# taz.de -- Der neue AfD-Bundesvorstand: Auf dem rechten Weg
       
       > Lucke und seine Gefolgsleute verlassen die AfD. Einen Rechtsruck will die
       > neue Parteichefin nicht sehen. Wir schauen genauer hin.
       
 (IMG) Bild: Der AfD-Bundesvorstand um Frauke Petry (6.v.r.) auf dem Parteitag in Essen
       
       BERLIN taz | Eins will Frauke Petry an diesem Freitag unbedingt
       klarstellen: Einen Rechtsruck der AfD gebe es nicht. Die Partei hat in
       Berlin erstmalig mit ihrem neuen Bundesvorstand zur Pressekonferenz
       geladen. „Die AfD ist die Partei, die sie 2013 war“, gibt die neue Chefin
       den Ton vor.
       
       Selbst in der AfD sehen das andere anders. Am gleichen Tag verlässt
       Parteigründer Bernd Lucke die Partei, er war lange Zeit ihre Ikone. „Die
       AfD ist unwiederbringlich in die falschen Hände gefallen“, schreibt er. In
       der AfD herrschten „islamfeindliche und ausländerfeindliche“, auch
       „antiwestliche“ Ansichten.
       
       Vergangenes Wochenende war Lucke auf dem AfD-Parteitag in Essen deutlich
       abgewählt worden. Stattdessen übernahm der rechtsnationale Flügel den
       Bundesvorstand. Mit Lucke verließen seitdem über 2.000 neoliberale
       Mitglieder die AfD, mehrheitlich sind sie für die Gründung einer neuen
       Partei.
       
       Von einem Rechtsruck der AfD zu sprechen, beteuert Petry dagegen am
       Freitag, sei „Propaganda im schlimmsten Sinn“, die das Lucke-Lager
       verbreite. Alles Propaganda also? Immerhin standen 10 der 13 neu gewählten
       Mitglieder des Bundesvorstands auf einer Wahlliste des rechten Flügels.
       Eine Auswahl.
       
       Frauke Petry, Bundeschefin Schon seit Beginn der AfD dabei, ist sie seit
       Samstag die starke Frau der Partei, weiterhin ist sie Landeschefin in
       Sachsen. Die Chemikerin und vierfache Mutter fordert die Drei-Kind-Familie
       und eine Volksabstimmung zum Abtreibungsparagrafen, damit das deutsche Volk
       nicht schrumpft. Auch zum Bau von Moscheen mit Minaretten will sie die
       Bürger befragen. Petry ließ frühere Mitglieder der islamfeindlichen
       „Freiheit“-Partei in die AfD. „Der Islam ist uns völlig fremd und mit dem
       Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte die 40-Jährige auf dem Essener
       Parteitag – und erhielt donnernden Applaus.
       
       Im Anschluss versuchte sie in einer internen Mail den Putsch wieder
       einzufangen: „Für einen Kurswechsel oder eine Verschärfung des Tons steht
       dieser Bundesvorstand nicht zur Verfügung.“ Da aber feierte der rechte
       Flügel bereits. Man sei „begeistert“ über die Wahlausgänge, schrieb deren
       Initiative. „Unsere Empfehlung spiegelt sich fast 1:1 in diesem Ergebnis.“
       
       Jörg Meuthen, BundeschefDer Karlsruher Wirtschaftsprofessor, promoviert
       über Kirchensteuer, gilt als liberales Feigenblatt des neuen Vorstands.
       Allerdings stand auch er auf der Wahlliste des rechten Flügels – wie 10
       weitere der 13 neuen Bundesvorstände. Meuthens Ziel: weniger Staat, wo er
       „nichts zu suchen hat“. Das bedeutet für den Ex-FDP-Wähler auch die
       „Beendigung der Gender-Mainstreaming-Ideologie“ oder die „strikte“
       Begrenzung von Zuwanderung, „auch gegen absehbare Widerstände im Inneren
       wie im Äußeren“.
       
       Beatrix von Storch, VizechefinDie Berlinerin treibt vor allem ein Thema um:
       Sex, im weitesten Sinne. Von Storch ist strikte Abtreibungsgegnerin, lehnt
       die Ehe für alle ab, schimpft auch mal über heutige Schulen, „die unseren
       Kindern erklären, wie man Bordelle gründet und sich Gegenstände in
       Körperöffnungen einführt“. Seit Jahren ist von Storch auf
       Anti-Abtreibungs-Märschen dabei, organisierte jüngst in Stuttgart Proteste
       gegen den Bildungsplan für sexuelle Vielfalt.
       
       Sie steht der „Zivilen Koalition“ vor, einem Verein, der für eine streng
       konservative Familienpolitik eintritt. Von Storch nennt „Widerstand gegen
       das Gift der Genderideologie“ eine Pflicht, auf dem Essener Parteitag
       forderte sie „keinen Cent für Gender-Mainstreaming-Programme“. Von Storch
       ist auch AfD-Abgeordnete im Europaparlament – und dort künftig recht
       allein. Nach dem Austritt von Lucke und vier weiteren AfD-Abgeordneten wird
       sie nur noch mit einem Parteifreund in Brüssel und Straßburg sitzen.
       
