# taz.de -- Neues Polizeigesetz in Niedersachsen: Kameras filmen heimlich
       
       > Expert*innen kritisieren die Schwächen des geplanten Polizeigesetzes in
       > Niedersachsen. Es sei teilweise verfassungswidrig.
       
 (IMG) Bild: Aus Sicht der Datenschutzbeauftragten geht es nicht, dass Bodycams ständig laufen
       
       HANNOVER taz | Das geplante Polizeigesetz in Niedersachsen hat noch
       Schwächen. So sehen das zumindest viele der Experten, die derzeit im
       Innenausschuss dazu Stellung nehmen. Die große Koalition will Maßnahmen wie
       elektronische Fußfesseln, Meldeauflagen oder Online-Durchsuchungen im
       Gesetz verankern, um terroristische Straftaten zu verhindern.
       
       Der als Experte geladene ehemalige Datenschutzbeauftragte von
       Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, macht seine Kritik an einem Randaspekt
       deutlich: Um eine Gefahr für Leib und Leben abzuwehren, darf die Polizei
       künftig „die Herausgabe von Bild- und Tonaufzeichnungen öffentlich
       zugänglicher Räume verlangen“, heißt es im Gesetzesentwurf. „Das können
       Ferienbilder am Strand mit der ganzen Familie sein“, sagt Weichert. „Jeder
       müsste im Zweifel seine privaten Filmaufnahmen zur Verfügung stellen.“ Der
       Datenschützer hält das für einen massiven Grundrechtseingriff.
       
       Und auch in weiteren Punkten sind normale Bürger vom neuen Polizeigesetz
       betroffen. Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel (CDU)
       hat ein Problem damit, dass Videoüberwachung künftig nicht mehr nur an
       Orten stattfinden darf, an denen erhebliche Straftaten passieren könnten.
       Kameras dürften nun zur Verhinderung aller Straftaten eingesetzt werden.
       
       Für „verfassungswidrig“ hält Thiel außerdem den geplanten Einsatz von
       Bodycams. Die sollen nicht nur laufen, wenn ein Polizist sich in einer
       konkreten Situation angegriffen fühlt, sondern immer. „Pre-Recording“ nennt
       sich das. „Diese Aufnahme wird aber nach 30 Sekunden spurenlos
       überschrieben, wenn die Bodycam nicht aktiviert wird“, heißt es im Entwurf.
       Die Polizei soll so auch den Moment vor einer Auseinandersetzung auf Band
       haben. „Dann werden aber auch immer viele unbescholtene Bürger gefilmt“,
       kritisiert Thiel.
       
       Auch Mattias Fischer von der Hessischen Hochschule für Polizei und
       Verwaltung und ein ausdrücklicher Befürworter der Reform sieht das
       Pre-Recording kritisch: „Videoüberwachung darf nicht verdeckt sein.“ Zudem
       müsse der Bürger merken, dass er gefilmt werde. „Sonst hat das nichts mehr
       mit Abschreckung und Deeskalation zu tun.“
       
       Doch auch die zugrunde liegende Annahme, dass Bodycams überhaupt Angriffe
       auf Polizisten verhinderten, sei bisher nicht wissenschaftlich belegt, sagt
       Lena Lehmann vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Der
       Zwischenbericht einer Studie aus Nordrhein-Westfalen habe zwar gezeigt,
       dass die Kameras ein deeskalierendes Potenzial hätten, „der gewünschte
       Effekt ist aber nicht nachweisbar“.
       
       Der niedersächsische Polizeipräsident Axel Brockmann hält die ausgeweiteten
       Befugnisse für seine Polizei angesichts der „anhaltend hohen abstrakten
       Gefährdung durch islamistischen Terrorismus“ hingegen für zwingend
       erforderlich. „Es geht nicht darum, unbescholtene Bürger auszuforschen“,
       sagt der Polizeichef.
       
       Brockmann hält es auch für legitim, sogenannte [1][Gefährder, die noch
       keine konkrete Straftat geplant haben], statt bisher für zehn künftig für
       bis zu 74 Tage präventiv einsperren zu können. Wenn die Polizei einen
       Verdächtigen festnehme und dessen Computer und Handy auswerte, müssten die
       Beamten Tausende Fotos und Chatverläufe sichten. „Das ist auch unter
       größter Anstrengung in zehn Tagen nicht zu leisten.“
       
       Daran jedoch haben viele zivilgesellschaftliche Organisationen Zweifel. Am
       heutigen Freitag geht die Anhörung im Ausschuss weiter.
       
       10 Aug 2018
       
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