Zionskirche in der Bremer Neustadt.
       Ein Video des Vortrags ist [3][online zu sehen].
       
       Die Uni-Leitung begründete ihre Entscheidung damit, dass der
       Bundesverfassungsschutz die „Jüdische Stimme“ [4][im Bericht für 2024] als
       „gesichert extremistisch“ bewertet. Damit bestehe „die konkrete Gefahr,
       dass Inhalte der Veranstaltung gegen die freiheitlich demokratische
       Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes verstoßen“, schreibt Uni-Rektorin
       Jutta Günther [5][in einer E-Mail an den AStA], die das Bremer
       Friedensforum [6][am Freitag dokumentierte].
       
       Die Entscheidung sei „nach sorgfältiger Abwägung der mit der Durchführung
       der Veranstaltung insgesamt einhergehenden Risiken“ und angesichts der
       Tatsache erfolgt, „dass die Uni-Leitung für die Sicherheit aller
       Mitglieder, im gegebenen Kontext vor allem auch der jüdischen Mitglieder
       der Universität, verantwortlich ist“, schreibt die Uni der taz. Das
       Rektorat rekurriere dabei „auf die gegenwärtig polarisierte Stimmung auf
       dem Campus“ und „die Notwendigkeit, dass die vom AStA durchgeführten
       allgemeinpolitischen Bildungsangebote ausgewogen und pluralistisch bleiben
       müssen“. Mit dem AStA werde erneut das Gespräch gesucht.
       
       ## „Jüdische Stimme“ als extremistisch eingestuft
       
       Grundlage der Entscheidung des Verfassungsschutzes, die „Jüdische Stimme“
       erstmals als „säkular pro-palästinensisch extremistisch“ einzustufen, ist
       deren [7][Unterstützung der Boykott-, Desinvestitions- und
       Sanktionskampagne (BDS)] sowie die Kritik des Vereins an Israel, die der
       Verfassungsschutz als israelfeindlich und antisemitisch einstuft. Israel
       werde „dämonisiert und delegitimiert“. Der Verein wird im Bericht unter
       „Linksextremismus“ und „auslandsbezogener Extremismus“ geführt,
       insbesondere wegen der Teilnahme an pro-palästinensischen Demos nach dem
       Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.
       
       Während die Uni die Absage mit dem Schutz vor extremistischem Gedankengut
       begründet, sieht die emeritierte Professorin Sabine Broeck darin eine
       Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Broeck hatte an der Uni Bremen
       (Afro-)Amerikanistik, Gender Studies und Black Diaspora Studies gelehrt.
       
       In einem Brief an Rektorin Günther kritisierte Broeck am Donnerstag
       vergangener Woche, die Uni-Leitung habe sich „vorauseilend loyal zu einem
       deutschen Staatsorgan verhalten, das einer jüdischen Intellektuellen, und
       der Organisation, für die sie sich engagiert, den öffentlichen Raum für
       eine Diskussion ihrer Arbeit entzieht und diese kriminalisiert“. Das sei
       „geradezu moralisch degoutant“ und „auch direkt antisemitisch“. Der „Eifer
       des selbsternannten Anti-Antisemitismus deutscher Staatsorgane und
       Institutionen selbst“ führe „wiederum zu antisemitischen Handlungen“, so
       Broeck.
       
       Auch die emeritierten Professoren Johannes Feest, Susanne
       Schunter-Kleemann, Rudolph Bauer und Lorenz Böllinger beklagen laut
       Weser-Kurier in einer gemeinsamen E-Mail einen „Eingriff in die Meinungs-
       und Wissenschaftsfreiheit“, die „auch die extremsten Meinungen“ schütze.
       
       Konkret wird der „Jüdischen Stimme“ [8][im Verfassungsschutzbericht 2024]
       vorgeworfen, dass der Verein durch die Unterstützung von BDS und die
       Bezeichnung Israels als „Apartheidstaat“ gegen das Existenzrecht Israels
       agitiere und antisemitische Narrative fördere. Angeblich unterscheide er
       nicht zwischen staatlichem Handeln Israels und der jüdischen Gemeinschaft.
       Konkret werden Aussagen problematisiert, die den Zionismus als
       „rassistische, kolonialistische und militaristische Ideologie“ bezeichnen
       oder den Hamas-Angriff relativieren, indem die Täter als „Guerillakämpfer“
       dargestellt werden. Diese Rhetorik wird von Kritiker:innen wie dem
       Zentralrat der Juden als antisemitisch gewertet. Sie delegitimiere den
       jüdischen Staat einseitig.
       
       Die „Jüdische Stimme“ [9][wehrt sich gegen die Einstufung durch den
       Verfassungsschutz als extremistisch]. Diese mache deutlich, dass in
       Deutschland „von den Behörden verfolgt“ werde, wer „für die Rechte der
       Palästinenser:innen kämpft, für Gerechtigkeit und Gleichheit“: „In
       einem Staat, der den Genozid in Gaza und das ganze System der Apartheid,
       Unterdrückung und Vertreibung im gesamten Gebiet des historischen Palästina
       materiell und politisch mitträgt, ist es per definitionem staatsfeindlich,
       eine solche Position einzunehmen“, so der Verein.
       
       Iris Hefets selbst hat in den vergangenen Jahren für Kontroversen gesorgt.
       [10][In einem Interview mit der Jungen Welt] bezeichnete sie den Zionismus
       im Mai dieses Jahres als „kolonialistische Bewegung“, die das Judentum von
       einem Volk zu einer Nation umgeformt habe. Kritiker:innen wie die
       Amadeu Antonio Stiftung werten das als Delegitimierung der jüdischen
       Selbstbestimmung.
       
