# taz.de -- Linker Franz Pfemfert: Zum Glück zufällig Fotograf
       
       > Bekannt ist Franz Pfemfert als linker Aktivist und Publizist der Weimarer
       > Republik. Ein neues Buch zeigt: Als Fotograf porträtierte er sein Umfeld.
       
 (IMG) Bild: Franz Pfemfert und Thea Sternheim im Jahr 1924. Sie brachte ihm das Fotografieren bei
       
       Meret Oppenheim war 24 Jahre alt. Die Rückseite ihres wunderschönen
       schwarz-weißen Porträts informierte über Ort und Jahr der Aufnahme: Paris,
       „Photo Dorit“, 1937. Sowie über den Fotografen: Franz Pfemfert. Zu ihm
       notierte die [1][später berühmte Schweizer Künstlerin]: „Er kam mit Frau
       als Emigrant aus Berlin. War Redakteur von Die Aktion. Sie waren sehr lieb
       zu mir. Ich arbeitete dort 2–3 Monate als ‚Empfangsfräulein‘, um etwas zu
       verdienen. Ging dann endgültig nach Basel.“
       
       Mit großem Erstaunen und Interesse werden selbst ausgewiesene Kenner der
       literarisch-politischen Szene vor dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer
       Republik nicht nur dieses Foto betrachten. Wahrgenommen wurde [2][Franz
       Pfemfert (1879–1954) bislang nämlich hauptsächlich als politischer
       Aktivist], als Herausgeber und Verleger der Zeitschrift Die Aktion. Obwohl
       er, wie der Frankfurter Literaturwissenschaftler Eckhardt Köhn feststellt,
       „von 1927 bis 1954, also über die Hälfte seines produktiven Lebens, als
       professioneller Porträtfotograf gearbeitet hat“.
       
       Auch wenn kein Nachlass existiert – einzelne seiner Porträts wurden für
       Buchumschläge von Werken des Dichters Gottfried Benn, des Schriftstellers
       und Weggefährten Oskar Kanehl, des Philosophen Karl Korsch oder [3][der
       Architektin Margarete Schütte-Lihotzky] genutzt –, hat sich Köhn mit diesen
       wenigen fotografischen Belegen nicht begnügt.
       
       ## Spurensuche bis ins Exil
       
       Köhn hat sich im fünften Band seiner Reihe „Fotofalle“ zu ungeklärten
       Fällen in der deutschen Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts Pfemfert
       gewidmet. Der Marginalisierung von Pfemferts Arbeit als Fotograf hat Köhn
       eine akribische Spurensuche entgegengesetzt, die, von Berlin ausgehend,
       auch die verschiedenen Stationen von Pfemferts erzwungenem Exil
       berücksichtigt.
       
       Um dem „Phänomen Pfemfert“ auf die Spur zu kommen, stellt Köhn seinen
       Recherchen eine Selbstaussage Pfemferts voran; in einem Brief an den
       [4][Anarchisten Rudolf Rocker] hatte er im Juli 1948 geschrieben: „Was aus
       mir, aus uns geworden wäre, wenn ich nicht zum Glück zufällig ‚Photograph‘
       geworden wäre, ist rätselhaft.“
       
       Köhn zeigt, wie die Fotografie Eingang in die von Pfemfert herausgegebene
       Berliner Zeitschrift Die Aktion fand. Als „Zeitschrift für freiheitliche
       Politik und Literatur“, so ihr erster Untertitel, wandte sie sich gegen
       Nationalismus, Militarismus und Spießertum. Zahlreiche expressionistische
       Künstler wie Conrad Felixmüller, Egon Schiele, Karl Schmidt-Rottluff und
       Autoren wie Carl Einstein, [5][Franz Jung] oder Else Lasker-Schüler wurden
       hier – wenngleich honorarfrei – gedruckt. Köhn liefert mehrere Beispiele
       für Pfemferts Bild-Text-Montagen, die dieser gerne dazu benutzte,
       [6][Vertreter der Sozialdemokratie zu attackieren], vor allem Philipp
       Scheidemann, aber auch den Reichspräsidenten Friedrich Ebert.
       
