# taz.de -- Maja Göpel zu Union-SPD-Sondierungen: „So wird es männlich, dominant und weiß“
       
       > Transformationsforscherin Maja Göpel vermisst im Sondierungspapier von
       > Union und SPD die großen Linien – und ein Bekenntnis zu echter
       > Veränderung.
       
 (IMG) Bild: Die Klimakrise zeigt sich in immer mehr Extremwetter wie hier beim Moselhochwasser vom Mai 2024, spielt aber im Papier keine Rolle
       
       taz: Frau Göpel, die Union will ja nun nach monatelanger Blockade [1][die
       Schuldenbremse drastisch lockern und Verteidigung und Infrastruktur mit
       Krediten finanzieren]. Ihr „Politikwechsel“ besteht darin, in der Regierung
       plötzlich Habeck-Politik zu präferieren. Oder wie sehen Sie das? 
       
       Maja Göpel: Na ja, erst einmal braucht sie noch die Zustimmung der Grünen –
       und genau dafür hätte sie die Grünen wenigstens vernünftig in die
       Verhandlungen einbeziehen sollen. Denn in Kombination mit dem
       Sondierungspapier ist fraglich, wie viel für neue Investitionen übrigbleibt
       und ob die Art der Vergabe zu Kofinanzierung aus dem privaten Sektor führt,
       wie es zum Beispiel [2][Robert Habecks Deutschlandsfonds mit der
       Abschreibungslösung] wollte. Auch fehlt jegliche übergeordnete Zielsetzung,
       auf die die unterschiedlichen Maßnahmen hinwirken. Klientelpolitische
       Geschenke, die Stärkung von klimaschädlichen Subventionen oder Mütterrente
       standen sicher nicht bei den Grünen und sind im normalen Haushalt nicht
       finanzierbar, selbst wenn das Bürgergeld auf das verfassungsrechtliche
       Minimum reduziert würde.
       
       taz: Die [3][Grünen und Sozialökologen bemängeln das völlige Fehlen von
       Klimapolitik]. 
       
       Göpel: Ja, das ist sehr wichtig: Es gibt bisher keine klare
       Berücksichtigung der Dekarbonisierung und das [4][Wort Biodiversität] kommt
       nicht vor. Im Prinzip wirkt die Bereitschaft zur Verschuldung also erst
       einmal wie die Lizenz zum Gelddrucken ohne klaren Zukunftsplan. Und das ist
       nach der aggressiven Blockadepolitik eine fette Kröte. Ich würde daher
       anstelle der Grünen anbieten, jetzt sofort ein [5][Sondervermögen
       Verteidigung] einzurichten und dann mit dem neuen Bundestag eine
       vernünftige Reform der Schuldenbremse aushandeln, die auch investive von
       konsumtiven Ausgaben trennt und die Länder einbezieht. Dafür lassen sich
       sicher auch Politiker:innen der Linken gewinnen, wenn Verteidigung eh
       separat schon gelaufen ist.
       
       taz: Wie [6][geht es grundsätzlich weiter mit Klima- und
       Transformationspolitik, wenn Friedrich Merz regiert], der ja selbst in
       seiner Partei keinen einfachen Stand hat. Muss bald der [7][Protest wieder
       auf die Straße]? Oder die mythische Zivilgesellschaft ran, die das
       Gut-böse-Spiel inszeniert „wir Bürger super, Regierung schlimm“? 
       
       Göpel: Mir scheint wichtig, dass alle Leute erst mal wahrnehmen, dass
       [8][die CDU im Moment eine sehr gespaltene Partei] ist. Bis zur Wahl hat
       man sich da ziemlich auf die Zunge gebissen, weil natürlich völlig klar
       war, dass Streit innerhalb des Wahlkampfs dem eigenen Ergebnis schaden
       würde. Es gibt sehr viele Personen, die nicht wie die Scharfmacher im
       Wahlkampf drauf sind. Deren Vorschläge nicht den neoliberalen Ideen aus den
       1990ern nahekommen, auch wenn das Label libertär neu klingt, also:
       Steuererleichterungen für die bereits Vermögenden werden produktive
       Investitionen freisetzen und zum Trickle-down führen, soziale Ausgaben
       streichen wird die Leistung ankurbeln und die [9][Ökosystemdienstleistungen
       können technisch ersetzt werden], dabei wächst die Wirtschaft auch besser.
       Mit diesem Programm wird es wieder sehr männlich, dominant und weiß – und
       die Frage fällt hinten runter, [10][warum in so einer Umgangsform und
       Kultur dann Frauen und Migrant:innen mitmachen wollen sollen], die sich
       ihre Lebensorte aussuchen können. Auch mit großen Geldhaufen lassen sich
       nicht einfach Dinge in die Welt hexen, das müssen schon Menschen machen.
       
       taz: „Konservative Revolution“ nannte einer der Scharfmacher, der
       CSU-Politiker Alexander Dobrindt, das Ziel mal in einem hoffentlich
       geschichtsignoranten Moment. 
       
