# taz.de -- Merkels Afrikareise: Abschluss in Äthiopien
       
       > In Addis Abeba lobt Angela Merkel die afrikanischen Aufnahmeländer für
       > Flüchtlinge. Zugleich sagt sie Unterstützung vor Ort zu.
       
 (IMG) Bild: Angela Merkel bei der Eröffnung des Julius-Nyerere-Gebäudes
       
       „Mit diesem Gebäude bekommt die Afrikanische Friedens- und
       Sicherheitsarchitektur – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – mehr
       Raum.“ Angela Merkel steht im nagelneuen Plenarsaal des
       Julius-Nyerere-Gebäudes für Frieden und Sicherheit. Das moderne
       Steingebäude auf dem Gelände der Afrikanischen Union (AU) wird an diesem
       Dienstag feierlich eingeweiht. Merkel ist gekommen, um das von Deutschland
       mit 30 Millionen Euro finanzierte Zentrum einzuweihen.
       
       In ihrer vor Ort mit großer Spannung erwarteten Rede umreißt sie die
       Perspektive der Bundesregierung auf die Lage in Afrika. Der Blick auf den
       Kontinent zeige, „wohin der Zerfall staatlicher Strukturen führen kann“.
       Libyen sei ein trauriges Beispiel dafür.
       
       Merkel appellierte an die Afrikanische Union, bei der Lösung dieses
       Konflikts ihren Einfluss geltend zu machen. 2011 hatten die USA, Frankreich
       und Großbritannien militärisch in den libyschen Bürgerkrieg eingegriffen
       und mitgeholfen, den Machthaber Muammar Gaddafi zu stürzen. Seither
       versinkt das Land im Chaos. Deutschland hatte sich damals im
       UN-Sicherheitsrat enthalten. „Vielleicht haben wir zu wenig mit Ihnen
       darüber gesprochen“, sagt Merkel nun in Addis Abeba. Das meint sie durchaus
       selbstkritisch.
       
       Europa und Afrika dürften nicht hinnehmen, dass Schlepperbanden mit dem
       Leben der Menschen spielen, sagte sie. Der Menschenhandel müsse aufhören,
       „viel zu viele Menschen fanden bereits den Tod im Mittelmeer“. Junge
       Menschen machten sich mit völlig falschen Vorstellungen auf den Weg nach
       Europa, ohne zu wissen, was sie dort erwartet.
       
       Gleichwohl verlaufe der Großteil der Fluchtbewegungen innerafrikanisch.
       Allein in Äthiopien halten sich 800.000 Flüchtlinge auf, vor allem aus
       Eritrea, Somalia und Südsudan. Merkel lobte diese Leistung der
       Aufnahmeländer ausdrücklich und sagte Unterstützung vor Ort zu. Deutschland
       finanziere umfangreiche humanitäre und entwicklungspolitische Projekte, um
       zu helfen. „Unser Augenmerk gilt sowohl Herkunftsländern als auch Transit-
       und Aufnahmeländern.“
       
       Genau über solche Staaten hatte sich die Kanzlerin auf ihrer dreitägigen
       Afrikareise informiert. [1][Am Sonntag hatte sie Mali besucht], [2][am
       Montag das bitterarme Niger]. Beide Länder sind Transitländer für
       Flüchtlinge, der Menschenhandel floriert. Der Besuch in Äthiopien mit der
       Einweihung des AU-Gebäudes sollte den repräsentativen Abschluss bilden.
       Doch nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und
       Angehörigen der Oromo und Amhara hat die Regierung hier den Ausnahmezustand
       verhängt.
       
       ## AU muss mehr gemeinsame Verantwortung übernehmen
       
       Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel hatte Äthiopiens
       Ministerpräsident Hailemariam Desalegn „große Probleme“ eingeräumt.
       Gleichwohl verteidigte er das gewalttätige Vorgehen, bei dem im Laufe der
       letzten Monate hunderte Menschen starben. Die Regierung könne keine
       extremistische Gewalt hinnehmen. Desalegn versprach Reformen, etwa beim
       Wahlrecht. Im Parlament in Addis Abeba sitzt kein oppositioneller
       Abgeordneter.
       
       Merkel sagte dazu, eine Regierung müsse die Probleme ihrer Bürger offen
       aussprechen lassen. Eine lebendige Zivilgesellschaft gehöre zu einer sich
       entwickelnden Gesellschaft, freie Medien seien unablässig. Aus dem
       Widerstreit der Argumente ergäben sich die tragfähigsten Lösungen. Noch am
       Dienstag, gleich nach ihrer Rede vor der Afrikanischen Union, traf sie sich
       in Addis Abeba mit Vertretern der Opposition.
       
       Im schicken neuen Nyerere-Gebäude hatte sie da ihre freundlich aufgenommene
       Rede beendet. Nachdrücklich hatte sie die afrikanischen Staaten zu einem
       entschiedeneren Kampf gegen islamistische Extremisten und illegale
       Migration aufgefordert. Angesichts der Aktivitäten von extremistischen
       Milizen sei es nötig, diesen mit demokratischen und wirtschaftlichen
       Reformen den Boden zu entziehen. Die wesentlichen Voraussetzungen für ein
       menschenwürdiges Leben seien Frieden und Sicherheit in Afrika. Die AU müsse
       künftig mehr gemeinsame Verantwortung für innerafrikanische Konflikte
       übernehmen.
       
