# taz.de -- Berliner Haushalt: Angst vor dem Schwarz-Rot-Stift
       
       > Der Senat präsentiert am Dienstag seine Eckpunkte für den Doppelhaushalt
       > 2024/25. Schon vorher ist viel von der Notwendigkeit des Sparens zu
       > hören.
       
 (IMG) Bild: Protest in Neukölln gegen Sparpolitik, die vor allem Kinder und Jugendliche treffen könnte
       
       BERLIN taz | Kurz bevor der Senat am Dienstag den Entwurf des Haushalts für
       die nächsten beiden Jahre verabschieden wird, fühlt man sich an die
       beginnenden 2000er Jahre erinnert. Einer rigiden Sparpolitik – „bis es
       quietscht“ – wurde damals jeder politische Gestaltungswille untergeordnet.
       Die Verteilungskämpfe kannten nur Verlierer; die Stadt brauchte lange, um
       sich zu erholen, und hat es etwa beim verkauften Wohnungsbestand oder der
       kaputt gesparten Verwaltung bis heute nicht geschafft.
       
       Nun kursieren wieder drastische Zahlen: 6 Milliarden Euro, die
       Finanzsenator Stefan Evers (CDU) einsparen will; 150 Millionen Euro zu
       wenig für die Bezirke, die dann vor allem bei Jugend- und
       Präventionsangeboten kürzen müssen, auch beim Radwegeausbau, bei Angeboten
       für Obdachlose etc.
       
       Woher diese Sparstimmung? Zuletzt hatten [1][Haushaltsaufstellungen kaum
       mehr zu größeren Einsparungen] geführt. Jahr für Jahr konnte mehr Geld
       verteilt werden. Und ein Blick auf die jüngste Steuerschätzung verrät:
       Berlin kann mit stabilen Steuereinnahmen rechnen. 28 Milliarden Euro für
       2023, 29,3 Milliarden für 2024 und 30,7 Milliarden für 2025. Das ist ein
       Rekordhoch, 2015 lagen die Steuereinnahmen lediglich bei der Hälfte – 15,4
       Milliarden Euro. Der Linken-Hausaltspolitiker Steffen Zillich sagt daher:
       „Die Erzählung von leeren Kassen ist Quatsch.“ Zudem gebe es „gut gefüllte
       Rücklagekassen“ aus den vergangenen Jahren.
       
       ## Haushaltsvolumen bleibt stabil
       
       Das Haushaltsvolumen von jeweils etwa 38 Milliarden Euro im vergangenen und
       in diesem Jahr wird sich dementsprechend auch für die kommenden beiden
       Jahre wohl nicht verringern, sondern eher in Richtung 40 Milliarden
       erhöhen. Gleichwohl steht Berlin vor einigen Herausforderungen. So werden
       bestimmte Zuschüsse des Bundes wegen der Folgen der Coronapandemie und des
       Ukrainekrieges nicht mehr im gleichen Maße fließen. Die Hauptstadt steht
       damit vor der Frage, ob krisenbedingt erhöhte Ausgaben, etwa die erstmalige
       [2][Einrichtung von ganztägig geöffneten Obdachlosenunterkünften], weiter
       finanziert werden.
       
       Ein großes Thema ist die Inflation, die sich zwar in höheren
       Steuereinnahmen niederschlägt, aber auch die Kosten in die Höhe treibt.
       Besonders die Löhne ziehen dadurch an. Die im Mai für Bund und Kommunen
       vereinbarten Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst von 5,5 Prozent geben
       bereits einen Vorgeschmack darauf, dass auch bei den Tarifverhandlungen für
       die Landesbeschäftigten, die im September anstehen, deutliche
       Lohnerhöhungen zu erwarten sein werden.
       
       Bei freien Trägern, die im Auftrag der Stadt arbeiten, stellt sich die
       Frage, inwiefern der neue Haushalt die Inflation auffangen kann. Jede
       Erhöhung, die unter der Inflation von 7,9 Prozent in 2022 zurückbleibt,
       bedeutet Einschnitte und real sinkende Löhne. Dies gilt für alle Bereiche:
       Auch übliche durchschnittliche Fortschreibungen, also eine Erhöhung des
       Haushals von 2 bis 3 Prozent, sind angesichts höherer Material-, Energie-
       und Personalkosten faktisch Kürzungen.
       
       Beispiel Hochschulen: Schwarz-Rot hatte ihnen im Koalitionsvertrag 5
       Prozent mehr in Aussicht gestellt. Doch diese Mittel würden wohl von
       Tarifsteigerungen und von der Inflation für den Status quo aufgebraucht.
       Dabei sollten die Hochschulen dringend mehr Lehrer*innen ausbilden –
       wofür es deutlich mehr Geld bräuchte.
       
