# taz.de -- Zuschuss zum Führerschein?: Wenn Freiheit vier Räder braucht
       
       > Dorfkind sein heißt Freiheit – und Abhängigkeit. Ein aktueller Vorschlag
       > für vergünstigte Führerscheine könnte da Abhilfe schaffen. Aber etwas
       > fehlt.
       
 (IMG) Bild: Teures Vergnügen: Zuletzt bezahlten die meisten Fahranfänger:innen zwischen 2.500 und 3.500 Euro für ihren Führerschein
       
       Wenn ich sage, dass ich ein Dorfkind bin, ist das mehr als eine bloße
       Information über die Größe meines Herkunftsortes. Es ist ein Teil meiner
       Identität, der auch nach dem Umzug in die Großstadt bleibt.
       
       Dorfkind sein bedeutet, sich mit der Natur verbunden zu fühlen, den
       Moosbewuchs der Bäume zur Orientierung zu nutzen – und genau zu wissen,
       wann der letzte Bus fährt. Denn er wird für lange Zeit der letzte sein.
       
       Das 3.000-Seelen-Dorf, in dem ich aufwuchs, hatte vieles, wovon Stadtkinder
       wohl nur träumen können: Große Feldflächen, auf denen wir geheime Lager
       bauten, kurze Wege, die man im Sommer ohne Probleme barfuß zurücklegen
       konnte. Doch was ich als Kind noch geschätzt hatte, begann ich als Teenager
       zu verfluchen: Einen Bahnhof? Gab es nicht.
       
       Der einzige Bus fuhr einmal in der Stunde in die nächstgelegene Stadt.
       Wollte ich morgens zur Schule fahren, musste ich aufgrund unregelmäßiger
       Fahrtzeiten eine Stunde früher aufstehen – außerdem war er meistens voll
       und stank nach Schweiß. Meine Haltestelle wurde gestrichen, als ich in die
       6. Klasse kam, die nächste lag gut einen Kilometer entfernt.
       
       ## Tag der Unabhängigkeit
       
       Keine Option, beschloss ich, und fuhr jahrelang zu jeder Jahreszeit mit dem
       Rad. Peitschte mir der nasse Wind entgegen, träumte ich von einem Gefährt,
       das mich trocken dahin bringen würde, wohin auch immer ich wollte. Und
       fieberte meinem 18. Geburtstag entgegen, den ich immer mehr zum Tag der
       Unabhängigkeit romantisierte. Dass ich [1][so früh wie möglich] meinen
       Führerschein machen würde, koste es buchstäblich, was es wolle, stand für
       mich außer Frage.
       
       Doch das kann ganz schön teuer werden: [2][Nach ADAC-Angaben] haben die
       meisten Fahranfänger:innen in Deutschland zuletzt zwischen 2.500 und
       3.500 Euro für Fahrstunden und Prüfgebühren gezahlt. [3][Das Statistische
       Bundesamt berichtet von einem Preisanstieg von fast acht Prozent beim
       Vergleich von 2022 zum Folgejahr 2023.]
       
       Gründe sind laut der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände die
       Inflation, ein immer komplizierter werdender Verkehr und die technische
       Weiterentwicklung der Autos, die mehr Theoriestunden nötig mache.
       
       Wessen Eltern und Großeltern nicht sowieso in weiser Voraussicht seit
       Jahren auf ein Sparbuch einzahlen, der hat es eventuell schwer, die
       Preissumme für den Führerschein zu stemmen. Rund 2.000 Euro verschlang
       meine Freiheit auf vier Rädern. Ohne dieses Geld bleibt oft nur das Warten
       – und das Gefühl, von der Welt abgeschnitten zu sein.
       
       ## Zuschuss für die Fahrerlaubnis soll unterstützen
       
       Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) [4][Jörg
       Dittrich schlägt deshalb vor], Jugendliche auf dem Land finanziell mit
       einem Zuschuss für die Fahrerlaubnis zu unterstützten.
       
       Das ist meiner Meinung nach längst überfällig: Was nutzt einem ein
       vergünstigtes ÖPNV-Ticket wie das Deutschlandticket, wenn der Bus, den man
       damit nutzen darf, gar nicht fährt? Gerade zu den Randzeiten – frühmorgens
       oder spätabends –, wenn im Schichtbetrieb arbeitende Azubis nach Hause oder
       zur Arbeit fahren wollen, ist der ländliche Nahverkehr oft nicht mehr als
       eine nette Idee auf dem Papier.
       
       Wer auf dem Land lebt, kann sich ohne Unterstützung manchmal nur schwer
       leisten, was für viele eine schiere Notwendigkeit ist. Die Förderung des
       Führerscheins für junge Menschen auf dem Land wäre weit mehr als ein
       symbolisches Entgegenkommen. Es ist eine Antwort auf die Realität.
       
       Ein besser ausgebauter öffentlicher Nahverkehr wäre langfristig die
       nachhaltigere Lösung, doch bis das Realität wird, könnte ein
       Führerschein-Zuschuss zumindest einen Teil der Lücke schließen. Für mich
       bedeutet der Führerschein nicht nur Freiheit, sondern auch ein Stück
       Sicherheit. Gerade junge Frauen wissen, was es bedeutet, nachts allein an
       verlassenen Haltestellen auf Busse zu warten, die ohnehin nur sporadisch
       fahren.
       
       Der Führerschein bietet die Möglichkeit, diese Abhängigkeit zu überwinden –
       zumindest theoretisch. Denn während die Freude in unserer Freundesgruppe
       groß war, als der Erste endlich den Führerschein hatte, stellte sich bald
       die nächste Frage:
       
       Wer hat überhaupt ein Auto?
       
       1 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mobilitaet-auf-dem-thueringischen-Land/!6028914
 (DIR) [2] https://www.adac.de/news/fuehrerschein-kosten-2023/
 (DIR) [3] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2024/PD24_33_p002.html
 (DIR) [4] https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/handwerkspraesident-zuschuss-zum-fuehrerschein-statt-deutschlandticket-355410/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Koppenhöfer
       
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