       Am Ende ihrer Rede skizzierte Merkel drei zentrale Aufgaben für die
       Zusammenarbeit zwischen Afrikanischer und Europäischer Union. Erstens
       müssten private Investitionen gestärkt werden, um Wachstum und
       Arbeitsplätze zu schaffen. Handelshemmnisse müssten schrittweise abgebaut
       werden. Zweitens müsse die Infrastruktur ausgebaut werden, um das Leben für
       die Menschen vor Ort attraktiver zu machen. Und drittens brauche Afrika
       mehr und bessere Berufsausbildung, die sich am konkreten Arbeitsmarkt
       orientiert.
       
       Merkel versprach, diese drei Schwerpunkte im Rahmen der G20 zu bündeln und
       voranzutreiben. 2017 übernimmt Deutschland die G20-Ratspräsidentschaft.
       Mitte des Jahres soll in Berlin eine große Afrika-Konferenz stattfinden.
       Daran sollen auch Vertreter afrikanischer Staaten, internationaler
       Organisationen und des Privatsektors teilnehmen. Zuvor solle noch in
       Nairobi ein deutsch-afrikanisches Wirtschaftstreffen über die Bühne gehen.
       
       11 Oct 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Angela-Merkel-in-Mali/!5346865/
 (DIR) [2] /Merkel-besucht-Niger/!5343632/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Mali
 (DIR) Niger
 (DIR) Äthiopien
 (DIR) Fluchtursachen
 (DIR) Frieden und Krieg
 (DIR) Sicherheit
 (DIR) migControl
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Äthiopien
 (DIR) EU-Flüchtlingspolitik
 (DIR) Seenotrettung
 (DIR) EU-Flüchtlingspolitik
 (DIR) Afrika
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Niger
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Mali
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Niger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Fluchtgründe in Afrika: Die Hoffnung stirbt zuletzt
       
       Unser Autor stammt aus Äthiopien. Seit Jahren lebt er im Exil. Er glaubt,
       dass die Repression Menschen außer Landes treibt.
       
 (DIR) Das EU-Flüchtlingspolitik in Afrika: Abschied von Dadaab
       
       Das größte Flüchtlingslager der Welt liegt in Kenia. Eine Generation
       Somalier ist dort groß geworden. Nun soll es abgewickelt werden.
       
 (DIR) Proteste in Äthiopien: Abwarten, bis es wieder losgeht
       
       Die Massendemonstrationen in Äthiopien sind vorerst abgeflaut. Aber im
       Amhara-Kernland rüsten beide Seiten für die nächste Runde.
       
 (DIR) Debatte EU-Flüchtlingspolitik in Afrika: Europas neuer Umriss
       
       Unter Merkels Führung verteidigt die EU neuerdings ihre Außengrenzen tief
       in Afrika. Das soll die Migration nach Europa radikal stoppen.
       
 (DIR) Angriff der libyschen Küstenwache: Knüppel gegen Flüchtlingsboot
       
       Bewaffnete Männer enterten Freitagabend vor der Küste Libyens ein
       Flüchtlingsboot. Sea Watch spricht von „einer zweistelligen Zahl“ an Toten.
       
 (DIR) Neue Flüchtlingsabkommen geplant: Ein EU-Ägypten-Deal
       
       Die EU will mehr afrikanische Flüchtlinge zurückschicken. Die
       „Migrationspartnerschaft“ mit der Türkei ist Vorbild dafür.
       
 (DIR) Reise der Bundeskanzlerin: Mit Highspeed quer durch Afrika
       
       Drei Tage, drei Länder – Angela Merkels Bildungsreise in Afrika diente
       einem klaren Ziel: die Massenmigration einzudämmen.
       
 (DIR) Merkels Afrikareise: Außenpolitik in der Wüste
       
       Die Kanzlerin besucht Mali, Niger und Äthiopien, um Fluchtursachen zu
       bekämpfen. Sie sollte wissen, dass das heißt: Arbeitsplätze schaffen.
       
 (DIR) Merkel besucht Niger: Kein Marshall-Plan für Afrika
       
       Die Bundeskanzlerin nennt die Forderung von Nigers Präsidenten „sehr
       ambitioniert“. Er hofft nicht nur auf „neuen Schwung“ in der
       Zusammenarbeit.
       
 (DIR) Malische Flüchtlinge in Burkina Faso: Angst vor dem eigenen Land
       
       Nachts ist Hussaini Abdou aus Mali im Flüchtlingscamp, tagsüber betreibt er
       einen Stoffladen in der Stadt. Auf Kunden wartet er meist vergeblich.
       
 (DIR) Angela Merkel in Mali: Stippvisite im Transitland
       
       Merkel will sich für eine stärkere Bekämpfung der Fluchtursachen einsetzen.
       Das zerrüttete Land kann Hilfe gut gebrauchen.
       
 (DIR) Merkels Afrikareise: Erweiterte Nachbarschaft
       
       Angela Merkel reist für drei Tage in afrikanische Transitländer für
       Flüchtlinge. Aus den Motiven macht sie kein Geheimnis: deutsche und
       EU-Interessen.
       
 (DIR) Terroranschlag in Niger: Al-Qaida grüßt die Kanzlerin
       
       Bei einem Anschlag in einem Flüchtlingslager in Niger kamen mindestens 22
       Sicherheitskräfte ums Leben – wenige Tage vor Merkels Besuch.