       Göpel: Das Playbook ist immer ähnlich, in Extremform können wir das
       [11][gerade in den USA mit der Mischung aus Project2025 und den rechten
       Vordenkern der Tech-Oligarchen wie Curtis Yarvin erleben]. Die „Befreiung“
       von „staatlicher Kontrolle“ ist dabei das Hauptmotiv – wovon natürlich die
       Privilegierten besonders profitieren, die dann mit „Unternehmertum“ viel
       effizientere Lösungen in die Welt bringen. Dabei ist ja absurd, in den USA
       mit einer feudal anmutenden Konzentration von Reichtum und Kontrolle noch
       von „freien Märkten“ zu sprechen, in denen sich „die besten Angebote“
       durchsetzen würden, wenn endlich dereguliert würde. Hier spricht der Wunsch
       nach dem Recht der Stärkeren.
       
       Trotzdem wird sich als Underdog aufgeführt, werden die etablierten
       Institutionen für unterwandert erklärt – ob nun Medien oder Wissenschaft
       oder die aktuelle Regierung – und dadurch so viel Misstrauen gesät, dass
       stabile demokratische Mehrheiten verunmöglicht werden und durch die
       Blockade dann ein Explodieren dieser Institutionen mit Befreiung konnotiert
       wird – [12][siehe Doge]. Die Springer-Presse war hier die letzten Wochen
       vor der Wahl ganz vorne dabei. Auf der Berliner Demo gegen den Rechtsruck
       und für Miteinander habe ich deshalb gesagt: Liebe Bild, liebe Welt, wir
       stehen hier alle unbezahlt und sehen genau, wie ihr plump versucht, diese
       US-amerikanische Deepstate-Rhetorik in Deutschland zu inszenieren. Zwei
       Tage später kam der Artikel von Stefan Aust …
       
       taz: … dem langjährigen Welt-Herausgeber, früher St. Pauli-Nachrichten …
       
       Göpel: … mit genau dem Spin, dass hier extrem linker und ideologisch grüner
       Vorbau staatlich finanziert unterwegs sei. So ein sprachlicher und
       inhaltlicher Populismus steht einer ernsthaft konservativen Partei
       überhaupt nicht und das ist bei vielen CDU-Vertreter:innen inzwischen
       deutlich spürbar, einige sagen es ja auch direkt. Wenn man sich überlegt,
       was nach dem Ampel-Aus möglich gewesen wäre, ist dieses Gebaren auch von
       Wähler:innen abgestraft worden: Da stand die Union bei 34,5 Prozent.
       
       taz: Welchen Unterschied hätten die 6 Prozentpunkte gemacht? 
       
       Göpel: Darauf hätte sich entspannt eine souveräne Mitte-Politik und
       Koalition aufbauen lassen. Stattdessen sind auch noch die meisten
       Wähler:innen zu der rechtsradikalen Partei gewandert, von der man vorher
       sagte, dass man sie klein machen will. Das hat auch jeder
       Populismusforscher vorher gesagt: Kopiere den Stil, und das Original wird
       gewinnen. Deshalb ist der Moment da, wo eine Korrektur der Umgangsformen
       und Rhetorik überfällig ist.
       
       taz: Merz selbst scheint sich aber schnell vom Kulturkämpfer zum
       Politik-Pragmatiker gewandelt zu haben? 
       
       Göpel: Die Äußerungen von Herrn Merz gehen mal in die eine und mal in die
       andere Richtung. Und deshalb wäre es jetzt sehr wichtig, dass aus den
       konservativen Kreisen und aus der Wirtschaft die Stimmen kommen, die sagen:
       Schluss mit dem Auskeilen und der Scharfmacherei. Wir brauchen ein klares
       Zielbild, auf das staatliche Rahmenbedingungen hinwirken und für das die
       privaten Akteur:innen die besten Lösungen anbieten. So wie es zum
       Beispiel der [13][gerade veröffentlichte Appell der Stiftung
       Klimawirtschaft für die Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit skizziert
       hat].
       
       taz: Eine These lautet: Wenn die Grünen nicht in der Regierung sind, läuft
       es besser mit Klimapolitik, weil dann diese Verbotsideologen weg sind und
       man kann endlich irgendwie pragmatische Politik machen. 
       
