# taz.de -- Hamburger Bündnis erstellt Aktionsplan: Eigene Wohnungen für Straßenkids
       
       > Ein Bündnis in Hamburg fordert Housing First für Jugendliche ab 14, die
       > nicht anders erreichbar sind. Die Sozialbehörde ist zu Gesprächen bereit.
       
 (IMG) Bild: Das Thema ist in Hamburg bekannt, aber passiert ist nichts: Jugendliche Obdachlose am Hamburger Hauptbahnhof im Februar 2008
       
       Hamburg taz | Auf Hamburgs Straßen seien auch ganz junge Obdachlose
       anzutreffen, berichtete im [1][taz-Interview] kürzlich Ronald Kelm vom
       Hamburger Gesundheitsmobil, das sich um Obdachlose kümmert. „Gerade nach
       Corona und Homeoffice haben die Konflikte in Familien zugenommen. Und es
       liefen mehr Jugendliche als sonst von zu Hause weg“, sagt der ehrenamtliche
       Helfer. Zahlen hat Hamburgs Senat dazu nicht. Aber ein Bündnis aus knapp 30
       Organisationen, Trägern und Einzelpersonen hat jetzt ein Papier für die
       Lösung auf den Tisch gelegt: Es soll eigene Wohnungen schon für 14- und
       15-Jährige geben, die auf der Straße leben.
       
       Das klingt ungewöhnlich, wird aber im Ruhrgebiet von einem
       Jugendhilfeträger mit Namen „[2][Werkstatt Solidarität Essen]“ seit neun
       Jahren praktiziert. „Wir sind recht erfolgreich“, sagt der Leiter Peter
       Heemann. „Wir haben in den letzten fünf Jahren rund 300 Jugendlichen ihre
       Wohnung übergeben können.“ Denn ein Schlüssel zum Erfolg liege darin, dass
       die [3][Jugendlichen in eine Wohnung ziehen], die sie mit Volljährigkeit
       übernehmen können und die gleich ihr Zuhause ist. „Rausgeworfen werden sie
       bei uns nicht“, sagt Heemann.
       
       Kündige ein Vermieter einem Jugendlichen wegen Fehlverhaltens die Wohnung,
       suche man mit ihm eine neue. Zudem gebe es eine intensive
       Eins-zu-eins-Betreuung. Je zwei Mitarbeiter seien für einen Jugendlichen
       zuständig. Die sind zwar nicht ständig vor Ort, aber rund um die Uhr
       erreichbar. Gestartet 2015 mit nur wenigen Plätzen, habe die Werkstatt
       mittlerweile 260 Mitarbeiter und 234 Plätze, nicht nur in Essen, sondern
       auch in den Nachbarstädten Duisburg, Mülheim und Oberhausen.
       
       Das Angebot sei kein Ersatz für normale Jugend-WGs, sondern eine nötige
       Ergänzung, sagt der Sozialarbeiter, der früher im Frankfurter
       Bahnhofsviertel tätig war. Denn es gebe junge Menschen, für die diese WGs
       mit acht bis zehn Plätzen einfach zu groß sind, oder die sich nicht an
       Regeln halten und deshalb immer wieder rausflögen und den Abbruch ihrer
       dortigen Beziehungen erlebten.
       
       ## Normale Jugendhilfe-WGs sind oft zu groß
       
       Ein Problem, das es auch in Hamburg gibt, wie die häufige [4][Überfüllung]
       des dortigen [5][Kinder- und Jugendnotdienstes] (KJND) zeigt. Schon 2020
       hatte die Landesarbeitsgemeinschaft Kindheit und Jugend der Hamburger
       Linkspartei Heemann als Referenten eingeladen und anschließend zusammen mit
       betroffenen Jugendlichen, Fachkräften und jugendpolitisch Engagierten die
       „AG Wohnungen für Straßenkinder“ gegründet.
       
       Die hat nun ein [6][„Eckpunkte-Papier“] mit dem Titel „Housing First – auch
       für junge Menschen!“ vorgelegt, um das Anliegen mit der zuständigen
       Sozialbehörde und der Politik zu diskutieren. Unterstützt wird der
       Vorschlag unter anderem vom alteingesessenen Bürgerverein Patriotische
       Gesellschaft, der Gewerkschaft Ver.di und dem alternativen
       Wohlfahrtsverband Soal.
       
       Jugendliche Obdachlose würden von der Statistik nicht gesondert erfasst und
       seien somit „unsichtbar“, kritisieren die Autoren des Papiers. Doch
       hochgerechnet aus den Kontakten und Nutzerzahlen von Anlaufstellen wie dem
       KIDS am Hauptbahnhof und weiteren in den Bezirken sowie der permanenten
       Auslastung der 27 Notschlafplätze, die es über die Stadt verstreut gibt,
       rechnen sie mit einer „veritablen Zahl“ von Jugendlichen, die auf der
       Straße leben, und einem Bedarf von mindestens 150 Plätzen.
       
