# taz.de -- Rot-Rot-Grün in Berlin: Müller muss auch gönnen können
       
       > Bislang wollte die SPD ihre Koalitionspartner immer kleinregieren. Mit
       > der Linken und den Grünen wird das nicht klappen. Entweder sie haben
       > gemeinsam Erfolg. Oder sie verlieren.
       
 (IMG) Bild: Drei von ihnen werden regieren, einer fliegt raus
       
       Michael Müller hat ziemlich oft „ich“ gesagt am Montag Morgen im Inforadio
       des RBB. Als Stadtentwicklungssenator habe er „den Neubau angekurbelt“, als
       Regierender Bürgermeister „die Ärmel hochgekrempelt“, sagte der Regierende
       Bürgermeister, dessen SPD am Wahlsonntag auf 21,6 Prozent der Stimmen
       abgesackt ist. „Aber ich brauche ein bisschen Zeit, um das Angefangene
       verstetigen zu können“.
       
       Hätte er ein paarmal mehr „wir“ gesagt, wäre die Botschaft womöglich auch
       bei Klaus Lederer und Ramona Pop angekommen. Die Spitzenkandidaten der
       Linken und Grünen werden aller Voraussicht nach mit Michael Müller einen
       Dreier eingehen. Die nicht ganz unwichtige Frage dabei wird sein, ob und
       wann der erste von ihnen eifersüchtig wird, ob alle Beziehungsprobleme
       gleichberechtigt ausdikustiert werden oder ob Müller, auch wenn das
       Ergebnis das gar nicht hergibt, den andern zeigen will, wo der Hammer
       hängt.
       
       Dass die am Sonntag abgewählte SPD-CDU-Koalition die unbeliebteste in ganz
       Deutschland war, hatte auch damit zu tun, dass keiner dem andern etwas
       gönnen wollte. Bei den jüngsten Grundsteinlegungen der landeseigenen
       Wohnungsbaugesellschaften ließ sich Bausenator Andreas Geisel (SPD) feiern,
       als seien die Neubauten rotes Legoland. Dass Berlin boomt, hätte auch die
       CDU mit ihrer Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer für sich in Anspruch
       nehmen können. Aber weil das eine gute Botschaft ist, verkündet sie
       natürlich auch der Regierende Bürgermeister. Schlechte Nachrichten wie das
       Chaos am Lageso oder bei den Bürgerämtern wälzte er dagegen beim
       Koalitionspartner ab.
       
       Im Grunde wollte die Müller-SPD die CDU zuletzt genauso kleinregieren wie
       es Wowereit zehn Jahre lang mit der Linken gemacht hatte. Mit dem Ergebnis,
       dass sie sich am Ende selbst kleinregiert hat. Nein, der Hammer hängt schon
       lange nicht mehr im Spind der SPD. Eher hängt drüber ein Damoklesschwert.
       Wenn es tatsächlich zu Rot-Rot-Grün kommt, ist der Dreier zum Erfolg
       geradezu verdammt.
       
       Mit der bisherigen Regierungskultur wird das nicht gelingen. Eine Reform
       der chronisch unterbesetzten, überalterten und überforderten Berliner
       Verwaltung erfordert eine Abstimmung zwischen den Ressorts Inneres und
       Finanzen, auch wenn diese nicht bei ein und derselben Partei liegen
       sollten. Ein eventuelles grünes Verkehrsressort, das einen Kompromiss mit
       dem Fahrradvolksentscheid auszuhandeln hätte, darf auch ein
       SPD-Finanzsenator nicht im Regen stehen lassen. Genauso wenig wie ein
       Bildungs- und Sozialressort, das sich um Aufstiegsperspektiven und gegen
       das soziale Abgehängtsein kümmern muss. Die neue Regierungskultur heißt
       deshalb Kooperation und Kommunikation – oder aber sie ist zum Scheitern
       verurteilt.
       