       Göpel: Ich halte das für inszenierten Quatsch.
       
       taz: Inszenierten Quatsch? 
       
       Göpel: Ja, erst wird drei Jahre lang herbeigeredet, dass grüne Politik
       immer ideologischer Verzicht-Verbot-Verlust ist, und die Anschlussfähigkeit
       der Maßnahmen werden geschreddert, und jetzt müsste was ganz Ähnliches
       „pragmatisch“ aufgezogen werden. Wir sehen ja bei der ersten Kehrtwende,
       wie gut das verfängt. Dass die letzte schwarz-rote Koalition 2021 vom
       Bundesverfassungsgericht den Auftrag bekommen hatte, das Klimaschutzgesetz
       zu verschärfen, war ja ein Signal, dass man es vorher mit dem Pragmatismus
       versemmelt hatte. Dann wurde klar, wie viel man ändern müsste, gerade im
       Verkehrsministerium, wo nun wirklich kein Grüner mitgemischt hat. Auch im
       Finanzministerium nicht. Auch im Bauministerium führte die SPD.
       
       taz: Was wollen Sie sagen? 
       
       Göpel: Die großen Blockaden dafür, dass es nicht vernünftiger und einfacher
       werden konnte, lagen häufig darin, dass diese Ministerien nicht bereit
       waren, sich konsequent ressortübergreifend und wirkungsorientiert
       auszurichten. So gesehen hat [14][Robert Habeck richtig viel geschafft,
       gerade bei der Energiewende]; die Ausbauziele wurden übererfüllt, er hat
       die Versorgungssicherheit unter Putins Krieg gewährleistet und die Preise
       sind wieder auf dem Niveau wie vor seiner Amtsübernahme. Auch seine
       Vorschläge für Investitionen oder Schulden im Wahlkampf waren immer mit
       klarer Vorstellung der avisierten gesellschaftlichen Ziele und der
       mittelfristigen Wirkung kombiniert. Damit sind wir wieder bei der
       Ausgangsfrage nach den Schulden und dem Politikpaket.
       
       taz: Was ist die entscheidende Frage? 
       
       Göpel: Wo sind da die großen Linien und wo ist das klare Bekenntnis zu den
       strukturellen Neuordnungen, die wir brauchen? Daran lassen sich dann auch
       einzelne Maßnahmen und ihre Wirkung erklären und Stück für Stück
       nachjustieren – gerne im konstruktiven Austausch mit den wirtschaftlichen
       und gesellschaftlichen Akteuren, die das umsetzen. Aber da bitte auf
       diejenigen hören, die auch wirklich Veränderung wollen! Denn es mehren sich
       ja inzwischen die Berichte zu Managementversagen, überbürokratisierten
       Abläufen und Privilegiensicherung in großen Unternehmen. Es ist schon ein
       Gemeinschaftswerk, nur die Politik beschuldigen ist zu einfach. Umgekehrt
       braucht es dort aber auch ein Leistungsprinzip, das ich gerne mal mit
       Carsten Linnemann besprechen würde: An die Macht zu kommen, weil zum
       Schaden des Landes blockiert und gegen Minderheiten agitiert wurde, sollte
       für keine Oppositionspartei mehr als Erfolg gelten.
       
       taz: Frau Göpel, nochmal zur Ausgangsfrage: Die neue Bundesregierung wird
       vermutlich aus Union und SPD gebildet. Was kann man aus zukunfts- und
       klimapolitischer Hinsicht erwarten? 
       
       Göpel: Das kommt drauf an.
       
       taz: Gute Antwort. 
       
       Göpel: Es ist die einzig wissenschaftlich fundierte Antwort. Es gibt jetzt
       ja drei unterschiedliche und total wichtige Treiber. Das eine sind
       völkerrechtliche Verträge, die stehen nicht einfach zur Wahl. Es gibt
       zweitens eine Europäische Union, die versprochen hat, an einem Strang zu
       ziehen. Gleichzeitig gibt es drittens einen unglaublichen Druck von außen,
       diese Europäische Union zu spalten. Deshalb ist es wichtig, jetzt nicht
       kurzfristig motiviert an der Moonshot-Vision hinter dem Green Deal
       rumzudoktern und die jetzt erst effektiv werdende Politik zurückzudrehen,
       bevor sie Wirkung zeigt. Das gilt besonders auch deshalb, weil die EU vom
       Klimawandel mit am härtesten getroffen wird.
       
       taz: Tatsächlich? 
       