       Alexander Gauland, Vizechef Einst war Gauland CDU-Staatssekretär in Hessen,
       jetzt ist er rechtes Sprachrohr der AfD. Der 73-jährige
       Nationalkonservative wettert heute bevorzugt über Grenzkriminalität,
       Flüchtlingsheime und „Multikulturalismus“. Daneben präsentiert er sich als
       großer Russland-Versteher.
       
       In Brandenburg, wo Gauland Landeschef ist, erzielte die AfD mit diesem Kurs
       bei der letzten Landtagswahl 12,2 Prozent. Die Pegida-Wutbürger nennt der
       frühere Publizist einen „natürlichen Verbündeten“ der AfD. Auf dem
       Parteitag in Essen forderte Gauland: „keine roten Linien in der Partei“. Er
       bekam 83,8 Prozent der Stimmen – eines der besten Ergebnisse.
       
       Alice Weidel, BeisitzerinDie niedersächsische Volkswirtin und Buchautorin
       (“Das Rentensystem der Volksrepublik China“) tritt für einen Austritt
       Deutschlands aus dem Euro ein und eine Rückkehr zu einer „simplen,
       goldgedeckten Währung“. In Essen nannte Weidel „die Genderideologie
       Schwachsinn“ und warnte vor einer „Frühsexualisierung im Klassenzimmer“.
       Applaus bekam sie auch für ihre Presseschelte, taz inklusive: „Die gesamten
       Medien brauchen wir nicht.“
       
       Julian Flak, BeisitzerDer Hamburger gehört zum Bundesvorstand der
       AfD-Jugend, der Jungen Alternative (JA), stets noch einen Tick radikaler
       als die AfD. Dort setzte sich schon im Juni der rechte Flügel durch –
       liberalere Mitglieder traten massenhaft aus. Flak zählte zu den Siegern. In
       Essen forderte der 33-Jährige die Wiedereinführung von Grenzkontrollen und
       betonte, Deutschland könne „nicht alle Asylbewerber der ganzen Welt
       aufnehmen“. Flak gehörte zu den lautesten Kritikern des Lucke-Vereins
       „Weckruf“. Im Internet schrieb er: „Bitte keine falsche Zurückhaltung. In
       der AfD ist kein Platz für Verräter.“
       
       André Poggenburg, Beisitzer Der 40-jährige Autokühler-Verkäufer ist
       AfD-Chef in Sachsen-Anhalt – und gemeinsam mit Björn Höcke, seinem Kollegen
       aus Thüringen, einer der extremsten Rechtsausleger der Partei. Poggenburg
       ist Mitverfasser der „Erfurter Resolution“ des rechten AfD-Flügels. Die
       fordert eine „patriotische“ Partei gegen „Gender Mainstreaming,
       Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit“ ein. Burschenschaften lobt
       Poggenburg für ihr „aufrechtes Einstehen für deutsche Interessen“. In
       Tröglitz, wo Unbekannte eine Asylunterkunft anzündeten, diskutierte er mit
       einem NPD-Mann auf einem Podium über Asylpolitik.
       
       Für die Brandstiftung gab der AfDler der „von oben diktierten“
       Zuwanderungspolitik eine „mindestens indirekte Mitschuld“. Der NPD
       attestierte Poggenburg, wie sein Kumpel Höcke, dort seien „nicht alles
       Extremisten“, er arbeite mit ihnen im Kreistag zusammen. Das ging selbst
       Petry zu weit. Sie nannte Poggenburgs Äußerungen „unvereinbar mit den
       Prinzipien der Partei“ und bescheinigte ihm, für Funktionen in der AfD
       nicht geeignet zu sein. Jetzt sitzt Poggenburg im Bundesvorstand.
       
       Dirk Driesang, BeisitzerDer Bergwanderer und hauptberufliche Chorsänger
       nennt die EU „die größte Bedrohung für Freiheit, Frieden, Demokratie,
       Rechtsstaat und Wohlstand seit den braunen und roten Diktaturen und dem
       Zweiten Weltkrieg“. In seiner Vorstandskandidatur befand der Bayer,
       „Einwanderung aus kulturfremden Gebieten, insbesondere die Zuwanderung von
       Muslimen, kann nur denkbar gering sein“. Das „System Islam“ sei
       „hochproblematisch“. Es brauche Grenzen, die „in der Lage sein müssen, die
       Wucht großer Migrationsbewegungen aufzuhalten“. Im jüngsten Lagerstreit war
       Driesang nicht zimperlich: „Dass man in der aktuellen Situation mit harten
       Bandagen kämpfen muss“, so der 50-Jährige, „ist nur logisch und
       konsequent“.
       
       10 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
 (DIR) Konrad Litschko
 (DIR) Andreas Speit
       
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