# taz.de -- Vor Anschlag auf den Breitscheidplatz: Amri hätte verhaftet werden können
       
       > Es gibt brisante, neue Erkenntnissen zum Berliner Attentäter Anis Amri.
       > Möglicherweise wurde beim LKA ein Dokument gefälscht.
       
 (IMG) Bild: Wäre Anis Amri vor seinem Anschlag für die Polizei doch zu fassen gewesen?
       
       Berlin taz | In den Ermittlungen [1][im Fall Anis Amri] gibt es eine
       dramatische Wendung. Im Berliner Landeskriminalamt (LKA) ist ein Dokument
       vom November 2016 aufgetaucht, das die Ergebnisse einer Telefonüberwachung
       von Amri zusammenfasst. Darin wird dem Tunesier vorgeworfen,
       gewerbsmäßigen, bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln zu betreiben.
       „Auf dieser Grundlage wäre eine Verhaftung wohl möglich gewesen“, sagte der
       Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) in einer am Mittwochnachmittag
       kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Und: „Damit hätte der Anschlag
       womöglich verhindert werden können.“
       
       Bruno Jost, der von Berlin eingesetzte Sonderbeauftragte für den Fall Amri,
       war am Dienstag im LKA auf das Schriftstück gestoßen. Bislang hatte es
       geheißen, Amri sei nur des Kleinsthandels mit Drogen beschuldigt worden.
       Diese Information geht auf ein zweites Schriftstück zurück. Dieses, so
       Geisel, soll erst am 17. Januar 2017 – also nach dem Anschlag – erstellt
       und auf den 1. November 2016 rückdatiert worden sein. Trifft das zu, wäre
       das Papier eine glatte Fälschung, offenbar, um zu vertuschen, dass die
       Berliner Polizei gegen Amri hätte vorgehen können, es aber nicht tat.
       
       „Auf dieser Basis haben wir bislang den Innenausschuss und die
       Öffentlichkeit informiert“, sagte Geisel sichtlich betroffen. Das habe zu
       der Aussage geführt, dass es keine Möglichkeit gegeben habe, vor dem
       Anschlag gegen Amri vorzugehen. Diese Aussage scheint nun nicht mehr zu
       halten zu sein.
       
       Der Islamist Amri hatte am 19. Dezember einen Lkw auf den Weihnachtsmarkt
       am Berliner Breitscheidplatz gesteuert. Er ermordete dabei elf Menschen und
       verletzte über 60 weitere zum Teil schwer. Den Fahrer des Lastwagens hatte
       er bereits zuvor erschossen.
       
       ## Überwachung wurde im September 2106 abgebrochen
       
       „Das Vertrauen in die Berliner Polizei als ermittelnde Behörde hat nach wie
       vor Bestand“, sagte Geisel weiter. Im Raum stünden nun aber die Vorwürfe
       der Strafvereitelung zugunsten von Anis Amri und Falschbeurkundung. Der
       Innensenator hat Strafanzeige gegen mehrere Beamte des LKA gestellt und
       disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet. „Sollte innerhalb des LKA
       irgendetwas verschleiert worden sein, werden wir das aufklären und die
       notwendigen Konsequenzen ziehen.“ Das sei man den Toten schuldig. Sowohl
       der Berliner Polizeipräsident als auch der LKA-Chef hätten erst am
       Dienstagabend von den neuen Informationen erfahren.
       
       Berliner Behörden hatten bisher stets beteuert, Amri sei bei
       Überwachungsmaßnahmen im Sommer 2016 lediglich als „Kleindealer im
       Zusammenhang mit dem Görlitzer Park“ aufgefallen. Die
       Generalstaatsanwaltschaft hatte die Observation angeordnet, da es Hinweise
       gab, Amri plane einen Einbruch, um Gelder für einen Waffenkauf zu erhalten
       und damit einen Anschlag zu begehen.
       
       Dieser Verdacht hatte sich laut Staatsanwaltschaft aber nicht erhärten
       lassen. Die Überwachung wurde im September 2106 abgebrochen. Danach verlor
       sich Amris Spur.
       
       In Nordrhein-Westfalen, wo Amri als Asylbewerber gemeldet war, wurde der
       Tunesier ebenfalls als terrorverdächtig eingestuft und [2][als „Gefährder“
       geführt]. Auch dort sah man allerdings keine Handhabe, ihn festzunehmen.
       Man sei in dem Fall „bis an die Grenze des Rechtsstaates“ gegangen, hatte
       NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) stets behauptet.
       
       17 May 2017
       
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