# taz.de -- AfD und Kulturpolitik: Rechte Angriffe auf die Kunst
       
       > Nach der Sonneberg-Wahl: Was das Erstarken einer rechtsextremen Partei
       > für die Kunstfreiheit bedeutet, liest man in Peter Laudenbachs
       > „Volkstheater“.
       
 (IMG) Bild: Rapper Trettmann von der Menge getragen: „Wir sind mehr“-Demo in Chemnitz
       
       „Wir sind mehr“ – erinnern Sie sich noch? [1][2018 organisierten
       MusikerInnen ein Soli-Konzert in Chemnitz], um gemeinsam mit 65.000
       BesucherInnen ein Zeichen gegen rechts zu setzen. „Wir sind mehr“ könnte
       sich heute, fünf Jahre später, leider auch die AfD auf die Fahne schreiben.
       Zwar 160 Kilometer entfernt von Chemnitz in Thüringen, nicht in Sachsen und
       dort „nur“ in Ostdeutschlands einwohnerschwächstem Landkreis, aber dennoch.
       Sonneberg hat mit Robert Sesselmann einen Landrat aus einer rechtsextremen
       Partei gewählt.
       
       Welche Auswirkungen das Erstarken der AfD hat, zumindest auf
       kulturpolitischer Ebene, davon lässt sich ein aufschlussreiches Bild
       gewinnen, liest man „Volkstheater“ von Peter Laudenbach. In ihm untersucht
       der Journalist und Autor rechte Angriffe auf Kulturinstitutionen zwischen
       2016 und 2021 im gesamten Bundesgebiet.
       
       Anhand von über hundert Beispielen zeigt Laudenbach auf, dass rechte
       Übergriffe auf die Kunstfreiheit kein rein ostdeutsches Phänomen in der
       Bundesrepublik sind, sondern landesweit stattfinden. Neben Anträgen zu
       Budgetkürzungen, die die Arbeit von Institutionen erschweren würden, häufen
       sich auch direkte Angriffe in Form eingeworfener Scheiben, Bombenattrappen
       und Morddrohungen.
       
       Von rechten Aggressionen betroffen sind vor allem AkteurInnen, die sich mit
       der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und dem aufkeimenden
       Rechtsextremismus beschäftigen, sowie jene, die [2][Projekte zu Themen wie
       Migration und Diversität fördern.] Auch vor Einzelpersonen wird nicht Halt
       gemacht; so erhielten unter anderem die [3][Aktivistin Jasmina Kuhnke], die
       Kabarettistin İdil Baydar und der Pianist Igor Levit [4][Morddrohungen an
       ihre Privatadressen].
       
       ## Angriffe auf die Grundlagen einer Demokratie
       
       Rechte Aktivitäten mögen zwar kein ostdeutsches Problem per se sein, „der
       Zusammenhang zum Aufstieg der AfD ist aber evident“, schreibt Laudenbach.
       40 Prozent der in einer Studie der Universität Kassel befragten
       Bundesverbände sowie 57 Prozent der Landesverbände sehen demnach ein
       zunehmendes Gefahrenpotenzial, besonders dort, wo der Zweitstimmenanteil
       der AfD hoch ist, und das betrifft vorneweg die „neuen“ Bundesländer.
       
       Das unterstreicht auch eine neue [5][Studie des
       Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) der Universität Leipzig]. Ihre
       Ergebnisse zeichnen ein erschreckendes Bild: Nicht nur sei eine
       Verschwörungsmentalität in Ostdeutschland verbreitet, auch sehnten sich
       dort viele nach einem autoritären Staat. Rechtsextreme Einstellungen
       konnten dabei besonders in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
       festgestellt werden.
       
       Die rechten Bedrohungsszenarien dienen nicht nur dazu, Institutionen und
       Einzelpersonen einzuschüchtern, wenngleich die Bedrohung hier reale
       Menschen und ihre Angehörigen trifft, sie richteten sich allgemein gegen
       „Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft“, schreibt Laudenbach. Dass
       diese Attacken – von denen eine Auswahl im Buch protokolliert ist –
       besonders in überregionalen Medien zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, sie zu
       oft zu Einzelfällen stilisiert werden, kritisiert er.
       
       Zwar seien es nicht AfD-PolitikerInnen, die diese Anschläge verübten,
       Aussagen, die die „Entsiffung des Kulturbetriebs“ oder einen „Kulturkampf“
       betonten – deren sich etwa der kulturpolitische Sprecher der
       AfD-Bundesfraktion Marc Jongen und der AfD-Extremist Björn Höcke bedienten
       –, legitimierten aber Hass und Gewalt gegenüber jenen, die sich für eine
       demokratische Gesellschaft einsetzen.
       
       Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer, den Laudenbach hierfür zitiert, bezeichnet
       dies als „Modell der Bedrohungsallianzen“. Nach diesem gibt es AkteurInnen,
       die ihre öffentliche Bühne nutzen, um gegen alles zu polemisieren, was
       nicht in ihr Weltbild passt. Andere wiederum sähen sich dadurch in ihrer
       Haltung bestätigt und zum Handeln berufen. Was darauf folgt, zeigen unter
       anderem der Mord an Walter Lübcke sowie die Anschläge in Halle und Hanau.
       
       Ein „Wir sind mehr“-Aufkleber ziert das Cover von Laudenbachs Buch. Damit
       das auch so bleibt, müssen wir uns dem Problem des wachsenden
       Rechtsextremismus künftig noch aufmerksamer zuwenden.
       
       2 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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