# taz.de -- Auschwitz-Fotos im Kunsthaus Göttingen: Bilder gegen das Vergessen
       
       > Der Fotograf Juergen Teller hat Kurt Cobain, Kate Moss und Claudia
       > Schiffer porträtiert. In Auschwitz fotografierte er mit einem
       > Mobiltelefon.
       
 (IMG) Bild: Fotografiert, was wichtig erschien: Juergen Teller hat über 800 Fotos in Auschwitz-Birkenau gemacht
       
       Nach zwischenzeitlicher Insolvenz und mit neuer Leitung ist das Kunsthaus
       Göttingen mit einer Fotoausstellung über das Konzentrationslager Auschwitz
       wieder an den Start gegangen. Gut drei Monate nach Beginn des
       Insolvenzverfahrens läuft der Betrieb seit dem 27. März wieder. Das für
       mehrere Millionen errichtete und 2021 eröffnete Kunsthaus war [1][im
       vergangenen Jahr in finanzielle Schieflage geraten.]
       
       Eine Rettung über eine Liquiditätsspritze der Stadt Göttingen war von einer
       Mehrheit im Stadtrat politisch nicht gewollt. Den Neuanfang stemmen soll
       nun eine aus Kostengründen aufs Nötigste reduzierte Mannschaft im
       Kunsthaus.
       
       Dem neuen Leitungsteam gehören der Göttinger Kunstbuchverleger [2][Gerhard
       Steidl] und der Geschäftsführer des Göttinger Literaturherbstes,
       Johannes-Peter Herberhold, an. Die Doppelspitze soll das Kunsthaus
       ehrenamtlich wieder in ruhigeres Fahrwasser führen.
       
       Beide zeichnen denn auch für das Programm verantwortlich. Demnach wird sich
       im Kunsthaus künftig vieles um Papierkunst drehen – Fotografie und Druck
       vor allem. Aufwendige Einbauten und Rahmen bleiben künftig außen vor, sagt
       Steidl. „Papier wird an den Wänden zu sehen sein.“
       
       Darüber hinaus werben Steidl und Herberhold für das Kunsthaus auch als
       Bestandteil des [3][Kunstquartiers in der südlichen Innenstadt]. Der
       Kultur-Kiez mit Literaturhaus, Literarischem Zentrum und dem Verlag Steidl
       samt Künstlerateliers soll wachsen.
       
       Helfen müssen bei dem Neustart bessere Besucherzahlen. Rund 35.000 waren es
       insgesamt bei den bisherigen 14 Veranstaltungen – und das bei freiem
       Eintritt dank des Sponsors Sartorius, der dafür jährlich eine sechsstellige
       Summe bereitstellte. Die Gäste, viele von ihnen von auswärts angereist,
       sahen Kunst etwa von Roni Horn und William Kentridge, einen eigenen
       Pavillon des US-amerikanischen Pop-Art-Künstlers Jim Dine oder
       Videoinstallationen der Filmerin und Fotografin Mona Kuhn. Das Sponsoring
       samt Vertrag endete indes mit Beginn des Insolvenzverfahrens.
       
       Die nun laufende Schau „Auschwitz-Birkenau“ mit Bildern von [4][Juergen
       Teller] wird bis zum 1. Juni im Kunsthaus gezeigt. 820 Fotografien sind in
       Göttingen zu sehen.
       
       Kürzlich hatten Teller, seine Mitarbeiterin Dovile Drizyte und Steidl auf
       Einladung des Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitz-Komitees,
       Christoph Heubner, [5][Auschwitz] und Birkenau bereist. Tagelang sei die
       Gruppe durch die Gedenkstätten gegangen und Teller habe fotografiert, was
       er sah, berichtet Steidl: Baracken und Gleise, die ins Unendliche zu führen
       scheinen, Gaskammern und Latrinen, elektrische Zäune, Botschaften,
       Zeichnungen, Fotos und Nachrichten, die das Leben der Häftlinge und ihren
       Tod dokumentieren – aber auch Profanes wie Parkplatzschilder und
       Souvenirshops, Besucher und Busse.
       
       „Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, wie man so etwas fotografieren
       kann – und ob überhaupt“, bekannte Teller am Tag der Eröffnung. Dann aber
       sei klar gewesen, „dass ich es machen will“. Persönliche Gründe führte er
       an, aber auch „die Möglichkeit, jüngeren Menschen zu zeigen, wie es dort
       ausschaut“. Nervös sei er vor dem KZ-Besuch im Dezember gewesen, sagt
       Teller. Dann habe er aber losgelegt „und einfach nur geschaut, intelligent
       angeschaut“ – und „angefangen zu fotografieren, was mir wichtig erscheint“.
       
       ## Fotografieren ohne Equipment
       
       Die Bilder entstanden den Angaben zufolge ohne Equipment, nur mit einem
       Mobiltelefon älterer Bauart. Manchen der Fotos hat Heubner Erinnerungen,
       Zitate und Eindrücke aus seinen jahrzehntelangen Begegnungen und Gesprächen
       mit Überlebenden des Lagers hinzugefügt.
       
       Teller (Jahrgang 1964) ist international bekannt. Sein großer Durchbruch
       gelang ihm, als er 1991 die Band Nirvana auf einer Tournee begleitete und
       dabei die wohl intimsten Fotografien des schüchternen Frontmannes Kurt
       Cobain machte. Als ebenso einzigartig gilt Tellers Modefotografie der
       früheren 1990er-Jahre. Seine ungeschönten Porträts von Supermodels wie Kate
       Moss und Claudia Schiffer schockierten damals die Öffentlichkeit.
       
       Tellers Fotos und Heubners Texte sind auch in dem Buch „Auschwitz-Birkenau“
       enthalten, das jetzt, wie passend, im Steidl-Verlag erschienen ist. Im
       Herbst folgt im Kunsthaus eine Schau mit Fotos von Bryan Adams. Steidl hat
       auch schon Bildbände von Adams veröffentlicht.
       
       5 May 2025
       
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