# taz.de -- Kommentar EU und tote Flüchtlinge: Das Ende der Rettungslüge
       
       > Die „oberste Priorität“ von Frontex ist nicht die Rettung von
       > Flüchtlingen – sondern deren Abschreckung. Dabei werden Tote in Kauf
       > genommen.
       
 (IMG) Bild: Frontex-Mitarbeiter bei der Abschiebung eines Flüchtlings von Lesbos in die Türkei
       
       Seit Jahren versichern Europas oberste Grenzschützer von Frontex, die
       Rettung von Flüchtlingen habe für sie „oberste Priorität“. Dass, so viel
       lässt sich sagen, war gelogen. Denn 2014, als vor Lampedusa immer mehr
       Schiffe mit Dutzenden, teils Hunderten Menschen untergingen, da wurde
       anders entschieden. Wäre Rettung Frontex'„oberste Priorität“ gewesen, hätte
       die Agentur nicht darauf gedrängt, Italiens Marineschiffe von dort
       abzuziehen, wo die Schiffbrüchigen waren: vor der Küste Libyens.
       
       Dies geschah, wie britische Wissenschaftler nun gezeigt haben, aus nur
       einem Grund: weitere Flüchtlinge von der Überfahrt abzuschrecken. Hier lag
       die „oberste Priorität“. Dass deswegen mehr Menschen sterben könnten, das
       hatte Frontex vorausgesagt. Ausschlaggebend war es für die EU nicht. Und
       Frontex behielt recht: Die Todeszahlen stiegen im vergangenen Jahr in eine
       nie dagewesene Höhe.
       
       Wie berechnend im Mittelmeer vorgegangen wurde, lässt nichts Gutes für die
       Zukunft hoffen. Ein Jahr lang war es um die Flüchtlingsroute um Lampedusa
       still geworden. Das Fluchtgeschehen hatte sich auf die Ägäis und den Balkan
       verlagert. Italien konnte durchatmen. Nach der Einigung zwischen der Türkei
       und der EU hat diese Zeit nun ein Ende. Für Flüchtlinge aus dem Nahen und
       Mittleren Osten wird der Weg über das kriegsgeschüttelte Libyen wieder zur
       Option – für jene aus subsaharischen Staaten sowieso.
       
       Es ist kein Zufall, dass heute vor allem private Initiativen vor Libyen die
       Seenotrettung übernehmen – allein 115 Schiffbrüchige nahmen am Sonntag
       Schiffe des deutschen Vereins „SOS Méditeranée“ und von Ärzte ohne Grenzen
       an Bord. Die EU hat dort andere Pläne als Leben zu retten: Heute will sie
       mit libyschen Militärs über eine Ausweitung ihrer Militärmission Eunavfor
       verhandeln.
       
       Was seit dem Sturz Gaddafis als Tabu galt, kommt jetzt wieder auf die
       Agenda: Wie schon die Türkei soll nun auch das Bürgerkriegsland von der EU
       aufgehaltene Flüchtlinge zurücknehmen.
       
       18 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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