# taz.de -- Corona-Polizei in Berlin: Vorsätzlich herumlungern verboten
       
       > Die Polizei setzt die Ausgehverbote streng um – nicht selten zu streng,
       > wie Betroffene kritisieren. Kritik kommt auch von der Linkspartei.
       
 (IMG) Bild: Spazieren erlaubt, verweilen verboten: Berlin setzt die Ausgangssperre strikt um
       
       Berlin taz | Alleine auf einer Parkbank zu sitzen und ein Buch zu lesen ist
       in Berlin vorerst verboten. Ebenso darf man sich derzeit nicht sonnen, eine
       Decke auf einer Wiese ausbreiten oder mit einer Freund:in ein Bier auf
       einer Parkbank trinken. Erlaubt sind hingegen Sport und Bewegung im Freien
       – mit 1,50 Meter Mindestabstand. Zur Erholung dürfe man sich dann auch kurz
       auf eine Bank setzen. Das bekräftigt der rot-rot-grüne Senat auf Nachfrage
       der taz, um seine [1][Verordnung] infolge der [2][Coronapandemie]
       auszuführen.
       
       Auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik betonte die Freiheitseinschränkungen
       am Donnerstag bei einem Pressegespräch: „Alles, was zum längeren Verweilen
       führt und dient, ist nicht zulässig und wird von den Einsatzkräften aktiv
       angesprochen und als Ordnungswidrigkeit geahndet“, sagte sie. Drei
       Hundertschaften seien fortwährend im Einsatz, um die Eindämmungsverordnung
       durchzusetzen. Zusätzlich seien Zivilkräfte, Fahrradstreifen und Funkwagen
       unterwegs. 500 Verstöße habe man bei Überprüfungen im Freien seit
       Inkrafttreten festgestellt.
       
       Slowik lobte, dass die breite Mehrheit der Berliner:innen sich absolut
       vernünftig verhalte und die Wohnung nur noch für Ausnahmen wie Einkäufe
       oder den Arbeitsweg verlasse: „Die gesellschaftliche Selbstkontrolle ist
       groß.“ Im Zuge dessen bat sie darum, keine Hinweise zur Einhaltung des
       Infektionsschutzgesetzes über den Notruf mitzuteilen. Zeitweise sei die
       Notrufzentrale überfordert gewesen.
       
       Auch weil das Berliner Ausgangsverbot vom Sonntagabend viele Auslegungs-
       und Spielräume gelassen hatte, haben in den vergangenen Tagen zahlreiche
       Bürger:innen Fragen an die Behörden und Polizei gerichtet. Und seit
       Inkrafttreten der Verordnung mehren sich Berichte über autoritäres
       Verhalten der Polizei in diesem Ausnahmezustand.
       
       ## „Grenze ziehen Einsatzkräfte vor Ort“
       
       Was ist etwa, wenn man beim Joggen kurz Pause macht, sich dabei auf eine
       Bank setzt und auf dem Handy liest? Was passiert mit Obdachlosen, die im
       Park eine Decke ausbreiten, um darauf zu übernachten? „Die Grenze im
       konkreten Fall ziehen die Einsatzkräfte vor Ort“, sagt Slowik. Da sei das
       Fingerspitzengefühl der Kollegen gefragt.
       
       Polizisten und Fingerspitzengefühl sind nicht immer eine gute Kombination,
       wie zahlreiche Erfahrungen der vergangenen Tage zeigen. So schilderte etwa
       Ann-Kristin Tlusty der taz, dass ein breitbeinig auftretender Trupp von
       Polizisten Leute auf der Admiralbrücke zu gehen aufgefordert hätte, weil
       derzeit nur kurze Spaziergänge erlaubt seien. „Ein Polizist veranschlagte
       zehn Minuten“, so Tlusty.
       
