# taz.de -- Streit um Expert*innenkommission: Enteignung des Wählerwillens
       
       > Kurz vor ihrer ersten inhaltlichen Sitzung gerät die
       > Enteignungskommission in die Kritik. Die Vorsitzende will die politischen
       > Vorgaben unterlaufen.
       
 (IMG) Bild: Die Geschäftsordnung der Enteignungskommission sorgt für Unmut
       
       Berlin taz | Es ist so eine Sache mit der direkten Demokratie: Fragt man
       die Bürger*innen nach ihrer Meinung, kommen dabei manchmal auch Sachen
       raus, die Politiker*innen nicht in den Kram passen. Wie beim Berliner
       Volksentscheid über die Vergesellschaftung von Unternehmen mit mehr als
       3.000 Wohnungen. [1][Vor dem Hintergrund explodierender Mieten] hatte im
       September vergangenen Jahres mit gut 59 Prozent [2][eine breite Mehrheit
       der Berliner*innen für den Gesetzesvorschlag] der lnitiative „Deutsche
       Wohnen & Co enteignen“ gestimmt.
       
       Der rot-grün-rote Senat ist sich in dieser Frage weniger einig: Während die
       Linke das Vergesellschaftungsvorhaben voll und ganz unterstützt, sehen die
       Grünen darin lediglich ein letztes Mittel, die SPD lehnt das Ziel des
       Volksentscheids gänzlich ab.
       
       Nun sollte man meinen, dass eine Metropole wie Berlin, die sich
       Bürger*innenbeteiligung groß auf die Fahne schreibt, [3][diesen
       Wähler*innenwillen nicht einfach ignoriert oder gar sabotiert]. Genau
       dieser Vorwurf steht jedoch im Raum. Bereits bei der Besetzung der
       Expert*innenkommission, die die Umsetzung des Enteignungs-Volksentscheids
       prüfen soll, hagelte es Kritik, [4][weil die SPD vor allem ausgewiesene
       Enteignungsgegner*innen benannt hat].
       
       Kurz vor ihrer ersten inhaltlichen Sitzung am 9. Juni befindet sich die
       Kommission erneut in einer Legitimationskrise: Linke, Grüne und die
       Initiative „DW & Co enteignen“ werfen Kommissionschefin Herta
       Däubler-Gmelin (SPD) vor, [5][die mühsam ausgehandelten politischen
       Vorgaben zur Arbeitsweise des Gremiums zu unterlaufen].
       
       ## Öffentlichkeit wird ausgeschlossen
       
       So soll laut einem von der ehemaligen SPD-Justizministerin vorgelegten
       Entwurf der Geschäftsordnung das Gremium seine monatlichen Sitzungen unter
       Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten. Dabei hatte der Senat genau das
       Gegenteil beschlossen: „Die Kommission gestaltet ihre Arbeit im Grundsatz
       öffentlich, damit die Prozesse transparent sind und die Ergebnisse hohe
       öffentliche Akzeptanz finden können“, [6][heißt es im
       Einsetzungsbeschluss].
       
       Auf Unmut stößt auch das Vorhaben Däubler-Gmelins, selbst an Abstimmungen
       teilzunehmen. Auch hier war die politische Verabredung eine andere: Die
       zwölfköpfige Kommission wurde zwischen den Parteien und der Initiative
       viertelparitätisch besetzt. Sollte die Vorsitzende nun mit abstimmen,
       drohen die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der
       Enteignungskritiker*innen zu kippen.
       
       Für die Grünen ganz klar ein „Foulspiel der SPD“, die Linke spricht gar von
       einer „Missachtung des Senatsbeschlusses“ und [7][fordert die Einhaltung
       der „politisch verabredeten Rahmenbedingungen“].
       
       Dazu gehört auch, dass die Kommission innerhalb eines Jahres
       „Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksentscheids“
       prüfen soll – und nicht, wie von der Kommissionschefin beabsichtigt, auch
       über Alternativen zur Vergesellschaftung diskutiert.
       
       Immerhin haben sich die Berliner*innen klar für Enteignungen, und nicht
       für eine andere Mietenpolitik ausgesprochen. Diesen Wähler*innenwillen
       zu respektieren, gehört zu einer Demokratie dazu – egal, ob er einem passt
       oder nicht.
       
       29 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mietpreise-in-Berlin-weiter-gestiegen/!5844122
 (DIR) [2] /Berliner-Volksentscheid-und-die-Folgen/!5805009
 (DIR) [3] /Die-Berliner-SPD-und-die-Enteignungs-Initiative/!5856029
 (DIR) [4] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!5840468
 (DIR) [5] /Enteignungs-Kommission-in-Berlin/!5852189
 (DIR) [6] /Expertenkommission-DW-Enteignen/!5844512
 (DIR) [7] /Linke-zur-Enteignungskommission/!5856171
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Frank
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berlin
 (DIR) Deutsche Wohnen & Co enteignen
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) Mietenprotest
 (DIR) Enteignungskommission
 (DIR) Berlin
 (DIR) Deutsche Wohnen & Co enteignen
 (DIR) Zweckentfremdungsverbot
 (DIR) Die Linke Berlin
 (DIR) Mieten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Enteignungskommission hört Expert*innen: Die Diskussion ist eröffnet
       
       Die Enteignungskommission hat die Arbeit aufgenommen. Gleich auf der ersten
       Sitzung wird klar, wie dringlich es neue Wege für den Mietenmarkt braucht.
       
 (DIR) Enteignungskommission: Kommission startet öffentlich
       
       Mit einer Anhörung zum Wohnungsmarkt startet die Arbeit. Nach großer Kritik
       soll am Freitag eine neue Geschäftsordnung verabschiedet werden.
       
 (DIR) Neue Idee für Berliner Mietenmarkt: Vermieter richtig deckeln
       
       Kann das Land Berlin definieren, welche Vermieter am Markt teilnehmen
       können? Ein neuer Expertenvorschlag könnte Dynamik in die Frage bringen.
       
 (DIR) Berliner Volksentscheid und die Folgen: Klares Mandat – und was nun?
       
       Eine Mehrheit in Berlin ist für die Vergesellschaftung großer
       Wohnungskonzerne. Fast alle Parteien winken ab. Was bedeutet das für die
       Demokratie?
       
 (DIR) Deutsche Wohnen & Co enteignen: Wenn nichts anderes mehr hilft
       
       In Berlin hat eine Mehrheit der Bevölkerung für die Vergesellschaftung von
       Wohnungen großer Unternehmen gestimmt. Wie sieht es in anderen Städten aus?