       Göpel: Ja, das hat ja in Europa, glaube ich, noch kaum einer verstanden.
       Das sieht gar nicht nett aus, ich war im Sounding Board des European
       Climate Risk Assessment, der 2024 die Effekte des Nichthandelns
       zusammengetragen hat. Man braucht nicht weiter von Versorgungssicherheit
       und Wettbewerbsfähigkeit reden, wenn die Schienen und ganze Infrastrukturen
       einfach wegrutschen und Nahrungsmittelproduktion bedroht ist. Umso mehr
       sich also imperialistische Ideen der Weltmächte breitmachen, umso wichtiger
       ist es doch, an den zwei zentralen Strategien, Dekarbonisierung und
       Kreislaufwirtschaft, festzuhalten. Dazu gehört auch der Wiederaufbau des
       Naturkapitals, der Biodiversität und Resilienz unserer Böden. Stattdessen
       höre ich nun schon hinter den Kulissen „ach den ETS hält eh keiner
       politisch durch. Wenn die Preise erst mal steigen, dann wird das eh wieder
       kassiert.“
       
       taz: ETS ist das EU-Emissionshandelssystem, das die Treibhausgasemissionen
       innerhalb der Europäischen Union senken soll, indem eine Obergrenze
       festegelegt wird, die dann nach und nach auf null sinken soll. 
       
       Göpel: Genau. Und gerade die Parteien, die Klimaschutz primär über den
       Preis steuern wollen, brauchen dieses Instrument. Ich hoffe, dass die
       Wirtschaft da klar sagt: Liebe Leute, ihr hört auf, das zu hintertreiben,
       macht das jetzt mit der Bepreisung und dem Weg nach vorne, sonst gibt es
       keine Klarheit, keine Zukunftsvision, und vor allem verlieren wir die
       technologische Führerschaft an China und die USA. Es bleibt noch offen, ob
       Trump wirklich auch die Technologieförderung zurückdreht, der Inflation
       Reduction Act wirkt ja auch gerade in roten Bundesstaaten für Beschäftigung
       und Wirtschaft. Und demokratische Bundesstaaten wie Kalifornien sind da
       ganz anders aufgestellt und allein schon die siebtgrößte Volkswirtschaft.
       Deshalb waren die Stimmen der Wirtschaft auch schon im Wahlkampf wichtig,
       egal ob von Herrn Krebber von RWE zu den Behauptungen über Atomkraftrevival
       oder die Wärmepumpenbranche, die Herrn Spahn davor warnte, das
       Gebäudeenergiegesetz schlicht wieder zurückzudrehen. Ich kann mich nicht an
       einen Wahlkampf erinnern, in der Wirtschaftsakteure der Union so oft in die
       Parade gefahren sind.
       
       taz: Bei der Wahl haben die unter 30-Jährigen zur Hälfte AfD und
       Linkspartei gewählt, was heißt das? 
       
       Göpel: Es heißt, dass wir mit einer gewissen Ernsthaftigkeit fragen müssen,
       warum uns die jungen Menschen in die Extreme rutschen und wie wir
       interessante Allianzen finden mit den Älteren, die noch sehr stark bei der
       SPD sind und auch noch bei der CDU. Ohne einen klaren Fahrplan für eine
       nachhaltige Wirtschaft, ein Update des Rentensystems, der
       Pflegeversicherung und mit Mietpreisen als große Sorge aller weniger gut
       Verdienenden, kriegen wir das nicht hin. Wo ist das Bild eines künftigen
       Wohlstandsmodells, in dem junge Menschen sich ernsthaft berücksichtigt
       sehen?
       
       taz: Sehen Sie AfD und Linkspartei zukunftspolitisch ähnlich desaströs? 
       
       Göpel: Nein, überhaupt nicht. Ich würde die Linke niemals
       [15][hufeisenmäßig] einordnen, allein schon deshalb, weil sie nicht
       extremistisch ist in ihren Umgangsformen oder Ideen, wie Demokratien
       möglichst effektiv torpediert werden können. Das sehen wir bei der AfD in
       ihrem Auftreten in ostdeutschen Regierungskontexten beides schon deutlich.
       Ja, einige inhaltliche Forderungen sind ähnlich unrealistisch, wenn es um
       Verteidigung und Wirtschaft geht, aber sie sind auch nicht als Mitte-Partei
       angetreten, sondern als Gegengewicht. Wichtig ist, dass auch mit den Linken
       an der Sorge gearbeitet werden kann, die alle Wähler:innen der fünf
       Parteien, die künftig im Bundestag vertreten sind, in ihren Top 5 hatten.
       
       taz: Nämlich? 
       