       Kann das die SPD? Einfach wird es nicht werden für Michael Müller, dem
       immer wieder Dünnhäutigkeit und ein Hang zum Nachtragen nachgesagt wird.
       Hinzu kommt, dass vor allem die Linke nicht mehr den selben Fehler machen
       wird wie von 2001 bis 2011. „Wenn wir eine andere Politik hinbekommen, die
       auf die Basta-Aussagen einer Partei verzichtet, die glaubt, sie hätte noch
       40 Prozent, dann können wir es versuchen“, sagte der Linke Spitzenkandidat
       Klaus Lederer am Montag dem Fernsehsender Phoenix. Lederer ist im Gegensatz
       zu Müller und Pop einer der Wahlsieger des Sonntags. Seine Linke hat um 3,9
       Prozentpunkte auf 15,5 Prozent zugelegt. Die SPD hat dagegen 6,7 Prozent
       verloren, die Grünen 2,4 Prozent. Und klugerweise hat Lederer noch eine
       Notbremse installiert. Sollte der Koalitionsvertrag keine linke Handschrift
       tragen, wird er beim linken Mitgliederentscheid durchfallen.
       
       Aber auch die Grünen werden selbstbewusst ins neue Bündnis gehen. Seit
       Sonntag herrschten in Berlin „neue Verhältnisse“, sagte Spitzenkandidatin
       Ramona Pop. Die großen Parteien hätten eine Kernschmelze erlebt. „Wir sind
       alle mittelgroß“, lautete ihre Schlussfolgerung. Für die anstehenden
       Gespräche heiße das: „Es werden sich alle bewegen müssen.“
       
       Michael Müller weiß es. „Das wird überhaupt nicht leichter“, sagte er in
       Anspielung auf ein von ihm eigentlich erhofftes Zweierbündnis. „Ganz im
       Gegenteil. Es wird vom ersten Tag an einen deutlich höheren
       Kommunikationsbedarf geben.“ Und SPD-Fraktionschef Raed Saleh meint: „Man
       muss sein Gegenüber respektieren, dann geht das auch zu dritt. Man muss
       wissen, dass die anderen Parteien ihre eigenen Werte und Inhalte haben, mit
       denen sie in einer Koalition gleichberechtigt vorkommen wollen.“
       
       Die Linken haben sich bereits einmal in Thüringen umgeschaut, wo es bereits
       ein Dreierbündnis mit SPD und Grünen gibt – allerdings unter Führung des
       linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Der dortige Chef der
       Staatskanzlei, Benjamin Hoff, ist auch in Berlin kein Unbekannter, unter
       Rot-Rot war er von 2006 bis 2011 Staatssekretär für Gesundheit, Umwelt und
       Verbraucherschutz. In einem Interview sagte er vor kurzem zur Architektur
       eines Dreierbündnisses. „Wir sind nur zusammen mehrheitsfähig, darum wollen
       wir auch zusammen erfolgreich sein. Es muss immer ein Partner den zwei
       anderen nachgeben. Aber bei einem anderen Thema ist er einer der beiden,
       denen der dritte nachgeben muss.“ So entstehe Stabilität, meinte Hoff,
       fügte aber hinzu. „Aber das letzte Wort hat auch in Thüringen der
       Regierungschef.“
       
       Das mag in Thüringen so sein, wo Bodo Ramelow als Koch im Zweifel die
       beiden Kellner Grüne und Linke hin- und herschicken kann. In Berlin aber
       begegnen sich SPD, Linke und Grüne nahezu auf Augenhöhe. Das macht die
       Sache zum einen schwieriger. Ohne eine institutionalisierte Runde wie einen
       Koalitionsausschuss oder wöchentliche Chefgespräche, lässt sich der
       Kommunikationsfaden wohl kaum aufrechterhalten.
       
       Auf der anderen Seite bedeutet ein solches Bündnis auch, dass nicht jeder
       Erfolg automatisch der Erfolg der größten Partei ist und auf Kosten der
       kleineren geht. Gut möglich also, dass am Ende von Rot-Rot-Grün alle drei
       Parteien profitieren. Vorausgesetzt, sie ergreifen ihre Chance.
       
       19 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
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