# taz.de -- Sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat: Gezerre um Asylrechtsverschärfung
       
       > Die Grünen sind entschlossen, das umstrittene Gesetz scheitern zu lassen.
       > Der hessische Ministerpräsident wollte versöhnen, gab dann aber auf.
       
 (IMG) Bild: „Es ist Zeit, die elende Debatte über die sicheren Herkunftsländer zu beerdigen“, sagte Baerbock
       
       Berlin taz | Kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung sind die Grünen
       offenbar fest entschlossen, das umstrittene [1][Gesetz für mehr sichere
       Herkunftsstaaten zu blockieren]. „Es ist Zeit, die elende Debatte über die
       sicheren Herkunftsländer zu beerdigen“, sagten Parteichefin Annalena
       Baerbock und Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Mittwoch.
       Die geplante Ausweitung der Liste um Algerien, Tunesien, Marokko und
       Georgien sei eine „[2][innenpolitische Symboldebatte]“, rechtsstaatlich
       fragwürdig und schade den Demokratiebemühungen in diesen Ländern.
       
       Union und SPD versprechen sich von der Asylrechtsverschärfung schnellere
       Abschiebungen. Die Grünen und die Linkspartei halten sie für
       verfassungsrechtlich problematisch – und glauben, dass besonders die drei
       nordafrikanischen Maghrebstaaten nicht sicher sind. In Tunesien, Algerien
       und Marokko ist Homosexualität laut Gesetz strafbar. Schwule und Lesben
       können ins Gefängnis wandern. Dort kommt es häufig zu Demütigungen und
       Gewalt durch die Polizei oder Aufseher.
       
       Die Haltung der Grünen ist in diesem Fall entscheidend. Die Groko braucht
       die Zustimmung des Bundesrates. Dort kann die Ökopartei Vorhaben
       blockieren, weil sie in neun Ländern mitregiert. Bisher hat nur
       Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der mit einer
       grün-schwarzen Koalition regiert, seine Zustimmung in Aussicht gestellt.
       Dies reicht jedoch nicht für eine Mehrheit in der Länderkammer am Freitag.
       
       Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte am Dienstagnachmittag
       [3][auf taz-Anfrage überraschend angekündigt], die Abstimmung verschieben
       zu wollen, um noch eine Einigung zu erreichen. Doch der Vorstoß war
       offenbar nicht mit seinem Koalitionspartner abgesprochen. Die hessischen
       Grünen zeigten sich am Dienstagabend „verwundert“ über die
       Berichterstattung über einen Vertagungsantrag.
       
       ## Bouffier bläst zum Rückzug
       
       Dieses Vorgehen sei in der schwarz-grünen Koalition nicht abgesprochen,
       teilten die Landesvorsitzenden Angela Dorn und Kai Klose mit. „Im
       hessischen Koalitionsvertrag ist ausdrücklich festgehalten, dass die
       Koalitionspartner in der Frage zusätzlicher sogenannter sicherer
       Herkunftsländer unterschiedlicher Meinung sind. Der Koalitionsvertrag
       gilt.“ Hessen werde sich deshalb in dieser Frage in der Länderkammer
       enthalten – was einem Nein gleichkommt.
       
       Am Mittwoch blies Bouffier daraufhin zum Rückzug. Aufgrund der „aktuellen
       Verlautbarungen“ scheine eine Weiterentwicklung auf Basis des jetzigen
       Gesetzentwurfes nicht möglich, sagte Hessens Regierungssprecher Michael
       Bußer. „Deshalb wird Hessen auf eine Vertagung verzichten.“ Werde über das
       Gesetz im Bundesrat abgestimmt, werde sich Hessen enthalten.
       
       Auch in Schleswig-Holstein hatte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dem
       Vernehmen nach mehrere Male versucht, die Grünen ins Boot zu holen. Günther
       regiert in einer Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP. Doch auch hier beißt
       die CDU auf Granit. „Schleswig-Holstein wird diesem Gesetz nicht
       zustimmen“, sagte Aminata Touré, die Migrationsexpertin der
       Grünen-Fraktion im Kieler Landtag.
       
