# taz.de -- Schuldenbremse-Debatte in Union: Die Bredouille um die Bremse
       
       > Selbst die Union und Kanzlerkandidat Merz debattieren jetzt über die
       > Reform der Schuldenbremse. Wie realistisch sind die möglichen Varianten?
       
 (IMG) Bild: „Man kann über die Schuldenbremse reden, aber nicht, indem man nur die Ausgaben einfach erhöht“, meint Friedrich Merz (CDU)
       
       Berlin taz | Die Union diskutiert über die [1][Schuldenbremse].
       [2][Altkanzlerin Angela Merkel] plädierte dieser Tage für die Lockerung der
       Regel im Grundgesetz, die während ihrer Regierungszeit 2009 beschlossen
       wurde. [3][Sehr viel zurückhaltender äußert sich Friedrich Merz], der im
       kommenden Jahr Bundeskanzler werden möchte. Welche Bedeutung hat die Bremse
       für die künftige Politik – und welche Art von Lockerung wäre jetzt möglich?
       
       Die Schuldenbremse funktioniert grundsätzlich so, dass sich der Bund
       normalerweise nur mit 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr neu
       verschulden darf. Den Ländern ist Verschuldung grundsätzlich verboten.
       Läuft die Wirtschaft aber schlecht wie zur Zeit, ist der Spielraum größer.
       Und in „außergewöhnlichen Notsituationen“ sind Ausnahmen erlaubt.
       
       Durch den [4][Angriff Russlands auf die Ukraine] sei nun aber eine „völlig
       neue Situation“ entstanden, sagte [5][Merkel, als sie jüngst ihre Memoiren
       vorstellte]. Deswegen „werden wir mit den Investitionen, die wir uns im
       Rahmen der Schuldenbremse leisten können, für eine bestimmte Zeit nicht
       auskommen“. [6][CDU-Chef und Kanzlerkandidat Merz] lehnt solche
       Überlegungen dagegen ab, zumindest kurzfristig. „Das kann ich definitiv
       ausschließen“, antwortete er auf die Frage nach der Möglichkeit einer
       schnellen Reform. Und auch [7][FDP-Chef Christian Lindner pocht eisern auf
       die Schuldenbremse].
       
       ## Dem Bund stehen hohe Ausgaben bevor
       
       Die Debatte findet aktuell statt, weil die Koalition aus SPD, Grünen und
       FDP gerade an der Schuldenbremse zerbrochen ist und die nächste Regierung –
       eventuell mit Merz an der Spitze – vor ähnlichen finanziellen
       Herausforderungen stehen dürfte. Denn die Lage sieht so aus: In den
       nächsten Jahren kommen auf den Bund, aber auch die Länder hohe Ausgaben zu,
       die mit den gegenwärtigen Haushalten schwer zu bewerkstelligen sind.
       
       Dabei geht es um Aufwendungen für die Ukraine, die Bundeswehr und die Nato,
       die aus dem existierenden Sondervermögen und dem Bundeshaushalt nicht zu
       leisten sind. Hinzu kommen weitere Notwendigkeiten: Milliarden Euro für die
       Sanierung der Infrastruktur etwa bei der Bahn AG, Subventionen für hiesige
       Unternehmen angesichts der verschärften internationalen Konkurrenz und
       Mittel für die Klimapolitik. Die Größenordnung beläuft sich auf 50 bis 100
       Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr.
       
       In einem Bundeshaushalt von knapp 500 Milliarden Euro sind solche Summen
       kaum zu stemmen. Denn entsprechende Kürzungen im Sozialetat, beim
       Bürgergeld oder der Rente sind mit der SPD, die der nächsten
       Bundesregierung wohl wieder angehören wird, nicht zu machen. Und deutliche
       Steuererhöhungen will weder die Union, noch passen sie zur gegenwärtigen
       ökonomischen Stagnation.
       
       ## Ausrufung einer Notlage?
       
       Mehr Schulden wären daher ein Schlupfloch. Eine Variante dafür bietet
       [8][die in der Schuldenregel enthaltene Notfallklausel]. „Nach Artikel 115
       des Grundgesetzes könnte der Bundestag mit absoluter Mehrheit jetzt eine
       Notlage ausrufen“, erklärte Achim Truger, der als Mitglied der
       Wirtschaftsweisen die Regierung berät. Dieser Weg ließe sich damit
       begründen, dass der russische Angriff eine finanzielle Sondersituation
       geschaffen hat. Wobei [9][Ökonom Jens Südekum], Berater des
       Wirtschaftsministeriums, einschränkte: „Die Notlage auszurufen, setzt einen
       gültigen Bundeshaushalt voraus.“ Für 2024 wäre das noch der Fall, doch das
       Jahr ist fast vorbei. Und „für 2025 müsste erst einmal ein Haushalt
       beschlossen werden“, so Südekum.
       
       Wie realistisch ist diese Variante? Um sie schnell zu beschließen, bräuchte
       die rot-grüne Minderheitsregierung, die von der Ampel übrig geblieben ist,
       die Unterstützung der Union. Darauf haben CDU und CSU wenig Lust, weil sie
       eine Regierung am Leben hielten, die sie ablösen wollen. Andererseits
       könnte sich die Lage in der Ukraine verschärfen und zusätzliche
       Milliardenhilfe nötig werden. Und vielleicht ist die Union
       kompromissbereiter, wenn der amtierende Kanzler Olaf Scholz am 16. Dezember
       die [10][Vertrauensfrage im Bundestag] verliert, der Machtwechsel damit in
       greifbare Nähe rückt. Die Notlage festzustellen, bleibt aber auch eine
       Möglichkeit für die neue Regierung in der Zeit nach der Bundestagswahl.
       
       Die zweite Variante besteht darin, den Artikel 115 des Grundgesetzes zu
       ändern. „Für eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse jenseits der
       Notlage, etwa einen Fonds oder ein Sondervermögen für
       Infrastrukturinvestitionen, bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit in
       Bundestag und Bundesrat“, sagte der Wirtschaftsweise Truger. Das „ließe
       sich jetzt oder Anfang des kommenden Jahres anschieben“, pflichtete Ökonom
       Südekum bei.
       
       Zu dieser längerfristigen Lösung sagte Merz: „Es liegen Vorschläge vor. Die
       sind zum Teil nicht schlecht.“ Und fügte hinzu: „Man kann über die
       Schuldenbremse reden, aber nicht, indem man nur die Ausgaben einfach
       erhöht.“ Der CDU-Chef plädiert für parallele Ausgabenkürzungen, etwa beim
       Bürgergeld. Seine Bereitschaft, über diese Variante immerhin nachzudenken,
       mag daher rühren, dass Länder mit Unionsregierungen ebenfalls in der
       finanziellen Bredouille stecken. Nicht nur der Bund leidet unter
       Geldmangel.
       
       Allerdings ist, worauf Truger hinwies, für die grundsätzliche Reform der
       Schuldenbremse die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit nötig. Noch wäre
       diese vorhanden. Aber was geschieht nach der Bundestagswahl, wenn etwa FDP
       und Linke an der Fünfprozenthürde scheiterten, wodurch AfD und BSW auf über
       ein Drittel der Bundestagssitze kommen könnten? Dieses Argument spräche
       dafür, die Reform einzutüten, solange es noch möglich ist.
       
       2 Dec 2024
       
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 (DIR) Hannes Koch
       
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