       ## Sparen für Schwarz-rote Akzente
       
       Klar ist: Die Koalition hat ähnlich viel Geld wie Rot-Grün-Rot zur
       Verfügung, wird aber wohl kaum deren Politik komplett fortführen. Der Senat
       muss irgendwo sparen und abknappsen, um eigene Akzente zu setzen. Etwa für
       das [3][29-Euro-Ticket – eins der zentralen Wahlkampfthemen der SPD], das
       nach Schätzungen rund 300 Millionen kosten könnte. Oder die 1,5 Milliarden
       jährlich, mit denen [4][Schwarz-Rot den Bau von Sozialwohnungen]
       subventionieren will. Oder die versprochenen 20 Millionen, die als
       Konsequenz aus der Silvesternacht in die Jugendarbeit fließen sollten und
       [5][mit denen Träger eigentlich längst gerechnet] hatten.
       
       Neben realen Einsparungen gibt es Spielraum über die „pauschalen
       Minderausgaben“ – das sind Mittel, die eigentlich für Investitionen oder
       Personal fest eingeplant sind, dann aber nicht abgerufen und umgewidmet
       werden. Wie sehr sich Finanzsenator Evers (CDU) auf diese Minderausgaben
       verlässt, dürften bereits die Eckpunkte des Entwurfs am Dienstag andeuten.
       
       Weiteren Spielraum gibt das [6][bereits vereinbarte schuldenfinanzierte
       Sondervermögen für den klimaneutralen Umbau] der Stadt. Schwarz-Rot hat
       dafür für 2023 5 Milliarden Euro vorgesehen, weitere 5 könnten 2024 folgen.
       Allerdings ist das Sondervermögen aktuell nicht Teil der
       Haushaltsplanungen. Eckpunkte dafür stehen im Koalitionsvertrag, es ist
       aber weiterhin offen, was genau die Koalition darüber finanzieren wird. Da
       der Koalitionsvertrag dort auch die „Ausweitung bestehender Programme für
       öffentliche Gebäude und Zweckbauten“ listet, könnte etwa auch der Schulbau
       darunter falllen.
       
       ## Wege abseits der Schuldenbremse
       
       Neue Schulden darf Berlin [7][angesichts der Schuldenbremse] nicht machen.
       Die Frage ist also, wie weiter investiert werden soll. Die erste
       rot-rot-grüne Koalition hatte 2016 noch das „Jahrzehnt der Investitionen“
       ausgerufen. Erreicht wurde das auch über Schuldenaufnahmen der
       Landesbetriebe, die nicht unter das Verbot fallen. Ob die Koalition dieses
       Schlupfloch nutzt, ist noch nicht klar.
       
       Die gestiegenen Zinsen stellen laut Haushaltssprecher Zillich von den
       Linken trotz eines Schuldenstands von etwa 60 Milliarden Euro kein
       unmittelbares Haushaltsrisiko dar. Grund sei ein „sinnvoll strukturiertes
       Schuldenportfolio mit langen Laufzeiten“. Das heißt, nur ein Teil der
       Kredite muss in den nächsten zwei Jahren zu dann höheren Zinszahlungen neu
       aufgenommen werden.
       
       Obwohl der kommende Haushalt kaum Spielräume bietet, wird es nicht zu einer
       30-prozentigen Kürzung aller Senatshaushalte kommen, die vor zwei Wochen im
       Raum stand. „Das hätte es ja selbst unter Sarrazin nicht gegeben“,
       beschwichtigt Christian Goiny, haushaltspolitischer Sprecher der CDU.
       
       Vielmehr müssten die Bedarfe der Senatsverwaltungen den Kapazitäten des
       Haushaltes angepasst werden. So bezieht sich auch das angebliche
       Haushaltsloch von 6 Milliarden Euro auf die angemeldeten Bedarfe der
       Senatsverwaltungen, es bedeutet nicht in jedem Fall, dass etwas wegfallen
       muss. Doch auch ausbleibende Erhöhungen bedeuten in diesen Zeiten
       Kürzungen.
       
       9 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] /Schwarz-Rote-Verhandlungen-in-Berlin/!5917505
 (DIR) [4] /Gefoerderte-Wohnungen-in-Berlin/!5939511
 (DIR) [5] /Silvesterrandale-in-Berlin/!5937406
 (DIR) [6] /Milliarden-fuer-den-Klimaschutz-in-Berlin/!5922511
 (DIR) [7] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Glossareintraege/S/Schuldenbremse.html?view=renderHelp
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
 (DIR) Benjamin Probst
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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