       Es gehe darum, einen gesetzeswidrigen Zustand zu beheben, sagt Mitautor
       Ronald Prieß. Denn obdachlose Jugendliche darf es laut Sozialgesetzbuch
       nicht geben. Sie müssten sofort in Obhut genommen werden.
       
       „Die Hamburger Jugendhilfe braucht eine pluralistische Angebotsstruktur, um
       auf die gestiegen Bedarfe der jungen Menschen zu reagieren“, sagt auch
       Malte Block vom Jugendhilfeträger Basis & Woge. „Wir sprechen hier von
       einem Rechtsanspruch, dem häufig keine realen Angebote gegenüberstehen.“
       
       Ganz konkret schlägt das Papier nun vor, dass ein „Wohnungspool“ in Form
       einer Genossenschaft oder eines Vereins gegründet wird. Diesen sollten alle
       Jugendhilfeträger belegen können, die sich verbünden und dem Ziel
       verpflichten, Jugendobdachlosigkeit zeitnah zu beseitigen.
       
       Das Papier rechnet vor, dass allein die städtische Wohnungsgesellschaft
       Saga/GWG und der Konzern Vonovia in Hamburg zusammen über rund 158.000
       Wohnungen verfügen. Es genügte also, wenn beide Unternehmen jede tausendste
       davon in den Wohnungspool einbrächten, um mit 158 Wohnungen „einen
       anfänglichen Bedarf“ zu decken.
       
       Die Hamburger Sozialbehörde hat Prieß und weitere Vertreter des Bündnisses
       Anfang September zu einem Gespräch über den Vorschlag eingeladen. Prieß
       betont, das Projekt richte sich an eine Gruppe, „für die es bis jetzt gar
       kein Angebot gibt und die deswegen beim KJND zu finden sind oder auf der
       Straße – oder bei Pädophilen auf dem Sofa“. Für die Umsetzung seien
       Gespräche mit Trägern und mit der Wohnungswirtschaft nötig, sagt Prieß.
       „Auch ein Start als Modellprojekt wäre nach unserer Auffassung zu erwägen.“
       Er ist nach dem Gespräch vorsichtig optimistisch.
       
       Sprecher Wolfgang Arnhold sagt: „Das Papier ist der Sozialbehörde bekannt.“
       Grundlegend begrüße man Ideen und Konzepte, die zur Bekämpfung von
       Obdachlosigkeit beitragen. Um etwas zur Umsetzbarkeit zu sagen, sei es noch
       zu früh. Doch das Gespräch mit den Initiatoren werde fortgesetzt.
       
       ## Wie ein dezentrales Heim
       
       Noch nicht angekommen ist das Papier im politischen Raum. „Das
       Eckpunkte-Papier ist der SPD-Fraktion bisher nicht bekannt“, sagt deren
       Pressesprecher Patrick Schembecker. Die Forderungen würden nun „in den
       fachlich zuständigen Arbeitsgruppen beraten“. Die Grünen sehen das Konzept
       kritisch. „Wir setzen uns entschieden dafür ein, dass junge Erwachsene
       nicht aus der Jugendhilfe in die Wohnungslosigkeit entlassen werden“, sagt
       Sozialpolitikerin Mareike Engels. Diese seien auch in der Regel die jungen
       Leute, die in der Obdachlosigkeit landen. „Für minderjährige Personen ist
       unser Konzept des [7][Housing First] nicht geeignet“, sagt Engels. Die
       sollten in die Obhut der Jugendhilfe.
       
       „Minderjährige, die bei uns stationär untergebracht werden, sind auch in
       der Jugendhilfe. Wir sind ein dezentrales Heim“, hält Peter Heemann von der
       Essener Werkstatt Solidarität dagegen. „Das Konzept der Werkstatt
       Solidarität Essen ist in Nordrhein-Westfalen als Jugendhilfe genehmigt und
       vollständig anerkannt.“ Die Werkstatt habe auch schon Anfragen aus Hamburg
       gehabt. „Es wäre sinnvoll, wenn die Stadt selber so ein Angebot schafft.“
       
       23 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Helfer-ueber-Elend-am-Hamburger-Hbf/!6024172
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 (DIR) [5] /Kritik-am-Kinder--und-Jugendnotdienst/!5939986
 (DIR) [6] https://tu-was-hamburg.de/wp-content/uploads/2024/07/Housing-First-Eckpunktepapier-Wohnungen-fuer-Strassenkinder-2024_layout_4.9.24.pdf
 (DIR) [7] /US-Ansatz-Housing-First/!5964134
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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