# taz.de -- Streit um Zukunft Maaßens: Der Politik zu nah
       
       > Mehrfach kritisierte Maaßen Medien, Falschmeldungen zu verbreiten. Doch
       > sein Versuch, via Medien Politik zu machen, könnte ihm zum Verhängnis
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Zukunft ungewiss: Hans-Georg Maaßen ist in der Kritik
       
       Berlin taz | Als am Donnerstag im Kanzleramt Angela Merkel, CSU-Chef Horst
       Seehofer und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles [1][über die Zukunft] von
       Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen berieten, fand gleich gegenüber
       eine bemerkenswerte Befragung stand. Im Paul-Löbe-Haus, Raum 4900, tagte
       der Untersuchungsausschuss zum Anschlag am Berliner Breitscheidplatz.
       
       Eine Islamismusexpertin des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV)
       berichtete, sie habe seit Januar 2016 Informationen über tunesische
       Islamisten gesammelt. Einer von ihnen: Anis Amri, der Attentäter vom
       Breitscheidplatz. Dieser sei auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln
       beobachtet worden. Bereits kurz zuvor war bekannt geworden: Ein V-Mann
       betete mit Amri in derselben Moschee.
       
       Mit dieser Aussage widersprach die Beamtin ihrem Chef: [2][Maaßen] hatte
       die Beteiligung des Bundesamtes am Fall Amri stets heruntergespielt, von
       einem „reinen Polizeifall“ gesprochen und im Bundestag gesagt, dass das BfV
       „im Umfeld“ von Amri keinen V-Mann gehabt habe.
       
       Für Grüne und Linke ist klar: Maaßen hat das Parlament belogen. Hätte es
       noch eines Grundes für eine Rücktrittsforderung bedurft, hier wäre er
       gewesen. Doch zu diesem Zeitpunkt waren sich SPD und FDP, Grüne und Linke
       längst einig: Maaßen ist untragbar. Auch in der Union zeichneten sich erste
       Absetzbewegungen ab. Doch einer stellte sich hinter den
       Verfassungsschutzchef: sein Vorgesetzter, Bundesinnenminister Seehofer. An
       diesem Montag dann meldete die Welt, dass dies Maaßen nichts mehr nütze.
       Merkel wolle die Ablösung Maaßens auch gegen den Willen des Innenministers
       durchsetzen. Kommt es so, wäre der Verfassungsschutzchef letztlich [3][über
       seine Äußerungen in der Bild-Zeitung gestolpert].
       
       ## Maaßen verstand sich immer politisch
       
       Dabei sollte Maaßen, den der damalige CSU-Innenminister Hans-Peter
       Friedrich 2012 als Behördenchef einsetzte, den Verfassungsschutz aus den
       Negativschlagzeilen holen und das Vertrauen in das Amt erneuern. Dringend
       nötig war das: Das BfV hatte beim NSU nicht nur [4][dramatisch versagt],
       sondern auch noch wichtige Unterlagen geschreddert. Maaßen startete eine
       Medienoffensive, er gab mehr Interviews als jeder Verfassungsschutzchef vor
       ihm, sogar der taz. In seinen Einlassungen merkt man schnell: Hier spricht
       ein Amtsleiter, der sich nicht nur als Beamter, sondern durchaus politisch
       versteht. Ein Verfassungsschutzchef aber muss sich politisch neutral
       verhalten.
       
       Vielleicht pressierte es für den 55-Jährigen, dessen Markenzeichen
       Dreiteiler und seine kleine goldene Brille sind, in den vergangenen Jahren
       derart, dass er das Gebot der Neutralität immer weniger berücksichtigte.
       Dass er die Entscheidung der Kanzlerin, im September 2015 die Grenzen nicht
       zu schließen, für einen schweren sicherheitspolitischen Fehler hielt,
       daraus machte Maaßen im kleineren Kreis keinen Hehl.
       
       Der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, sieht das ganz ähnlich, und auch
       der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler.
       Die drei Männer sind befreundet, gemeinsam haben sie im Innenministerium
       Karriere gemacht, schließlich stiegen sie an die Spitze von drei zentralen
       Sicherheitsbehörden auf. In ihrem Unmut über die Kanzlerin dürften sie sich
       gegenseitig bestätigt haben. Während Schindler sein Amt wegen der
       NSA-Affäre räumen müsste, haben Maaßen und Romann gewiss Hoffnungen in den
       neuen Bundesinnenminister gesetzt – als Kontrahent zur Kanzlerin.
       
       Maaßen, promovierter Jurist, war schon im Innenministerium, wo er erst das
       Referat Ausländerrecht und später den Stab für Terrorismusbekämpfung
       leitete, ein migrationspolitischer Hardliner. „Das, was Asylrecht in Europa
       kennzeichnet, ist sein Missbrauch“, heißt es bereits in seiner Promotion
       über „Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht“ von 1997. Im
       Jahr 2002 argumentierte er in einem Gutachten, der ehemalige
       Guantánamo-Insasse Murat Kurnaz habe sein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in
       Deutschland verwirkt. Denn Kurnaz sei mehr als sechs Monate außer Landes
       gewesen. Dass die USA einen Unschuldigen verschleppt und eingesperrt
       hatten, änderte an Maaßens Auffassung nichts.
       
       ## Zu viele Fehltritte
       
       In seiner Amtszeit hat Maaßen das Bundesamt für Verfassungsschutz in
       Köln-Chorweiler stark ausgebaut. Das Personal wächst so schnell, dass die
       Stellen manchmal zeitnah gar nicht besetzt werden können. Der Zuwachs liegt
       vor allem an der Angst vor islamistischen Terroranschlägen, der Bereich
       Islamismus wächst besonders stark. Was Maaßen weit weniger im Blick hat:
       den Rechtsextremismus, insbesondere in seiner modernen Form. Man habe ihn
       dazu drängen müssen, die Identitäre Bewegung unter Beobachtung zu stellen,
       heißt es aus den Landesämtern für Verfassungsschutz und dass er sich
       sträube, eine Beobachtung der AfD wenigstens zu prüfen. Stattdessen traf
       sich Maaßen mit drei AfD-SpitzenpolitikerInnen. Der Vorwurf, er könnte
       diese beraten haben, hält sich hartnäckig.
       
       Fragt man Grüne oder Linke, spulen diese zahlreiche weitere Fehltritte
       Maaßens ab: dass er Edward Snowden mit der Behauptung diskreditierte, er
       könne ein russischer Spion sein. Dass eine Strafanzeige des BfVs
       Ermittlungen wegen Landesverrats gegen zwei Journalisten des
       Internetportals netzpolitik.org auslöste, was man [5][als Angriff auf die
       Pressefreiheit] deuten kann. Und dass er mit drohenden Anwaltsschreiben und
       heimlich gestreuten Informationen Medien zu beeinflussen versuche.
       
       Letztlich aber könnte genau dieser Versuch, mittels Medien selbst Politik
       zu machen, ihn das Amt kosten.
       
       17 Sep 2018
       
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