       ## Grüne Alternativen
       
       Die Grünen versuchen nun, die Debatte nach vorne zu wenden. Für schnellere
       Verfahren und funktionierende Abschiebungen brauche es verbesserte
       Verfahren an den Verwaltungsgerichten, funktionierende Rückführungsabkommen
       mit Herkunftsländern, eine Qualitätsoffensive beim Migrationsamt Bamf und
       vor jedem Asylverfahren eine Rechtsberatung, sagten Göring-Eckardt und
       Baerbock.
       
       Für Union und SPD wäre ein Scheitern des Gesetzes zu den sicheren
       Herkunftsstaaten peinlich. Seit Monaten bewerben sie es als unverzichtbaren
       Baustein ihrer Flüchtlingspolitik. Die CDU hat bei ihrem Werkstattgespräch
       über Flüchtlingspolitik Anfang der Woche nochmal hervorgehoben, dass mehr
       Staaten als sicher eingestuft werden müssten – am besten von allen
       EU-Staaten gemeinsam.
       
       Die Große Koalition ist mit dem Versuch, die Maghrebstaaten als sicher zu
       deklarieren, schon einmal vor die Wand gelaufen. Einen ersten Anlauf
       [4][stoppte der grüne Widerstand im Bundesrat im März 2017].
       
       13 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sichere-Herkunftsstaaten/!5566440
 (DIR) [2] /Debatte-Sichere-Herkunftsstaaten/!5278052
 (DIR) [3] /Sichere-Herkunftsstaaten-im-Bundesrat/!5573023
 (DIR) [4] /Bundesrat-zu-sicheren-Herkunftslaender/!5391143
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) sichere Herkunftsländer
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Katrin Göring-Eckardt
 (DIR) Volker Bouffier
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Hessen
 (DIR) Bundesrat
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Die Linke
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) sichere Herkunftsländer
 (DIR) Hessen
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Asylrecht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte um „sichere Herkunftsstaaten“: Ohne Perspektive
       
       Die Grünen kritisieren die geplante Einstufung Georgiens als „sicheren
       Herkunftsstaat“. In der Praxis würde die Kategorie wenig verändern.
       
 (DIR) Thüringen und sichere Herkunftsstaaten: Grüne bleiben bei ihrem Nein
       
       Im Bundesrat ließ Thüringen die Abstimmung über mehr sichere
       Herkunftsstaaten von der Tagesordnung nehmen. Ein Kompromiss ist nicht in
       Sicht.
       
 (DIR) Abschiebungen in die Maghreb-Staaten: Mehr Geflüchtete ausgewiesen
       
       Die Zahl der Abschiebungen nach Marokko, Tunesien und Algerien hat sich um
       35 Prozent erhöht. Dabei gelten die Staaten bisher nicht als „sichere
       Herkunftsländer“.
       
 (DIR) Bundesrat zu sicheren Herkunftsländern: Blutige Nase für die Regierung
       
       Auf Antrag Thüringens stimmt der Bundesrat am Freitag nicht wie geplant
       über „sichere Herkunftsstaaten“ ab. Wie es weitergeht, ist unklar.
       
 (DIR) Sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat: Bouffier zieht Notbremse
       
       Der Hesse Volker Bouffier will vermeiden, dass das umstrittene Gesetz im
       Bundesrat scheitert. Wie kann er die Grünen locken?
       
 (DIR) Sichere Herkunftsstaaten: Ein Herzensanliegen der Koalition
       
       Der Bundestag wird mehrere Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären.
       Widerstand kommt von den Grünen. Im Bundesrat wird das Gesetz scheitern.
       
 (DIR) Juristin über sichere Herkunftsländer: „Eine nicht unerhebliche Entlastung“
       
       Die Maghrebstaaten sollten als „sicher“ eingestuft werden, plädiert Miriam
       Marnich im Innenausschuss des Bundestags für den Städte- und Gemeindebund.