       Zuvor sei es „eine sehr friedliche Situation“ gewesen. „Die Personen dort
       hielten genug Abstand. Es war auch eine Person of Colour vor Ort, einige
       konnten kein Deutsch“, sagt Tlusty. Die Polizei sei nicht sehr freundlich
       aufgetreten, sondern eher rabiat.
       
       ## Vorwurf: Racial Profiling
       
       Aus dem Görlitzer Park berichtet eine Person per Mail, dass dort am Montag
       nur Schwarze kontrolliert worden seien – obwohl sie alleine und mit
       Mindestabstand auf den Stufen vor dem geschlossenen Biergarten gesessen
       hätten. Auch tags darauf seien Menschen mit zugeschriebenem
       Migrationshintergrund vermehrt kontrolliert worden, Weiße hingegen nicht.
       Aus anderen Städten gibt es ähnliche Berichte, die mittlerweile unter dem
       Hashtag [3][#CoronaPolizei] gesammelt werden.
       
       Zarte Kritik gibt es unterdessen auch aus den eigenen Reihen. Stefan
       Zillich, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, sagte zum Charakter
       der Verordnung: „Prinzipiell sind wir skeptisch, ob die Grundlage einer
       allgemeinen Ausgehbeschränkung nötig war. Das hätte man auch über eine
       allgemeine Kontaktbeschränkung lösen können.“ Er sei aber mit Blick auf
       Bayern oder NRW froh, „dass der Senat nicht in den Wettbewerb um die
       schärfste Lösung eingesteigen ist“.
       
       Berlins Polizeipräsidentin sagte zu Berichten von überzogenen Auftreten und
       Vorwürfen von Racial Profiling: „Ich erwarte, dass Polizisten empathisch
       und erklärend auf die Leute zugehen – umso mehr, wenn Menschen die
       Rechtslage und die Sprache nicht beherrschen.“
       
       Generell seien alle angehalten, „konfliktmindernd und aufklärend“
       aufzutreten. „Dass es Ausnahmen gibt, will ich nicht ausschließen,
       Beschwerden sind mir aber noch keine bekannt“, so Slowik.
       Ordnungswidrigkeiten würde nur bei bewussten Verstößen angezeigt. Einen
       Bußgeldkatalog gebe es in Berlin auch noch nicht. Es gehe in erster Linie
       darum, die Gesundheit der Bürger zu erhalten.
       
       Fraglich bleibt insbesondere mit Blick auf gesellschaftlich ausgegrenzte
       Personen, was die strenge Reglementierung des öffentlichen Raumes bedeutet.
       So fallen Obdachlose bislang durch das Raster. Der Senat arbeite an der
       Etablierung von Aufnahmeprogrammen, heißt es beim Pressegespräch. Aber eine
       richtige Lösung dafür, dass einige Menschen eben nicht nach Hause können,
       weil sie kein Zuhause haben, gibt es nicht.
       
       Immerhin heißt es auf die Nachfrage, was mit einem Obdachlosen passiere,
       der eine Decke im Park ausbreite: „Unsere Einsatzkräfte werden keinen
       Obdachlosen aus dem Park vertreiben“, wie Jörg Dessin, Leiter des
       Pandemie-Krisenstabs der Polizei, sagte. Slowik ergänzte: „Wenn sich
       Obdachlose in Gruppen aufhalten, werden unsere Einsatzkräfte allerdings
       dazwischengehen.“
       
       Update: Mittlerweile hat Polizeisprecher Thilo Calbitz mitgeteilt, dass
       Obdachlose, die keiner Unterkunft zugeteilt seien, „im öffentlichen
       Straßenland verbleiben dürfen“. Dabei müssten sie sich allerdings an den
       Mindestabstand von 1,50 halten.
       
       26 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hartes-Kontaktverbot-in-Berlin/!5673501
 (DIR) [2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
 (DIR) [3] https://twitter.com/search?q=%23CoronaPolizei&src=typeahead_click
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
 (DIR) Bert Schulz
       
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