# taz.de -- Verelendung in Hamburg: Obdachlos und außerhalb des Sozialsystems
       
       > In Hamburg hat sich die Zahl der Obdachlosen verdoppelt. Die
       > Sozialbehörde sagt, nur 20 Prozent seien Deutsche und viele nicht
       > leistungsberechtigt.
       
 (IMG) Bild: Notdürftiger Schutz vor Wind und Regen: Ein Obdachloser Ende Dezember in der Hamburger Innenstadt
       
       Hamburg taz | Keine guten Nachrichten hielt jüngst der zweite
       Wohnungslosen-Bericht der Bundesregierung für die Stadt Hamburg bereit. Die
       Zahl der [1][Obdachlosen] hat sich demnach auf 3.737 Menschen erhöht und
       gegenüber einer stadteigenen Zählung von 2018 verdoppelt. Die Daten stammen
       aus einer Erhebung von Februar 2024.
       
       Hamburgs-Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat lud sofort nach Erscheinen ein
       paar Presseleute zu sich in Rathaus. Dass die Zahl der Obdachlosen in
       Hamburg so stark gewachsen sei, überrasche in der Behörde keinen, sagte sie
       dem [2][Hamburger Abendblatt]. Doch während der Wohnungslosenbericht sagt,
       53 Prozent der Menschen auf der Straße seien Deutsche, schätzt die Behörde,
       dass es nur 20 Prozent sind.
       
       „Wir teilen nicht die Annahme [3][des Berichts], dass nur die Hälfte der
       Obdachlosen zugewandert sind“, sagt Behördensprecher Wolfgang Arnhold zur
       taz. Man gehe hier von einer „Untererfassung“ dieser Gruppe im
       Bundesbericht aus. Arnhold: „Ein großer Teil obdachloser Personen sind
       EU-Zugewanderte, die in Hamburg obdachlos geworden sind und hier keine
       sozialrechtlichen Ansprüche haben.“ Etwa jeder zehnte Arbeits-Zuwanderer
       aus Osteuropa schafft es laut Lotzkat nicht, hier Fuß zu fassen.
       
       Der Bericht der Bundesregierung, der für ganz Deutschland von rund 45.000
       Obdachlosen und 54.000 verdeckt Wohnungslosen ausgeht, geht auf Zählungen
       von 5.200 Einrichtungen zurück, die mit Wohnungslosen zu tun haben und
       befragte zudem in der Woche vom 1. bis 7. Februar in 200 zufällig
       ausgewählten Gemeinden wohnungslose Menschen.
       
       ## Unterschiedliche Erhebungsmethoden
       
       In Hamburg wurden rund 300 obdachlose Menschen befragt und Daten von 100
       Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe erhoben. Die Daten würden
       hochgerechnet und brächten eine gewisse Unschärfe mit, sagt Lotzkat. Für
       Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen weist der Bericht übrigens
       einen Wert aus. Dort gibt es rund 8.600 Obdachlose.
       
       Das für den Bericht verantwortliche Bundesbauministerium teilte auf Anfrage
       mit, die Abweichungen erklärten sich durch „unterschiedliche
       Erhebungsmethoden und Definitionen“.
       
       Politisch versucht der Senat hier die Dramatik der Zahlen-Verdoppelung zu
       relativieren. Hamburg stellt bei der Beratung der obdachlosen
       EU-Zugewanderten die „Rückkehr ins Herkunftsland“ in den Vordergrund.
       Allein in 2024 habe die Beratungsstelle Plata dies bei 400 Personen
       unterstützt, so die Behörde.
       
       Die Linke Bezirkspolitikerin Nora Stärz verwies darauf, dass in 2024
       mindestens 27 Menschen auf Hamburgs Straßen starben. Das Hamburger
       „Winternotprogramm“ mit seinen rund 700 Plätzen müsse noch in diesem Winter
       ausgeweitet werden, um Leben zu retten. Ihre Partei-Kollegin Olga Fritzsche
       führt die Steigerung der Obdachlosenzahlen auf fehlende Sozialwohnungen und
       fehlendes Personal bei den Fachstellen für Wohnungslose zurück.
       
       ## Linke fordert eine Taskforce
       
       „Die kommen dort einfach mit der Arbeit nicht hinterher und können nicht
       mal Dringlichkeitsfälle in Unterkünfte oder Wohnraum vermitteln“, sagt die
       Sozialpolitikerin der Linken-Bürgerschaftsfraktion. Sie fordert, sofort
       eine [4][Taskforce mit 30 Stellen für Wohnungsnotfälle] einzurichten und
       aus dem Kontingent der städtischen Saga-Wohnungsbaugesellschaft jährlich
       2.500 Wohnungen für Notfälle bereitzustellen.
       
       Auch die CDU übte scharfe Kritik an den Zahlen. Dennis Thering,
       Spitzenkandidat für die anstehende Bürgerschaftswahl, sprach von einer
       „Bankrotterklärung“ des Rot-Grünen-Senats, der Obdachlosigkeit nur
       verwalte. Er fordert, die Unterkünfte des Winternotprogramms müssten bei
       großer Kälte auch tagsüber geöffnet bleiben, damit niemand erfriert. Zudem
       wolle die CDU ein Projekt zur bevorzugten Wohnraumversorgung
       langzeitobdachloser Menschen ausweiten und eine weitere Befragung
       durchführen, um zu gucken, was wirkt.
       
       SPD-Sozialsenatorin [5][Melanie Schlotzhauer] konterte, die Aussagen von
       Thering verwunderten sie doch sehr. Die CDU wolle Sozialleistungen für
       Menschen einführen, die „eigentlich in ihre Heimatländer zurückkehren
       müssen, da für sie kein Anspruch mehr gilt“, sagte die Senatorin. Für
       Obdachlose mit Leistungsansprüchen habe Hamburg ein vorbildliches
       Hilfesystem. „Da brauchen wir keinerlei Belehrungen.“ Auch die Plätze des
       Winternotprogramms, so ihr Sprecher, seien in vergangenen Jahren „immer
       ausreichend“ gewesen.
       
       9 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bericht-zu-Wohnungslosigkeit/!6032591
 (DIR) [2] https://www.abendblatt.de/hamburg/politik/article408043324/zahl-der-obdachlosen-verdoppelt-aber-stadt-zweifelt-an-rechnung.html
 (DIR) [3] https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/Webs/BMWSB/DE/2025/01/Wohnungslosenbericht.html
 (DIR) [4] https://www.linksfraktion-hamburg.de/kategorie/themen/soziales/obdachlosigkeit/
 (DIR) [5] /Neue-Wege-bei-psychiatrischer-Versorgung/!6064169
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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