# taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: Zwischen Hostel und Turnhalle
       
       > Wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr nach Berlin kommen, ist offen. Viele
       > leben weiterhin in Notunterkünften.
       
 (IMG) Bild: Zu groß für Ruhe, zu klein für alles Andere: Flüchtlingsunterkunft in einer Turnhalle im Olympiapark in Charlottenburg
       
       In Berlin kommen nur noch wenige Flüchtlinge an. Das erste Mal seit 20
       Monaten haben im März weniger als 1.000 Flüchtlinge die Stadt erreicht.
       „Zurzeit wissen wir gar nicht, mit wie vielen wir rechnen sollen“, sagt
       Monika Hebbinghaus, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und
       Soziales. „Alle warten jetzt erst mal ab, wie viele Flüchtlinge über das
       Abkommen in die EU und dann nach Deutschland kommen und wie viele davon
       dann tatsächlich nach Berlin kommen.“ Laut dem Abkommen vom 18. März nimmt
       die EU für jeden Flüchtling, der von Griechenland wieder in die Türkei
       zurückgeschickt wird, seit diesem Montag einen Flüchtling direkt aus der
       Türkei auf. „Wir können aber noch nicht absehen, was das für Berlin
       bedeutet“, sagt Hebbinghaus.
       
       Trotz des Rückgangs bleibt die Unterbringungssituation der Geflüchteten
       prekär. Viele der im vergangenen Jahr Angekommenen leben noch in
       Notunterkünften. Nach wie vor sind laut Sozialverwaltung auch 63 Turnhallen
       mit Flüchtlingen belegt. Aktuell werde die Aufstellung von
       Wohncontaineranlagen auf den von den Bezirken bereitgestellten Grundstücken
       vorbereitet. „Wir gehen derzeit davon aus, dass im Sommer ausreichend
       Unterkünfte bereitstehen, damit alle Flüchtlinge aus den Turnhallen
       ausziehen können“, so Hebbinghaus.
       
       Wie schnell die Turnhallen dann frei gemacht werden könnten, hänge
       allerdings auch „von der weiteren Entwicklung der Zugangszahlen“ ab, sagt
       sie. Die könne zur Zeit noch „nicht hinreichend verlässlich“ eingeschätzt
       werden. Einige Turnhallen seien nicht mehr voll belegt. „Es wäre aber
       kurzsichtig, jetzt Menschen zusammenzulegen und Turnhallen wieder zu
       schließen, wo wir noch gar nicht wissen, ob die Zahl der Ankommenden wieder
       steigt.“
       
       Laut der Initiative „Moabit hilft“ werden derzeit sogar vermehrt
       Flüchtlinge, die vorher in Hostels gelebt haben, in Turnhallen
       einquartiert. Dies liegt nach Ansicht der Initiative zum einen daran, dass
       das Lageso seit Anfang März nur noch 30 statt 50 Euro pro Tag an
       Hostelbetreiber zahle. Auch würden Hostels Verträge mit dem Lageso
       kündigen, weil die Behörde Rechnungen nicht rechtzeitig begleiche. „Da
       leben Menschen sechs, sieben Monate in einer Unterkunft, integrieren sich,
       finden Schulplätze für die Kinder in der Nähe, und dann landen sie irgendwo
       in einer Turnhalle“, sagt Diana Henniges von „Moabit hilft“. „Und das
       betrifft auch besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, Frauen mit Säuglingen
       oder Menschen mit Behinderungen.“
       
       ## Die Notunterkünfte bleiben voll
       
       Es sei nicht das Bestreben der Senatsverwaltung, Flüchtlinge aus Hostels
       herauszuholen, sagt Hebbinghaus. Sie sieht die Verantwortung dafür bei den
       Hostelbetreibern. „Wenn die Betreiber Plätze zu unseren Kostensätzen
       anbieten und es keine Beschwerden gibt, gibt es aus unserer Sicht keinen
       Grund, Flüchtlinge in andere Unterkünfte zu verlegen.“ Doch damit mache es
       sich die Verwaltung zu einfach, kritisiert „Moabit hilft“. „Das Lageso ist
       dafür zuständig, sich um eine angemessene Folgeunterbringung zu kümmern,
       wenn Familien aus Hostels ausziehen müssen“, sagt Henniges.
       
       Anders als in Flächenländern wie Brandenburg werden in Berlin die Erst- und
       Notunterkünfte also nicht so schnell leer stehen. Inzwischen leben laut
       Senatsverwaltung zudem schon Tausende Menschen in Notunterkünften, deren
       Verfahren abgeschlossen ist und denen eigentlich eine Unterbringung in
       einer eigenen Wohnung durch die Bezirke zustünde. Doch die Bezirke finden
       nicht genug geeignete Wohnungen. Wenn das Bundesamt für Migration und
       Flüchtlinge ab Mai wie angekündigt schneller über Asylanträge entscheidet,
       wird dies bald sehr viele Menschen in den Unterkünften betreffen.
       
       Insgesamt sind in den ersten drei Monaten des Jahres 2016 rund 12.520
       Flüchtlinge neu in Berlin angekommen, nur noch knapp 1.000 davon im März.
       Alle seien bereits registriert, teilte die zuständige Senatsverwaltung für
       Soziales auf taz-Anfrage mit. Damit ist die Zahl der täglichen Ankünfte im
       Vergleich zum Vorjahr, als teils bis zu 800 Flüchtlinge täglich nach Berlin
       kamen, erheblich gesunken. Deshalb ist unklar, ob die für 2016
       prognostizierte Zahl von 60.000 neuen Flüchtlingen in Berlin tatsächlich
       erreicht wird.
       
       Derzeit können in Berlin täglich bis zu 700 Flüchtlinge neu registriert
       werden. Knapp 10.000 der Neuankömmlinge sind über den Verteilerschlüssel
       des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dauerhaft Berlin zugeteilt.
       Sie werden während ihres Asylverfahrens in der Stadt bleiben.
       
       4 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
 (DIR) Alke Wierth
       
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