       ## Kritik an Äußerungen von iris Hefets
       
       Auch Hefets’ Äußerungen zur Instrumentalisierung des Holocausts durch die
       israelische Politik, etwa [11][in ihrem 2010 in der taz erschienenen Text
       „Pilgerfahrt nach Auschwitz“], wurden kritisiert. In dem Text kritisierte
       Hefets, dass der Holocaust von Teilen der israelischen Regierung für
       politische Zwecke missbraucht werde, etwa um die Bedrohung durch den Iran
       als „zweiten Holocaust“ darzustellen.
       
       Hintergrund der aktuellen Debatte über Antisemitismus-Bekämpfung und
       Wissenschaftsfreiheit sind die pro-palästinensischen Proteste und
       antisemitischen Vorfälle an Universitäten und Hochschulen sowie die drei
       Bundestagsresolutionen, die sowohl die BDS-Bewegung verurteilen als auch
       die [12][Antisemitismus-Definition der International Holocaust
       Remembrance Alliance (IHRA)] als maßgeblich etablieren sollen.
       
       Vor allem in der Bewertung des antiisraelischen Antisemitismus, der sich
       unter dem Deckmantel der Kritik an der Politik des Staates Israel verbirgt,
       konkurriert diese mit der [13][Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus].
       Diese betont, dass Antisemitismus sich durch Handlungen wie
       Stereotypisierung, Diskriminierung oder Gewalt äußert, und vermeidet es,
       politische Positionen automatisch als antisemitisch zu werten. Beide
       Definitionen weisen nach [14][Einschätzung des Antisemitismus-Forschers
       Klaus Holz in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung]
       „an zentraler Stelle begriffliche Unklarheiten“ auf.
       
       ## Erhebliche rechtliche Eingriffe
       
       Die Bundestagsresolutionen sind zwar nicht rechtsverbindlich, sprechen aber
       doch erhebliche rechtliche Eingriffe an – darunter auch die Exmatrikulation
       für antisemitisches Verhalten. Wissenschaftler:innen wie die
       [15][Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft (KriSol)] werten
       das als Angriff auf die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit: Zumal die
       Resolution von 2025 Gesinnungsprüfungen in der Forschung fördere und den
       Diskurs über den Nahostkonflikt unterdrücke, insbesondere
       pro-palästinensische Perspektiven.
       
       Im Vortrag, den Hefets am Samstag hielt, gibt es mehrere Stellen, die nach
       der IHRA-Definition als antisemitisch gewertet werden könnten. So hat sie
       die israelische Politik ausdrücklich mit „dem Nazi-Projekt“ verglichen.
       Laut IHRA-Definition wäre das eine klare Dämonisierung Israels. Durch sie
       würden historische Verbrechen unverhältnismäßig auf einen modernen Staat
       übertragen.
       
       Auch Hefets' Kritik am jüdischen Leben in Deutschland als „Luftgeschäft“
       und die Infragestellung der Authentizität jüdischer Gemeinschaften könnten
       als antisemitisch interpretiert werden, da sie jüdische Identität
       herabwürdigen. Schließlich könnte die einseitige Darstellung des
       Nahostkonflikts, ohne die terroristischen Handlungen der Hamas klar zu
       verurteilen, als Verharmlosung von Gewalt gegen Juden gewertet werden, was
       laut IHRA-Definition ebenfalls antisemitisch ist.
       
       Strafrechtlich relevant sind Hefets' Aussagen nicht, sie stellen etwa
       keine direkte Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 Strafgesetzbuch dar,
       sondern bewegen sich im Bereich der politischen und gesellschaftlichen
       Kontroverse. Gerade deshalb wirft das Verbot der Veranstaltung durch die
       Uni-Leitung Fragen zur Wissenschaftsfreiheit auf. Sie basiert auf
       Vermutungen über mögliche Inhalte und nicht auf konkreten strafrechtlichen
       Verstößen.
       
       1 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Repression-gegen-Palaestina-Solidaritaet/!6093326
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/asta_uni_bremen/p/DLVQ-fZsrIo/?hl=de
 (DIR) [3] https://vimeo.com/1097339057
 (DIR) [4] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2025-06-10-verfassungsschutzbericht-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=4#p279
 (DIR) [5] https://bremerfriedensforum.de/wp-content/uploads/2025/06/Absagemail_web.jpg
 (DIR) [6] https://bremerfriedensforum.de/2025/06/27/skandal-uni-leitung-verbietet-vortrag-juedischer-psychoanalytikerin/
 (DIR) [7] /BDS-Movement/!t5071445
 (DIR) [8] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2025-06-10-verfassungsschutzbericht-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=4#p279
 (DIR) [9] https://www.jungewelt.de/artikel/501878.abgeschrieben-verein-j%C3%BCdische-stimme-protestiert-gegen-einstufung-als-gesichert-extremistisch-im-verfassungsschutzbericht.html
 (DIR) [10] https://www.jungewelt.de/artikel/501729.j%C3%BCdischer-antizionismus-viele-juden-haben-israel-den-r%C3%BCcken-gekehrt.html
 (DIR) [11] /Debatte-Holocaust-Gedenken/!5146355
 (DIR) [12] https://holocaustremembrance.com/resources/arbeitsdefinition-antisemitismus
 (DIR) [13] https://www.jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/JDA-German.pdf
 (DIR) [14] https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/was-heisst-antisemitismus/555654/definitionen-von-antisemitismus/
 (DIR) [15] https://krisol-wissenschaft.org/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Robert Matthies
       
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