# taz.de -- Staatstrojaner gegen Drogendealer: Heimlicher Einbruch bei Dieben
       
       > Bayerns LKA bricht auch mal heimlich in ein Firmenbüro ein, um
       > Schnüffelsoftware zu installieren. Bisher haben Staatstrojaner mehr als
       > 160.000 Screenshots angefertigt.
       
 (IMG) Bild: Wiesn-Zeit: So illustrierte der Chaos Computer Club den Vorfall.
       
       BERLIN taz | Nicht nur nach einer Kontrolle bei der Einreise an einem
       bayrischen Flughafen müssen Reisende befürchten, dass die Behörden ihnen
       den Staatstrojaner auf der Festplatte installieren. Der Freistaat setzt
       auch auf heimliche Einbrüche. "Die manuelle Installation der Software (...)
       erfolgte auf Zielrechnern, die sich in einem Firmenbüro befanden", steht in
       der Antwort des bayrischen Innenministeriums auf eine Anfrage von Susanna
       Tausendfreund (Grüne) vom Juni. Das Innenministerium unter Leitung von
       Joachim Herrmann (CSU) verweist darauf, dass das Amtsgericht München einen
       Durchsuchungsbeschluss erlassen habe, der den Einbruch offenbar abdeckte.
       
       In dem Verfahren ging es um drei Personen, die Kleidung und Drogerieartikel
       gestohlen und im Ausland weiterverkauft haben sollen. Die Staatstrojaner
       wurden vom Landeskriminalamt bei dem Einbruch auf zwei Rechnern
       installiert, sie fertigten noch im Jahr 2009 insgesamt 43.147 Screenshots
       an. Einer der Beschuldigten wurde in der ersten Instanz wegen 25
       Diebstählen und Urkundenfälschung in Verbindung mit unerlaubtem
       Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ob die
       Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, wie es bei diesem Strafrahmen häufig
       vorkommt, ist nicht bekannt. Der zweite Beschuldigte erhielt einen
       Strafbefehl über eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen, der dritte von 90
       Tagessätze.
       
       Bei einem anderen Verdächtigen installierten Beamte den Trojaner, als er im
       Sommer 2009 von einer Geschäftsreise aus Indien zurückkam und am Flughafen
       München kontrolliert wurde. Die Behörden hatten ihn im Verdacht, Teil einer
       Gruppe zu sein, die Arzneimittel illegal ins Ausland verkauft. Der Trojaner
       fertigte in drei Monaten mehr als 60.000 Screenshots an.
       
       In einem weiteren Fall verdächtigten die Behörden einen Nürnberger, Drogen
       und Dopingmittel aus dem Ausland einzukaufen, um sie an Türsteher und
       Personen aus dem Rotlichtmilieu weiterzuverkaufen. Bei einer Kontrolle am
       Flughafen installierten sie den Trojaner. Dies geschah "im Rahmen einer
       polizeilichen Einreisekontrolle", so das Justizministerium unter Beate Merk
       (CSU). Zuständig für die Installation war hier also nicht der Zoll, sondern
       die Polizei. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den Beschuldigten
       im Oktober 2010 zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Die
       bayrischen Trojaner fertigten allein in den Jahren 2009 und 2010 zusammen
       mit dem Einsatz in einem weiteren Fall mehr als 160.000 Screenshots.
       
       ## Erhebliche Sicherheitsmängel
       
       Was die Konstruktion der Software angeht, verweist das Justizministerium
       auf das Landeskriminalamt (LKA). Zwar erfolge "die Entwicklung der
       Kernkomponenten der Software durch eine private Firma". Doch: "Vor dem
       Einsatz der Software führt das Bayrische LKA umfangreiche Testprozeduren
       durch". Erst danach werde die Software eingesetzt. Wenn das stimmen sollte,
       dann müssen dem LKA also sowohl die erheblichen Sicherheitsmängel der
       Software bekannt gewesen sein als auch die Tatsache, dass nach der
       Installation jederzeit weitere Programme mit beliebigem Funktionsumfang
       nachgeladen werden können.
       
       Als der bayrische Landtag im Jahr 2009 über die Online-Durchsuchung
       diskutierte, wurde das Gesetz übrigens nicht damit begründet, dass man so
       Kleidungsdiebe und Drogendealer besser fassen könne. Herrmann sagte damals
       im Landtag, und man muss das wirklich einmal am Stück zitieren:
       
       "Warum wird denn überhaupt über Online-Durchsuchungen in Deutschland
       geredet? Weil wir im Sommer 2007 die dramatischen Erfahrungen mit den
       Attentätern aus dem Sauerland hatten, die jetzt in Düsseldorf vor Gericht
       stehen. Was war die konkrete Erfahrung daraus? - Das wird zurzeit Tag für
       Tag vor Gericht verhandelt. Die konkrete Feststellung war damals, dass die
       Informationen über das Internet und die Computer ausgetauscht werden. (...)
       Leider machen die Terroristen von der allermodernsten Technik, nämlich dem
       Computer und dem Internet, Gebrauch. Bisher gibt es keine Möglichkeiten, da
       hineinzuschauen. Deshalb ist es eine zwingende Notwendigkeit, dass man der
       Polizei wie für die Techniken vor 50 und 100 Jahren jetzt die Befugnis
       gibt, sich in einem solchen extremen Fall – ich betone: in einem solchen
       extremen Fall – mit der modernsten Technik, der sich heute die Terroristen
       bedienen, näher zu beschäftigen. Darum geht es."
       
       Zwei Jahre später kann man feststellen: Kein einziger Fall, in dem der
       bayrische Trojaner bisher eingesetzt wurde, war ein auch nur annähernd so
       extremer Fall. Herrmann kann die neue Aufregung nicht verstehen und
       verteidigt den Einsatz Spionagesoftware. Er sagte der "Passauer Neuen
       Presse", das LKA habe "ausschließlich rechtlich zulässige, von
       Ermittlungsrichtern angeordnete Maßnahmen" angewandt.
       
       11 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
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