# taz.de -- Sparpläne in Berlin: Glamour vor dem echten Leben
       
       > Schwarz-Rot agiert im Sparchaos dilettantisch. Doch durch die
       > Planlosigkeit schimmert eine größenwahnsinnige Big-City-Ideologie durch.
       
 (IMG) Bild: Nicht wenige wünschen sich bei den Protesten gegen die Kürzungen linke Politik zurück
       
       Angesichts des Chaos, das der nun seit fast einem Monat andauernde
       Sparkrimi in Berlin ausgelöst hat, könnte man bei den schwarzen und roten
       Konservativen in Abgeordnetenhaus und im Senat fast schon einen Fetisch für
       Austeritätspolitik vermuten. Man könnte mutmaßen, dass es ihnen Spaß macht,
       die ganzen sozialen Initiativen und Künstler:innen zappeln zu lassen –
       um dann gönnerhaft zu verkünden: Es kommt alles gar nicht ganz so schlimm.
       Letzteres haben die Haushälter von CDU und SPD [1][am Freitag getan], als
       sie die Sparliste überarbeitet und einige Kürzungsvorhaben umgeschichtet
       haben.
       
       Angesichts dessen, dass Kürzungen ein politisches Verliererthema sind und
       [2][auch ein Kai Wegner (CDU) gegen die Schuldenbremse ist], gibt es jedoch
       eine glaubwürdigere, alternative Erklärung: Schwarz-Rot weiß schlicht
       nicht, was es tut. Für die Big-City-Megalomanen bei CDU und SPD zählen nur
       die Leuchtturmprojekte, wo Sektempfänge und Blitzlichtgewitter warten. Zu
       den tatsächlichen wichtigen Projekten und Menschen aber, die in dieser
       Stadt jeden Tag aufs Neue den erodierenden sozialen Zusammenhalt notdürftig
       flicken und die Subkulturen dieser Metropole mit Leben füllen, hat
       insbesondere die CDU einfach keinen Draht.
       
       Dieser Dilettantismus löst eine Dynamik aus, in der sich letztlich die
       Stärkeren durchsetzen. So gab es zwar auch Solidarität unter den
       Kürzungsbetroffenen: Allein am vergangenen Mittwoch protestierten [3][5.000
       Menschen vor dem Abgeordnetenhaus]. Bei all den Notrufen schwang aber immer
       auch der hässliche Wettkampf mit, die eigene Bedeutung groß genug
       herauszustellen, um wenigstens sich selbst vielleicht doch noch zu retten.
       Und so wurden eben vor allem diejenigen nun nicht ganz so brutal
       weggekürzt, die über gute Kontakte zu Politik und Medien verfügen.
       
       ## Die alte Elitenideologie
       
       In der Kultur bedeutet das beispielsweise, dass mal wieder vor allem die
       großen Häuser zählen: die „Hochkultur“ eben. Wie sehr die
       nichtkommerziellen und alternativen Einrichtungen sowie die freien
       Kunstschaffenden seit dem Weggang von Ex-Kultursenator Klaus Lederer
       (damals Linke) ohne Alliierte in der Politik dastehen, dürfte sich
       jedenfalls spätestens jetzt auch für die Letzten offenbart haben: Beim
       Deutschem Theater, der Schaubühne oder dem Berliner Ensemble wird weniger
       gestrichen, dafür muss fast die gesamte Förderung für den Ausbau von
       Ateliers und Arbeitsräumen für freie Künstler:innen dran glauben.
       
       Kultursenator Joe Chialo (CDU) hatte am Sonntag sogar noch die Frechheit,
       die Verantwortung für das Auffangen der Folgen den großen Häusern
       aufzubürden. Der RBB-„Abendschau“ sagte er, die großen Häuser hätten nun
       die „Verpflichtung“, auch „die vulnerable freie Szene in ihrem Programm
       aufzugreifen“ und für Berlin so eine „tragfähige Kulturvielfalt zu
       schaffen“ – als seien es nicht seine eigenen Fraktionskolleg:innen
       gewesen, die die freie Kultur dem Spardiktat geopfert haben. Zu Recht
       stellte Thomas Ostermeier von der Schaubühne im gleichen Beitrag klar, dass
       die Kürzungen bei den freien Trägern „skandalös“ sind.
       
       Und so kristallisiert sich durch die ganze Planlosigkeit eben doch wieder
       die schwarz-rote Elitenideologie heraus: wenn auch eher indirekt, weniger
       in Form eines strategischen Kürzungsprojekts als durch ein bestimmtes
       Denken, auf wen gehört wird und auf wen nicht, woran gedacht wird und woran
       nicht.
       
       ## NFL oder Jugendarbeit?
       
       So darf sich Berlin Berichten zufolge darüber freuen, in der kommenden
       Saison ein Spiel der US-amerikanischen Football-Liga NFL auszurichten.
       Hurra! Die Welt zu Gast in Berlin! Für solche internationalen
       Sportereignisse lässt man natürlich problemlos 12,5 Millionen Euro springen
       – während man darüber feilscht, ob die Stadt nun eher bei
       Straßenbeleuchtung oder bei Kinderspielplätzen sparen sollte. Angesichts
       solcher Eskapaden muss man es so deutlich sagen: Eliteprojekte sind den
       Spitzen von SPD und CDU offensichtlich wichtiger als das tatsächliche Leben
       der Berliner:innen. So sieht eine Politik der sozialen Kälte aus, die den
       Bezug zur Realität verloren hat.
       
       Und auch an anderen Stellen schimmert die konservative Ideologie durch. Ein
       Klassiker sind die Parkgebühren: Ein Parkausweis für Anwohnende kostet in
       Berlin pro Jahr läppische 10,20 Euro, in Hamburg dagegen 65 Euro, in
       Münster sogar 260 Euro. Aber kommt irgendjemand in dieser autofanatischen
       Koalition auf die Idee, diese Subvention für fossile Fortbewegung zu
       streichen? Natürlich nicht. Derweil werden bei der freien Jugendarbeit
       trotz korrigierter Sparliste drei Millionen Euro gestrichen und der Preis
       für das BVG-Sozialticket für arme Berliner:innen von 9 auf 19 Euro
       erhöht.
       
       Wer weiß: Vielleicht freut sich ja irgendwo eine Franziska Giffey (SPD) in
       einer einsamen Wohnung bei einem Glas Sekt darüber, dass sie 2023 eine
       weitere rot-grün-rote Koalition verhindert hat. Selten hat die Abwesenheit
       linker Politik der Stadt und ihren Bewohner:innen so wehgetan.
       
       9 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sparplaene-in-Berlin/!6051481
 (DIR) [2] /Berliner-Landeshaushalt/!6047223
 (DIR) [3] /Kuerzungen-im-Jugend--und-Sozialbereich/!6050124
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
       
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