# taz.de -- Presse- und Meinungsfreiheit: Hat die Gesellschaft noch Bock drauf?
       
       > Kürzlich verbot Nancy Faeser „Compact“. Das rechte Magazin selbst hat
       > jetzt Klage dagegen eingereicht. Das ist gut so.
       
 (IMG) Bild: Setzt derzeit wenig auf Argumente, mehr auf Härte: Nancy Faeser, Bundesinnenministerin
       
       Bisher lässt sich über den diesjährigen deutschen Sommer nicht viel
       meckern. Wettermäßig benimmt er sich zwar wie ein opportunistischer
       Wechselwähler, politisch aber liefert er ab: verweigert den befürchteten
       Nationalismusschub durch die Fußball-EM, versorgt US-Berater*innen im
       Prenzlauer Berg mit jeder Menge Stoff für falsche Prophetie („Das war’s!
       Diesen Mann kann niemand mehr schlagen“), und der Bundesinnenministerin
       gibt er den Raum, sich mit Rechtsextremist*innen, [1][Islamist*innen]
       und Klimaaktivist*innen anzulegen.
       
       Ob in der Auseinandersetzung mit den Rechten die Innenministerin und die
       Demokratie als Gewinnerinnen vom Platz gehen oder die Truppe rund um Jürgen
       Elsässer und sein [2][Magazin Compact], ist noch unentschieden.
       
       Die einen feiern das [3][Verbot von Compact]mit den Worten Nancy Faesers
       als einen „Schlag gegen den Rechtsextremismus“. Die anderen warnen vor zu
       früher Freude und kritisieren die dünne Argumentation, mit der das BMI
       einen eklatanten staatlichen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit
       legitimiert habe.
       
       Ich stehe in dieser Frage in der Ecke der Kritiker. Zum einen, weil ich
       finde, dass man da als Journalist*in sowieso immer besser aufgehoben
       ist. Zum anderen finde ich zwar auch, dass man besser früher als später
       drohendes Unheil bekämpft, aber der Eingriff des BMI wirft eine Frage auf,
       die kaum offen gestellt wird: Hat diese Gesellschaft noch Bock auf die
       bisher in der Verfassung festgehaltene, sehr weit gehende Definition von
       Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit in Deutschland?
       
       ## Wenige Argumente, viel Härte
       
       All die Debatten über die Macht der Sprache in den letzten Jahren – die
       Frage der praktischen Auswirkung von hatespeech, toxischen Wörtern und
       hetzerischer Rhetorik der Rechten – laufen darauf hinaus.
       
       Ich finde es daher sehr gut, dass die rechtsextremen Kretins Klage gegen
       das Compact-Verbot eingereicht haben. Denn wie auch immer das
       Bundesverwaltungsgericht entscheidet, die Verhandlungen werden eine gute
       Grundlage bieten, um ausgerechnet im [4][75. Jubiläumsjahr der
       bundesrepublikanischen Verfassung] darüber zu diskutieren, ob die Presse-
       und Meinungsfreiheit, wie sie das Grundgesetz bisher garantiert, Segen oder
       Fluch für eine freiheitliche Gesellschaft ist. Also darüber, wie viel
       Freiheit in Presse- und Meinungsfreiheit noch stecken soll.
       
       Nancy Faeser aber setzt derzeit wenig auf Argumente, mehr auf Härte. Als
       wäre dieses Wochenende Einsendeschluss für die Leistungsnachweise ihrer
       Amtszeit, nahm sie sich am Ende auch noch die Klimaaktivist*innen
       vor. Flughäfen zu blockieren, so sagte sie, sei [5][„gefährlich, dumm und
       kriminell“], und drohte, Flughäfen stärker gesetzlich zur Verbesserung der
       Sicherheit zu verpflichten.
       
       ## EC-Karte geklaut
       
       Ich hätte mir diese Woche noch eine weitere beherzte Ansage von der
       Innenministerin gewünscht. Meine [6][EC-Karte] wurde nämlich geklaut, und
       trotz sofortiger Sperrung wurden mit der Karte tagelang Waren im Wert von
       über 3.000 Euro gekauft. Wie das geht? Kann mir weder die Bank noch die
       Polizei erklären. Nur, dass Kartenzahlung ohne PIN, nur mit Unterschrift,
       auch dann geht, wenn die Karte gesperrt ist.
       
       Sperrung bedeutet nicht Sperrung? Die Auskunft „Ihre Karte ist jetzt
       gesperrt“ bedeutet also nicht, dass die Karte jetzt gesperrt ist? Und das
       soll weniger gefährlich, dumm und kriminell sein?
       
       Ich wünsche mir eine faesersche Ansage: verschärfte gesetzliche Pflichten
       zur Sicherheit bei EC-Karten. [7][Geht auch in einem Tweet]: „Heute habe
       ich Banken und Händlern verboten, gesperrte Karten nicht ganz zu sperren.
       Ab sofort ist die Bezahlung mit Unterschrift nicht mehr möglich.“ Sicher,
       die Rechten würden die nächste Debatte über die Verbotspolitik der
       Innenministerin vom Zaun brechen. In diesem Fall aber stünde ich komplett
       hinter ihr.
       
       29 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Islamisches-Zentrum-in-Hamburg/!6025832
 (DIR) [2] /Verbotsverfuegung-gegen-Compact-Magazin/!6024670
 (DIR) [3] /Verbot-vom-Compact-Magazin/!6022327
 (DIR) [4] /Staatsakt-zu-75-Jahren-Grundgesetz/!6009248
 (DIR) [5] https://x.com/NancyFaeser/status/1816350489107218506
 (DIR) [6] /Cash-oder-Karte/!5995953
 (DIR) [7] https://x.com/NancyFaeser/status/1813082635390099660
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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