# taz.de -- Kulturkampf in der Slowakei: „Wir planen revolutionären Herbst“
       
       > Matej Drlička wurde als Generaldirektor des Slowakischen Nationaltheaters
       > in Bratislava abberufen. Verantwortlich dafür ist eine rechte
       > Kulturpolitik.
       
 (IMG) Bild: „Wir lieben Theater“ steht auf Matej Drličkas T-Shirt
       
       Bis vor wenigen Wochen leitete Matej Drlička, 48, das Slowakische
       Nationaltheater. Dann wurde er, gerade krank, von einem Tag zum nächsten
       als Generaldirektor abberufen. Seine Kündigung ist allem Anschein nach
       [1][politisch motiviert und Teil eines größeren Umbaus] durch
       Kulturministerin Martina Šimkovičová. Auch Alexandra Kusá, die Direktorin
       der Slowakischen Nationalgalerie, wurde zeitgleich entlassen. 
       
       taz: Matej Drlička, wie ist Ihre derzeitige Situation? Gehen Sie im
       Nationaltheater noch ein und aus?
       
       Matej Drlička: Ich habe kein Büro, keinen Zugang zu meinen Mails, keine
       Aufgaben mehr. Dort angestellt bin ich aber immer noch, wenn auch nicht
       mehr als Generaldirektor. Nun warte ich, dass die provisorische Direktorin
       auf mich zukommt und mir die finale Kündigung aushändigt.
       
       taz: Was machen Sie jetzt?
       
       Drlička: Ich stelle mich gerade beruflich neu auf. Kulturmanager und
       Veranstalter war ich schon zuvor, in diesen Bereichen will ich nun wieder
       tätig sein.
       
       taz: Planen Sie rechtliche Schritte gegen die Abbestellung?
       
       Drlička: Nein. Es würde nichts ändern, wäre ein Kampf gegen den
       Staatsapparat. Die slowakische Justiz ist nicht mehr unabhängig, ich hätte
       keine Chance.
       
       taz: Wer wird das Nationaltheater nun leiten?
       
       Drlička: Einstweilen Zuzana Ťapáková. Sie war zuvor Generaldirektorin des
       Privatsenders Markíza. Dort hat auch die amtierende Kulturministerin
       Martina Šimkovičová jahrelang als Moderatorin gearbeitet, bis sie wegen
       rassistischer Kommentare gefeuert wurde. Die beiden sind befreundet. Ob es
       eine Ausschreibung und ein Hearing geben wird, wie bei meiner Ernennung,
       weiß ich nicht. Wenn die Kulturministerin im Amt bleibt, kann Ťapáková wohl
       dauerhaft Generaldirektorin bleiben.
       
       taz: Stimmt es, dass Sie die Kündigung im Krankenstand, bloß im Bademantel
       bekleidet, entgegennehmen mussten?
       
       Drlička: Das ist richtig. Eine langjährige Mitarbeiterin des Ministeriums
       kam zu meinem Haus. Ich sagte ihr, dass ich die ausgesprochene Kündigung
       akzeptiere, nahm das zugehörige Schreiben aber nicht entgegen. Das Vorgehen
       und die Kündigung waren rechtmäßig. Es ist aber eine Frage des Anstands, ob
       man das wirklich so machen muss.
       
       taz: Welche Begründung wurde denn angeführt?
       
       Drlička: Es ist eine Liste an Nonsens und Lügen, die noch am selben Tag vom
       Ministerium veröffentlicht wurde. Allen voran, dass ich ein politischer
       Aktivist sei. Das ist eine glatte Lüge. Ich habe nie meine politischen
       Ansichten geteilt, weder in Interviews noch in den sozialen Medien. Auch
       das Theater war nicht politisch gefärbt. Ja, wir hatten auch Einladungen an
       Oppositionspolitiker:innen ausgesprochen, aber das ist Teil des
       Protokolls und der guten Manieren.
       
       taz: Welche anderen Gründe wurden angeführt?
       
       Drlička: Unter anderem ein Zwischenfall mit einem Kronleuchter. Zwei Monate
       vor meiner Absetzung fiel am Ende einer Opernaufführung ein kleiner
       Leuchter auf die Bühne. Zum Glück wurde niemand verletzt. Wir leiteten
       umgehend eine Untersuchung ein. Es stellte sich heraus, ein Techniker hatte
       einen Fehler gemacht. Wir haben ihn umgehend suspendiert und einen Bericht
       an das Ministerium geschickt. Damit war der Fall für uns erledigt. Jetzt
       nutzen sie den Vorfall gegen mich persönlich.
       
       taz: Šimkovičová sprach in Interviews etwa davon, dass LGBT-Rechte zur
       „Auslöschung der weißen Rasse“ führen würden. War der Ministerin Ihr
       Theater zu unbequem?
       
       Drlička: Es gab vor meiner Abbestellung keine Kritik direkt an uns. Diese
       Aussagen waren allgemeiner Natur. Auch ihre Parteikollegen haben sich
       derartig geäußert, sie haben auch Hass gegen die ungarische Minderheit
       geschürt. So schlimm wie mit der neuen Ministerin waren die Xenophobie und
       Homophobie aber noch nie.
       
       taz: Šimkovičovás rechtsextreme SNS ist die kleinste von drei Parteien in
       der slowakischen Regierung. Hat die Ministerin die volle Unterstützung von
       Premier Robert Fico? 
       
       Drlička: Man sieht nicht in die Köpfe hinein. Offiziell stellt sich Fico
       hinter sie, verteidigt sie gegen Kritik. Hinter vorgehaltener Hand wird der
       Unmut aber lauter.
       
       taz: Anfang August gingen Tausende Slowak:innen gegen die Kulturpolitik
       auf die Straße. Hat das etwas verändert? 
       
       Drlička: In der Regierung haben sie verstanden, dass die Ministerin zum
       Problem werden könnte. Der Druck war aber noch nicht groß genug. Deutlich
       größere Proteste gab es in den Vormonaten (als etwa der
       öffentlich-rechtliche Rundfunk RTVS neu gegründet wurde, Anm. d. Autors)
       und sie haben nichts direkt bewirkt. Allerdings wird seit einiger Zeit über
       einen Regierungsumbau verhandelt. Das könnte auch einen Wechsel im
       Kulturministerium bedeuten.
       
       taz: Und auch die Proteste sollen nach kurzer Pause nun weitergehen? 
       
       Drlička: Ja! Wir planen einen revolutionären Herbst. Hunderte Institutionen
       und Tausende Einzelne aus dem Kulturbereich beteiligen sich dabei. Bald
       wird es nähere Informationen dazu geben.
       
       taz: Auch zahlreiche Kulturinstitutionen im Ausland haben sich mit Ihrem
       Haus und anderen Betroffenen solidarisiert. Was sagen Sie dazu?
       
       Drlička: Auch wenn die Regierung das an sich abperlen lässt: Für uns ist
       das extrem wichtig. Auch psychologisch, weil wir uns nicht ganz so allein
       fühlen. Wir hoffen auch auf lautere Unterstützung durch die EU. Niemand
       will ein zweites Ungarn, denn dort ist der Kampf bereits verloren. Wir
       hatten bereits unserer Erfahrungen mit totalitären Regimen. Bei der Kultur
       beginnen sie immer zuerst einzugreifen.
       
       11 Sep 2024
       
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