# taz.de -- Pride-Demo in Berlin: Laut und bunt und stolz
       
       > Tausende demonstrierten am Samstag für die Rechte von queeren Menschen:
       > „Pride Berlin“ versteht sich auch als politischer Gegenentwurf zum CSD.
       
 (IMG) Bild: Bunt und queer ist die Zukunft: Szene von der Pride-Demo am Samstag in Schöneberg
       
       Berlin taz | Allen voran waren es Georgina Leo St Laurent und ihr House of
       St Laurent, die den alternativen CSD am Samstag ausgesprochen politisch
       machten. 10.000 Leute waren den Veranstalten zufolge dazu gekommen, 3.500
       zählte die Polizei.
       
       „Schwarz, queer, stolz“, stand auf einem der knalligen Schilder, die die
       Choreografin und ihre Tanzgruppe mit zur LGBTI*-Demo gebracht hatten.
       „Black trans lives matter“, auf einem anderen.
       
       Das House of St Laurent steht für den Tanzstil des Voguing und die
       Ballroom-Kultur. Schon bevor sich am 28. Juni 1969 Schwule, Lesben und
       trans Personen – insbesondere of color – in der New Yorker Christopher
       Street der Staats- und Polizeigewalt widersetzten und damit dem CSD als
       Ursprung dienten, boten die Ballrooms diesen Ausgegrenzten Schutzräume. Den
       von Obdachlosigkeit bedrohten Queers gaben die „Houses“ ein Zuhause, den
       von der Familie Verstoßenen „Mothers“. Und das Voguing gab jenen
       Anerkennung und Schönheit, denen draußen Abscheu und Gewalt entgegenschlug.
       
       Die gebürtige Düsseldorferin St Laurent brachte das Voguing 2011 von einem
       Kurs aus New York mit nach Deutschland, dann in die Uferhallen im Wedding.
       Und nun auf den CSD.
       
       „Uns ist die Intersektion wichtig“, erklärt St Laurent der taz am
       Nollendorfplatz, wo wenig später um 12 Uhr der Demozug starten sollte.
       Damit meint sie die Mehrfachdiskriminierung, die Schwarze und Queers of
       Color betrifft. Auch wolle das Ensemble an die Aktivist*innen Marsha P.
       Johnson und Sylvia Riviera erinnern, die im CSD-Narrativ oft übersehen
       würden, so St Laurent.
       
       ## Die Frage ist: „Whose Streets?“
       
       Immer wieder war die Gruppe dann in der Demo mit der Frage „Whose streets?“
       zu hören. Nur um aus der Menge die schallende Antwort „Our streets“ zu
       bekommen. Dem [1][Black-Lives-Matter]-Ruf „No justice!“ folgte lautstark
       die Antwort „No peace!“. Vermehrt waren am Samstag Regenbogenfahnen zu
       sehen, die um Braune und Schwarze Streifen ergänzt waren.
       
       Jedoch, die Anliegen der Bewegung gegen [2][rassistische (Polizei-)
       Gewalt], die fast zeitgleich auch am Großen Stern auf die Straße getragen
       wurden, waren nur einer der Forderungskomplexe am CSD. Die Veranstaltenden
       um Nasser El-Ahmad herum wiesen von einem der nur zwei Demo-Wägen auf
       weitere Ansprüche hin. Die Politik müsse in der Krise queere Treffpunkte
       erhalten, endlich das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern
       haben aufheben, Regenbogenfamilien endgültig rechtlich gleichstellen, volle
       Selbstbestimmung für trans Personen gewährleisten und die Diskriminierung
       aufgrund sexueller Identität grundgesetzlich verbieten.
       
       Im 30 Jahr der deutschen Einheit überschritt der CSD am Potsdamer Platz
       nicht nur erstmals die geografische Grenze von West- nach Ostberlin,
       sondern forderte auch die Sichtbarmachung der schwul-lesbischen Geschichte
       in der DDR. Die ostdeutsche Aktivistin Anette Detering rief ihren
       lesbischen Schwestern, die unter anderem im Dyke*-March-Block liefen, zu:
       „Zeigt euch!“.
       
       ## Allianz mit polnischen Queers
       
       Deutlich zeigte sich am Samstag auch der Protest polnischer Queers. Nicht
       nur die symbolträchtige Regenbogenmadonna von Częstochowa wurde
       mitgetragen, auch Schilder mit Slogans wie „Polish, pervert & proud“ oder
       „Stop sexual Apartheid! Gegen LGBTTIQ*-freie Zonen“ richteten sich gegen
       die gesellschaftliche und politische Repression von Queers im Nachbarland.
       
       Generell hielten die Demonstrierenden das [3][Infektionsrisiko durch
       Abstandhalten] klein. Wo sich die Demoroute verengte, wurde vielfach ein
       Mund- Nasenschutz aufgesetzt. Doch nicht nur die Polizei, auch die
       Müllwerker*innen der BSR zeigten sich nach der zweistündigen Demo
       zufrieden. Bei einer Zigarette lobten sie der taz gegenüber, dass es keinen
       Verkaufsstände entlang der Strecke und somit weit weniger Abfall auf der
       Straße gegeben hätte.
       
       Der neue, alternative CSD endete auf der Karl-Liebknecht-Straße mit
       gellenden Schreien. Das feministische Kollektiv De Nadie beerdigte hier
       symbolisch die getöteten lesbischen bzw. trans Frauen, die es in Chile zu
       beklagen gibt. In Müllsäcke gehüllte Puppenkörper hatten sie vom
       Nolledorfplatz bis hier her getragen. In ihrem Statement hallte auch der
       Schwarze Protest wieder: „Without justice there is no pride.“
       
       28 Jun 2020
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Hunglinger
       
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