# taz.de -- Abschiebestopp von ÊzîdInnen: Niedersachsen will Vorbild sein
       
       > Auf der Innenministerkonferenz wirbt Niedersachsens Innenministerin für
       > einen bundesweiten Abschiebestopp von êzîdischen Frauen und Kindern.
       
 (IMG) Bild: Abschiebestopp schützt êzîdische Frauen und Kinder davor: Unterbringung von Asylbewerbern in Abschiebehaft am Flughafen Hannover
       
       Bremen taz | Auf der am heutigen Mittwoch beginnenden dreitägigen
       Innenministerkonferenz in Potsdam will sich Niedersachsens Innenministerin
       Daniela Behrens (SPD) für einen [1][bundesweiten Abschiebestopp] von
       êzîdischen Frauen und Kindern in den Irak einsetzen.
       
       „Bei allen Debatten über eine verbesserte Rückführungspraxis dürfen wir
       nicht aus dem Blick verlieren, dass das Asylrecht existiert, um diejenigen
       zu schützen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten müssen“, sagte
       Behrens im Vorfeld der Konferenz. Frauen und Kindern êzîdischen Glaubens
       drohten im Irak nach wie vor schreckliche Gewalttaten, Zwangsprostitution
       und Verschleppung. Aus diesem Grund hatte Niedersachsen Anfang Juni einen
       Abschiebestopp verhängt, der nach Behrens’ Willen Vorbild für eine
       bundesweite Regelung sein soll.
       
       Nach langen Protesten von Flüchtlingsinitiativen und Betroffenen hatte
       Niedersachsen den bis Anfang September geltenden [2][Abschiebestopp] für
       die Angehörigen der ethnisch-religiösen Minderheit beschlossen. Allerdings
       gilt er nicht für alle ÊzîdInnen: Ausgenommen sind StraftäterInnnen,
       Personen, die die Behörden als ExtremistInnen einschätzen, und solche, die
       sich der Klärung ihrer Identität „hartnäckig“ verweigern.
       
       Ebenso können alleinstehende Männer weiter abgeschoben werden. Warum das so
       ist, erklärt das Innenministerium auf Nachfrage nicht. Die Regelung gilt
       aber für die gesamte sogenannte Kernfamilie der Betroffenen, damit in der
       Regel auch für Väter. Dabei orientiert sich Niedersachsen an Regelungen,
       die einige andere Bundesländer zuvor beschlossen hatten.
       
       Im Zuge des verhängten Abschiebestopps kritisierte Behrens auch das
       Vorgehen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF): „Denn obwohl
       der Bundestag die Verbrechen des IS an den Êzîdinnen und Êzîden als
       Völkermord anerkannt hat, lehnt das BAMF Asylanträge von êzîdischen
       Personen aus dem Irak regelmäßig als unbegründet ab“, sagt Behrens. Sie
       empfinde es als höchst unbefriedigend, dass die Länder hier überhaupt
       [3][eigene Regeln schaffen] müssen. Grundsätzlich können die Länder solche
       Abschiebestopps nur befristet auf drei Monate verhängen und höchstens ein
       weiteres Mal verlängern.
       
       Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hält den beschlossenen
       temporären Abschiebestopp für überfällig und für einen ersten Schritt. Er
       hoffe sehr, „dass die Innenministerkonferenz eine bundesweite Regelung zum
       Verbleib von ÊzîdInnen in Deutschland beschließen wird“.
       
       Denn anders als von den zuständigen Behörden öfters behauptet, gebe es für
       ÊzîdInnen im Irak keine sogenannten inländischen Fluchtalternativen. So
       würden Abschiebungen als vertretbar damit begründet, dass ÊzîdInnen zwar
       nicht in ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet Shingal (Sinjar) im Nordirak
       zurückkehren können, aber in anderen Landesteilen keine Verfolgung drohe.
       „Das zielt immer auf einen mythischen dritten Ort im Herkunftsland, in dem
       ein verfolgungsfreies Leben möglich sein soll“, sagt Weber. „Dieses Leben
       findet faktisch aber nicht statt.“
       
       Eine Ausübung der Religion als Gemeinschaft sei an diesen Orten nicht
       möglich, zumal die Erinnerungen des Genozids für alle ÊzîdInnen präsent
       seien. Noch immer lebten heute viele ÊzîdInnen im Irak in
       Massenunterkünften, die 2014 als Nothilfslager geschaffen wurden.
       
       18 Jun 2024
       
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