# taz.de -- Erfolg der Linkspartei in Berlin: Schick gemacht
       
       > Trotz des AfD-Erfolgs legt die Linke zu. Dabei gewinnt sie ihre neuen
       > Anhänger bei Ex-Piratenwählern und im jungen, gut gebildeten Westberliner
       > Milieu.
       
 (IMG) Bild: Einmal durch die Wahlparty knuddeln: Klaus Lederer
       
       Berlin taz | Die Siegerfäuste waren schon wieder in den Taschen
       verschwunden, als Spitzenkandidat Klaus Lederer gegen 21.30 Uhr zum zweiten
       Mal am Wahlabend vor die Genossen trat. Seit seinem ersten Auftritt kurz
       nach 18 Uhr waren zumindest die Forsa-Zahlen für die Linke kontinuierlich
       gefallen, derweil kletterten die der AfD in immer erschreckendere Höhen.
       
       Doch Lederer brauchte nur die Bühne zu betreten, um die Versammelten im
       Friedrichshainer Club Rosi's wieder aufzuwecken. „Kla-aus,
       Kla-aus“-Sprechchöre schallten durch den Garten. Mit nur 68 Prozent war der
       42-Jährige im März zum Spitzenkandidaten gewählt worden. Doch in den
       vergangenen Wochen – und noch mehr an diesem Abend – hat sich die Partei
       hinter ihm versammelt.
       
       „Wir haben die Hoffnung wieder auf die linke Seite geholt“, jubilierte
       Lederer über den Zuwachs von 3,9 Prozent, einem Plus von 85.000 Wählern. Es
       war die erste zentrale und zugleich frohe Botschaft für die Partei. Die
       Linke hat sich gegen die AfD behauptet – besser zumindest, als es nach den
       Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zu erwarten war. Ein
       Politikwechsel ist auch gegen die AfD möglich – so die verbreitete Lesart.
       
       Zwar verlor die Partei etwa 12.000 Stimmen an die Rechtspopulisten. Doch
       das ist nicht mehr, als auch die Piraten abgegeben haben, und deutlich
       weniger, als CDU (39.000) und SPD (24.000) einbüßten. Bis auf
       Marzahn-Hellersdorf, hier liegt die Linke 0,1 Prozentpunkte hinter der AfD,
       gewann die Partei alle Ostbezirke, wenn auch, außer in Pankow, mit leichten
       Verlusten. Weil die SPD noch viel deutlicher verlor, ist die Linke mit 24
       Prozent wieder stärkste Partei im Ostteil der Stadt.
       
       Diejenigen Stammwähler, die der Partei auch bei dem desaströsen
       Wahlergebnis vor fünf Jahren die Treue hielten, konnte die Partei wieder
       mobilisieren. Ihr klarer Kurs in der Flüchtlingsfrage, das Bekenntnis zu
       Willkommenskultur und Integration hat ihr nicht geschadet. Und die
       Unzufriedenen, die reinen Protestwähler, die jetzt die AfD unterstützten,
       hatte die Linke wohl schon vor fünf Jahren verloren.
       
       ## Neue Wählerschichten
       
       Dafür drang die Partei in junge, urbane, überwiegend gut gebildete Kreise
       im Westteil der Stadt vor – das ist die zweite Botschaft. In den
       Altersgruppen der 18 bis 24- und 25 bis 34-Jährigen gewann sie 17 Prozent.
       Vor fünf Jahren waren es lediglich 9 und 8 Prozent. Geschickt gelang es der
       Linken-Kampagne, Lederer als Stimme der vorwärtsgewandten Empörten zu
       präsentieren. Der Slogan „Die Stadt gehört euch“ als Signal an die aktive
       Stadtgesellschaft wurde von vielen als Angebot verstanden.
       
       Zudem konnte die Linke 22.000 ehemalige Piratenwähler für sich gewinnen.
       Sie folgten Expiraten wie Martin Delius, Oliver Höfinghoff oder Julia
       Schramm. Damit konnte sich die vielfach noch als Rentnerverein
       wahrgenommene Linke ganz neue Schichten erschließen. Graue Haare und
       Halbglatzen waren nicht das dominierende Bild auf der Wahlparty,
       stattdessen viele Mittzwanziger.
       
       10 Prozent der Stimmen im Westteil konnte die Partei auf sich vereinen, im
       Schnitt verdoppelte sie sich in den Bezirken. Zudem zieht sie in alle
       Bezirksparlamente in Fraktionsstärke ein. Fast schon auf Ost-Niveau sind
       ihre Ergebnisse in Nord-Neukölln oder Wedding, in einigen Wahllokalen holte
       sie über 30 Prozent.
       
       Ein besonderes Schmankerl und drittes zentrales Ergebnis konnte Lederer
       seinen Genossen dann auch noch präsentieren: „Wir sind nicht die Dritten am
       Katzentisch, sondern die zweitstärkste Partei“, sagte er im Hinblick auf
       eine wahrscheinliche rot-rot-grüne Koalition. Auch wenn es niemand
       aussprach, die Eheversprechen von SPD und Grünen vor der Wahl ärgerten
       viele.
       
       Nun hat die Linke den Grünen den Rang abgelaufen. Für die Genossen ist das
       mehr als eine Genugtuung. Es ist die Chance, deutlich mehr Gewicht in die
       Verhandlungen zu legen. In Richtung der SPD sagte Lederer dann auch am
       Montag: „Es geht nicht, dass sich eine Partei alle paar Jahre mal einen
       neuen Koalitionspartner sucht und sonst aber so weitermacht wie immer. Das
       wird nicht funktionieren.“
       
       19 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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