       ## Pfemfert lernt Photographieren
       
       Pfemfert, der sich nach dem Ersten Weltkrieg vom Expressionismus abgewandt
       hatte, zählte zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen
       Arbeiter-Partei Deutschlands (KAPD). Von dieser trennte er sich im Oktober
       1921, um die antiparlamentarische Organisation Allgemeine Arbeiter-Union –
       Einheitsorganisation (AAUE) mitzugründen.
       
       Während seine Zeitschrift sich immer stärker in eine Plattform politischer
       Texte revolutionär-sozialistischen Inhalts wandelte und zunehmend an
       Bedeutung verlor, hatte sich Pfemfert bei seiner Freundin Thea Sternheim
       (1883–1971), die er als „Meisterin der Lichtbildnerei“ bezeichnete,
       autodidaktisch fortgebildet. So dass er in der eigenen Zeitschrift
       behauptete, er könne „auf die Platte bannen, was da kreucht und fleucht“.
       Als illustrierenden Beleg wartet Köhn mit einem herrlichen Foto auf, das
       die Bildunterschrift „Pfemfert lernt Photographieren“ trägt. Es zeigt die
       freundschaftlich-lächelnde Sternheim und den schmallippigen Anlernling mit
       seiner „Ango“-Klappkamera.
       
       ## „Arbeiter haben Vorzugspreise“
       
       In der Nassauischen Straße 17 in Berlin-Wilmersdorf, dort wo heute in
       Erinnerung an Franz Pfemfert eine Gedenktafel angebracht ist, eröffnete er
       1927 seine „Werkstatt für Porträt-Photographie“. In Die Aktion warb er
       dafür mit Anzeigen. Zu den dort Porträtierten zählten Schriftsteller wie
       Arthur Holitscher und Carl Sternheim, der Journalist Maximilian Harden, der
       Schauspieler Alexander Granach, aber auch politische Weggefährte,
       vornehmlich aus dem anarchistischen und linkskommunistischen Umfeld.
       
       Pfemfert porträtierte Alexander Berkman, Emma Goldman und Karl Korsch.
       Ausdrücklich vermerkten die Anzeigen: „Arbeiter haben Vorzugspreise.“
       Pfemfert pries die „Herstellung sachlicher, lebenswahrer Bildnisse an“, zu
       ihnen gehören auf jeden Fall die Porträts des belgischen Künstlers Frans
       Masereel und des Schriftstellers Karl Kraus.
       
       ## Mehr schlecht als recht überleben
       
       Nach der [7][Machtübertragung an die Nationalsozialisten] mussten Franz
       Pfemfert und seine Frau Alexandra aus Deutschland fliehen. Seine
       Bibliothek, sein gesamtes Archiv, Manuskripte, Korrespondenzen und Grafiken
       wurden von den Nationalsozialisten geraubt. Köhn folgt seinem Protagonisten
       zuerst ins tschechische Exil. Nach Karlsbad, wo das Ehepaar erneut ein
       Studio mit dem Namen „Photo Dorit“ eröffnete.
       
       Aus den dort entstandenen Porträts ragen die Aufnahmen der Schriftsteller
       André Gide und Balder Olden sowie der jungen Architektin Margarete
       Schütte-Lihotzky heraus. Am 8. Juni 1935 wurde den Pfemferts die deutsche
       Staatsangehörigkeit entzogen, ihre weiteren Exilstationen waren seit
       Oktober 1935 Paris, seit 1941 Mexiko-Stadt. Auch dort führten sie kleine
       Fotostudios, mit denen sie mehr schlecht als recht überleben konnten.
       
       Rückblickend resümierte Pfemfert wenige Jahre vor seinem Tod: „Nur eines
       und das Wichtigste ist uns geblieben: die Unabhängigkeit! Wir haben sie uns
       bewahrt.“
       
       Eckhardt Köhn bewahrt mit seiner reich illustrierten Monografie zu Franz
       Pfemfert die Erinnerungen an einen Mann, der nicht nur ein streitbarer
       Publizist, sondern ein zu Unrecht kaum beachteter Porträtfotograf war.
       Neugierige Fotoenthusiasten werden Köhn allzu gern in die nächste
       „Fotofalle“ tappen.
       
       14 Aug 2023
       
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