# taz.de -- Kanadierin zu Protest gegen Ceta: „Der Widerstand in der EU inspiriert“
       
       > Die kanadische Handelsexpertin Sujata Dey bedauert die unkritische
       > Haltung der Kanadier zum Freihandel. Doch bei Ceta hat sie Hoffnung.
       
 (IMG) Bild: In allen Sprachen verständlich – Protest gegen das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU
       
       taz: Frau Dey, glauben Sie, dass Ceta jemals in Kraft treten wird? 
       
       Sujata Dey: Ceta steht auf der Kippe. Die Widerstände sind groß, ganz
       besonders in Europa. Zuletzt war die EU ja sogar gezwungen, Ceta als
       gemischtes Abkommen einzustufen. Deshalb müssen jetzt alle
       nationalen Parlamente in der EU zustimmen. Mal sehen, wie das
       ausgeht.
       
       In Europa ist der politische Widerstand groß, nicht aber in
       Kanada. Warum? 
       
       Ich bin häufig in Europa und Deutschland unterwegs und finde den
       couragierten Widerstand vieler Gruppen dort sehr inspirierend.
       Bei uns in Kanada gibt es auch viele Gegner, bei den Gewerkschaften,
       bei Umweltgruppen, bei Landwirten, bei Ureinwohnern, in vielen
       Kommunen. Leider aber finden sie in der Öffentlichkeit kaum Gehör.
       Viele Kanadier wissen nur wenig über Ceta, die Medien berichten
       eher einseitig. Daher tut sich bei uns politisch kaum was. Im
       Parlament in Ottawa halten nur die Sozialdemokraten dagegen,
       doch auch nur halbherzig. Außerdem sind sie angesichts der
       Mehrheitsverhältnisse machtlos.
       
       Die Regierung in Ottawa und alle Provinzen und Territorien
       wollen Ceta unterzeichnen. Das sieht schon nach einem breiten
       politischen Konsens aus – oder? 
       
       Ganz so eindeutig ist es nicht. In Neufundland gibt es Widerstände
       gegen die Fischereivorschriften, in Québec gegen die Regeln zu
       öffentlichen Ausschreibungen. Doch wahr ist auch: Es wird wohl nicht
       reichen, um Ceta hier zu stoppen. Viele Kanadier glauben der
       Regierung, dass mehr Freihandel automatisch mehr Geld und Wohlstand
       bringt. Dabei ist das ein Mythos. Wir setzen daher große Hoffnungen auf
       unsere Mitstreiter in Europa!
       
       Warum kämpfen Sie gegen Ceta? 
       
       Bei Ceta geht es um mehr als nur Zölle, der Vertrag dreht sich um eine
       weitgehende Deregulierung, vor allem des öffentlichen Sektors.
       So dürfen danach unsere Gemeinden bei Ausschreibungen künftig
       keine lokalen Dienstleister mehr bevorzugen. Viele Vorschriften
       und Standards, die unsere Bürger schützen sollen, werden
       verwässert, bei der Gesundheitsvorsorge etwa oder auch beim Schutz
       am Arbeitsplatz. Die Gestaltungshoheit des Staats wird zugunsten
       der Wirtschaft eingeschränkt.
       
       Zuletzt wurde der Vertrag nachgebessert. Neu ist, es soll jetzt keine
       privaten Schiedsgerichte mehr geben. Hat das nicht geholfen? 
       
       Das sind doch nur kosmetische Korrekturen. Es ist wie bei einem
       baufälligen Haus, das noch einmal schön gestrichen wird, bevor es
       einstürzt. An der Grundproblematik ändern die Korrekturen nichts:
       Große Konzerne sollen eine Art VIP-Status bekommen, denn sie sollen
       klagen können, wenn sie sich benachteiligt fühlen. Einfache Bürger
       oder lokale Dienstleister aber bekommen dieses Recht nicht.
       
       Könnte Ceta so verbessert werden, dass Sie es unterstützen könnten? 
       
       Man müsste die ganze Herangehensweise ändern und die Interessen
       der Bürger vor die Interessen der Konzerne stellen. Dann wäre das
       möglich, ich sehe aber nicht, dass das passiert.
       
       Auch Justin Trudeau unterstützt Ceta. Dabei sehen in Europa viele in
       dem kanadischen Premier einen alternativen, linksliberalen
       Politiker. Ist der Eindruck etwa falsch? 
       
       Im Vergleich zur alten, stramm konservativen Vorgängerregierung
       mag das so erscheinen. Justin Trudeau ist fotogen, weltoffen und er
       lacht viel. Politisch aber stehen er und seine Liberale Partei in
       der Mitte, nicht etwa links. Auch wenn er hier und da Korrekturen
       vornimmt, wird er das Land nicht fundamental ändern, schon gar nicht
       in der Wirtschafts- oder Handelspolitik. Wie Barack Obama ist auch er
       grundsätzlich für den Freihandel. Trudeau unterstützt Ceta und die
       transpazifische Partnerschaft TPP.
       
       In den USA wächst der Widerstand gegen TPP, nicht zuletzt dank Donald
       Trump. Fühlen Sie sich eigentlich wohl in seiner Gesellschaft? 
       
       Es ist eine Ironie unserer Zeit, dass ausgerechnet der
       Multimilliardär und Konzernboss Donald Trump gegen den Freihandel
       ist. Doch der Zulauf für Herrn Trump und seine Parolen zeigt eines: Die
       Globalisierung, wie sie bisher abgelaufen ist, hat viele
       Verlierer produziert – und das müssen wir ernst nehmen.
       
       1 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Michel
       
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