       Göpel: Die Sorge, dass es keine stabile Regierung geben wird. Das muss in
       dieser Zeit die Hauptbotschaft sein, dass die demokratischen Parteien sich
       zusammenreißen, aufhören mit diesen abtörnenden persönlichen Attacken und
       die autoritären Fantasien beiseitelegen, dass sie in Mehrparteiensystemen
       so überheblich und bossy auftreten können wie in einem Zwei-Parteiensystem.
       Und – wichtig für die Ausgangsfrage: Bei den Sorgen kommt dann schon
       mangelnder Klimaschutz als verbindendes Element. Das war bei den Grünen
       Wählern Top 1, bei den Linken und der SPD Top 2.
       
       taz: Wie sehen Sie in der Hinsicht Union und AfD?
       
       Göpel: Bei deren Wähler:innen hat es das Thema nicht in die
       Prioritätenliste geschafft – was aber auch nicht verwundert, wenn die eine
       Partei den Klimawandel leugnet und die andere das Thema komplett ignoriert
       hat in ihrer Oppositionsarbeit – aus Bayern wurde das dann gerne noch als
       „grüne Ideologie“ bezeichnet. Aber wenn man klar kommunizieren würde, wie
       stark Klimapolitik mit der wirtschaftlichen und damit eben auch der
       sozialen Sicherheit zu tun hat, dann dürfte das bei CDU-Wählern kein
       Anschlussproblem mehr sein, denn das ist ja das, was Sicherheit ausmacht:
       die starke Wirtschaft und verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn die Union
       also eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD sucht, dann liegt sie hier:
       alle demokratischen Parteien nehmen Naturwissenschaften, Risikovermeidung
       und die Lebenswirklichkeit unserer Kinder ernst.
       
       taz: Steile These.
       
       Göpel: Erst mal geben die Wählerbefragungen das her. Für mich ist das eine
       erleichternde Botschaft, dass Menschen in Deutschland nicht so bereitwillig
       sagen: „Och, Naturwissenschaft sind überbewertet und die Orientierung an
       Fakten und vernünftigen Umgangsformen auch.“ Das nehmen wir doch auch jetzt
       in der Diskussion über das Wie der Schuldenpakete wahr.
       
       taz: Vizekanzler Robert Habeck wurde für manche Medien und Milieus zur
       Hassfigur, weil er das Klimaabkommen von Paris einhalten wollte. Wie
       erklären Sie sich das?
       
       Göpel: Wir sehen in allen Studien zur Akzeptanz von Klimapolitik, dass
       Gegenreaktionen dann entstehen, wenn die Wirkung der Maßnahmen nicht
       überzeugend erscheint, genauso wie die Verteilung von Kosten und Nutzen.
       Fairness ist da ein zentraler Kompass, auch mit Rücksicht auf die Ärmsten –
       zumindest noch im eigenen Land. Das ist ja auch wieder eine positive
       Nachricht im Sinne des Menschenbilds. Es ist die Aufgabe der Politik und
       der Medien, das so zu stricken und zu erklären, dass die sozialen Sorgen
       direkt adressiert werden und gerade auch die langfristigen Effekte viel
       besser herausgestellt werden.
       
       taz: Der Umbau ins Postfossile wird die Leute, also uns, etwas kosten, das
       ist doch so?
       
       Göpel: Ja, natürlich. Das tut der Umbau ins Digitale auch, und da sehe ich
       jetzt schon viel mehr Risiken als beim Klimaschutz. Nur lassen sich damit
       großartige Summen an Geld verdienen, deshalb dominiert in den Erzählungen
       immer die Versprechung. Umgekehrt wird bei der Dekarbonisierung sehr aktiv
       Mis- und Fehlinformation gestreut, deshalb gibt es nun die Global
       Initiative for Information Integrity on Climate Change der Vereinten
       Nationen, unterstützt von der OECD und UNESCO. Das wird jetzt richtig
       spannend, weil libertäre Staatslenker wie Javier Milei und nun Donald Trump
       mit Musk offen den Klimawandel leugnen oder gar die Erwähnung auf
       Regierungsseiten und in Forschungsprogrammen verbieten. Mittelalter ist ja
       wohl keine Option für Europa, der Geburtsstätte naturwissenschaftlicher
       Aufklärung?
       
       11 Mar 2025
       
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