# taz.de -- Buch „Rosen in einem verbotenen Garten“: Ein Recht auf Schnulze
       
       > Elise Garibaldi hat die Geschichte ihrer jüdischen Großmutter
       > aufgeschrieben, die aus Bremen nach Theresienstadt deportiert wurde.
       
 (IMG) Bild: Der Ausweis der dreizehnjährigen Inge Katz aus Bremen
       
       Bremen taz | Der Untertitel ist eine Zumutung: „Eine Liebe in Zeiten des
       Holocaust“. Elise Garibaldis Buch klingt nach Schnulze – und zwar nach
       einer, die wirklich überhaupt nicht geht. Doch die Romanze ist eine falsche
       Fährte. Garibaldi erzählt die Geschichte ihrer Großmutter Inge Katz, die
       als jüdische Bremerin zur Welt kam und als Jugendliche nach Theresienstadt
       deportiert wurde. Und da hat sie sich verliebt.
       
       Dass einem die Liebesgeschichte aus dem Konzentrationslager Bauchgrimmen
       macht, ist klar. Der eigentliche Titel des Buches macht es auch nicht
       besser: „Rosen in einem verbotenen Garten“. Garibaldi hat es auch als
       Rockmusical vertont – im Dezember waren Ausschnitte im Bremer Rathaus zu
       hören. Das steht quer zum hiesigen Gedenkdiskurs. Der Form wegen, aber auch
       inhaltlich: Dass jemand mit dem KZ auch Schönes verbindet, ist irritierend,
       die Angst verständlicherweise groß, dass es wer in den falschen Hals
       bekommt.
       
       Wer sich aber einlässt auf die Zumutung, der lernt etwas daraus. Dieses
       jugendliche-aufgeregte Anbandeln von Inge Katz und ihrem späteren Mann
       Schmuel Berger zeigt ruft nämlich etwas in Erinnerung, das untergeht, wo
       allein von der mörderischen Gleichmacherei der Nazis die Rede ist: Die
       Deportierten waren Individuen, konkrete Menschen mit eben auch banalen
       Gedanken und Gefühlen, wie sie jeder x-beliebige Teenager kennt. Schon
       darum ist es ein großer Gewinn, dem Einzelschicksal der Zeitzeugin auf rund
       200 Seiten ausführlich folgen zu können.
       
       Fast die Hälfte davon spielt in Bremen, erzählt die bekannten Stationen
       nach und schließt lückenlos an die lokale Forschung an – auch weil Inges
       Familie in Bremen durchaus bekannt war. Die Carl-Katz-Straße in Obervieland
       ist etwa nach ihrem Vater benannt, der nach dem Krieg die jüdische Gemeinde
       wieder aufbaute (damals noch unter dem Namen „Israelitische Gemeinde in
       Bremen“) und als Gemeindevorsitzender die heutige Synagoge an der
       Schwachhauser Heerstraße mit aufbaute.
       
       Aus der Sicht von Inge Katz erzählt das Buch nun von der Reichspogromnacht,
       der Deportation und vor allem: den langen Phasen dazwischen in ihrer
       beklemmenden Ereignislosigkeit. Nach der Pogromnacht war Inge Katz etwa für
       ein Jahr in Berlin in verhältnismäßiger Ruhe, bevor sie zurück nach Bremen
       kam, wo sie vor den Trümmern ihrer Kinderzeit stand.
       
       Besonders eindringlich sind die Adressen, die sich wie beschwörend durch
       das ganze Buch ziehen. Auch in den Erinnerungen aus der KZ-Zeit ist ständig
       von der Isarstraße 33 in der Neustadt die Rede, wo die Familie bis zum
       Pogrom gelebt hat. Nach der Zerstörung der Synagoge traf sich die Gemeinde
       in der Kohlhökerstraße 6 im Ostertor. Familie Katz war im „Judenhaus“ in
       der Legion-Condor-Straße 1 untergebracht, die heute wieder „Parkstraße“
       heißt. Selbst von Inge Katz’ Tante erfahren wir die Anschrift:
       Chissinstraße 20 in Tel Aviv. In der Erzählung sind das Orte, an denen es
       früher besser war oder an denen es jetzt besser wäre: Marker auf der
       fiktiven Landkarte einer Welt außerhalb des Lagers.
       
       Garibaldis Nacherzählung folgt auch den Fehleinschätzungen und naiven
       Hoffnungen. Es wäre Zeit gewesen, Bremen und Deutschland zu verlassen, aber
       selbst im Deportationszug heißt es noch: „In ihrem maßgeschneiderten Kostüm
       und mit dem Regenmantel über dem Arm hatte sie Bremen verlassen, um in ihr
       neues ‚Zuhause‘ zu reisen.“
       
       ## Vor den Trümmern ihrer Kindheit
       
       Wahrscheinlich liegt dieser falsche Optimismus auch an der speziellen
       Bremer Situation, wo die jüdische Bevölkerung verhältnismäßig gut
       integriert lebte, und wo auch die NSDAP sich in den ersten Jahren verbal
       zurückhielt, weil die hanseatischen Kaufleute Angst um ihre internationalen
       Geschäfte hatten.
       
       Das Buch hält sich mit solchen Einschätzungen allerdings zurück, Garibaldi
       bleibt streng bei der Perspektive ihrer Großmutter. Auch die heute
       umfänglich rekonstruierten Ereignisse der Pogromnacht kommen im Buch nur
       vor, soweit Inge Katz davon wusste.
       
       Ein paar Jahre nach dem Krieg sind Inge Katz und ihr Mann in die USA
       ausgewandert, wo Garibaldi ihre Geschichte ursprünglich veröffentlicht hat.
       An der inzwischen vorliegenden deutschen Übersetzung des Buches hat Barbara
       Johr mitgearbeitet, die das „Projekt Stolpersteine“ bei der Bremer
       Landeszentrale für politische Bildung leitet.
       
       Diese lokale Expertise erweist sich als großer Gewinn für diese Ausgabe:
       Johr hat bei der Übersetzung beraten und auch inhaltliche Fehler im
       Original beseitigt. Dabei geht es etwa um falsche Details in der
       Organisation von SS und SA, die aus dem zeitlichen und räumlichen Abstand
       verständlich sein mögen – aber auch um den bis heute unbelegten Verdacht
       gegen einen vermeintlichen Gestapo-Spitzel.
       
       „Rosen in einem verbotenen Garten“ ist keine Faschismusanalyse und auch
       kein Versuch, große Literatur zu schreiben. Aber es ist ein ausgesprochen
       lesenswerter Zeitzeuginnenbericht darüber, dass es eben auch ein ganz
       normales jüdisches Leben in Deutschland gab, bis die restlichen Deutschen
       es gewaltsam beendet haben. Und darum ist das Buch eben auch eine
       Liebesgeschichte: weil das zum Leben dazugehört.
       
       18 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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