# taz.de -- Rechtsruck in der Asylpolitik: Wo bleibt der Protest?
       
       > Nun kommt es zur Überbietungsschlacht, wer härter und umfassender
       > Abschieben will. Es wird Zeit, dass sich mehr Leute dagegen erheben.
       
 (IMG) Bild: Wird kaum beachtet: Abschiebung per Flugzeug vom Flughafen Hannover
       
       Seit über einem Jahr wird vor einem möglichen [1][Sieg von Rechtsextremen]
       bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland gewarnt. Jetzt stehen wir
       unmittelbar davor und der Rechtsruck ist längst da – und zwar in ganz
       Deutschland. Statt nach dem schrecklichen Attentat in Solingen
       populistischen Forderungen mit solidarischer Politik entgegenzutreten,
       gießen die Parteien von CSU bis hin zu den Grünen in einem irren
       Überbietungswettbewerb Öl ins Feuer.
       
       Friedrich Merz will keine Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan mehr
       aufnehmen. Olaf Scholz kündigte an, jetzt noch schneller abschieben zu
       wollen. Sein Parteigenosse, der Hamburger Innensenator Andy Grote,
       unterstützte das mit dem bemerkenswerten Spruch: „In Afghanistan wird nicht
       jeder geköpft.“
       
       Und auch eine Gruppe grüner Bundestagsabgeordneter forderte in einem Papier
       für eine „Zeitenwende in der Innenpolitik“ mehr Zusammenarbeit zwischen
       Bund und Ländern, mehr Geld und Kontrollbefugnisse für die
       Sicherheitsbehörden und vor allem: mehr Abschiebungen – was just [2][am
       Freitagmorgen mit einer Sammelabschiebung nach Afghanistan auch geschah.]
       
       Das Ausmaß an Faktenfreiheit, Ideologie und Missachtung des Grundgesetzes,
       mit dem in diesen Tagen über den Umgang mit Geflüchteten diskutiert wird,
       ist nur noch gruselig. Wollten die Parteien islamistische Hasskriminalität
       bekämpfen, könnten sie auf Erkenntnisse der Kriminologie hören: Unwürdige
       Lebensbedingungen wie etwa in Flüchtlingslagern begünstigen, dass Menschen
       sich radikalisieren und gewaltbereit werden. Das soziale Umfeld ist
       entscheidend dafür, wer zum Täter wird.
       
       ## Die Abschiebe-Offensive läuft längst
       
       Das wirklich Irre an der Debatte ist aber, dass sie auf dem rhetorischen
       Strohmann basiert, es gäbe keinen ausreichenden Willen zu Abschiebungen.
       Dabei hat Olaf Scholz es bitterernst gemeint, als er im letzten Winter eine
       Abschiebe-Offensive „im großen Stil“ forderte: Schon in der ersten
       Jahreshälfte 2024 gab es 20 Prozent mehr Abschiebungen als im gleichen
       Zeitraum des Vorjahres. Trotzdem schaffen es rechte Kräfte mit diesem
       Strohmann, Politikern immer radikalere Forderungen nach Abschiebungen zu
       entlocken.
       
       Während noch im Januar bundesweit Millionen auf die Straße gingen, um gegen
       die Deportationspläne der AfD zu demonstrieren, fragt man sich: Wo bleiben
       diese Leute jetzt? Die Forderungen nach noch mehr Abschiebungen in noch
       gefährlichere Länder bedeuten nämlich in der Realität nichts anderes als
       das: Deportationen von schutzbedürftigen Menschen, die gegen ihren Willen
       vom deutschen Staat in Kriegs- und Krisengebiete gebracht werden.
       
       Diese Menschen, die sich im Januar gegen den Rechtsruck stellten, braucht
       es jetzt dringender denn je, um für mehr Menschlichkeit und das Grundrecht
       auf Asyl einzustehen. Niedersachsens Flüchtlingsrat macht es am Freitag
       vor: Wie jedes Jahr ruft er zu einer Demonstration gegen Abschiebungen am
       Flughafen Hannover-Langenhagen und dem benachbarten Abschiebegefängnis auf.
       
       Das kommt genau richtig. Denn gerade nach dem furchtbaren Attentat in
       Solingen ist es wichtig, sich nicht auf einfache Parolen wie „Ausländer
       raus“ oder „Messer verbieten“ einzulassen, sondern tatsächlich für eine
       sichere und solidarische Gesellschaft einzustehen – und zwar gerade hier im
       Norden, wo sich der Rechtsruck noch nicht in den Parlamenten abbildet wie
       in Ostdeutschland. Das sind wir auch denen schuldig, die dort reale
       Gefahren eingehen, um sich gegen die Rechten zu stellen.
       
       30 Aug 2024
       
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 (DIR) Marta Ahmedov
       
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