# taz.de -- Aufarbeitung der NS-Zeit: Roma wollen Geschichte klären
       
       > Kommission soll auch die Diskriminierung von Sinti und Roma durch das
       > frühere Justizministerium untersuchen, fordert der Zentralrat der Sinti
       > und Roma.
       
 (IMG) Bild: Außenminister Guido Westerwelle empfängt Romani Rose, den Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma.
       
       BERLIN taz | Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert das
       Bundesjustizministerium (BMJ) auf, bei der wissenschaftlichen Untersuchung
       der NS-Kontinuitäten auch die Benachteiligung der Minderheit durch die
       deutsche Nachkriegsjustiz aufzuarbeiten.
       
       „Die von den früheren Tätern in ihren neuen Stellungen nach 1945 fast
       ungebrochen fortgeführte Ausgrenzung und Diskriminierung unserer Minderheit
       prägen bis heute die Ressentiments gegen Sinti und Roma“, schreibt der
       Zentralratsvorsitzende Romani Rose in einem Brief an Bundesjustizministerin
       Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), der der taz vorliegt. „Das BMJ
       darf diese Seite seiner Geschichte nicht ausblenden.“
       
       Leutheusser-Schnarrenberger stellt an diesem Montag in Berlin erste
       Ergebnisse einer 2012 von ihr eingesetzten Historikerkommission vor, den
       Sammelband „Die Rosenburg“, benannt nach dem früheren Sitz des
       Bundesjustizministeriums in Bonn-Kessenich.
       
       Besonderes Augenmerk sollen die Forscher auf NS-Einflüsse auf das
       Ministerium in den Anfängen der Bundesrepublik richten. Noch im Jahr 1959
       waren demnach 45 Prozent aller leitenden Beamten im Bundesjustizministerium
       ehemalige NSDAP-Mitglieder.
       
       Romani Rose nennt im Schreiben an Leutheusser-Schnarrenberger das Beispiel
       eines besonders furchtbaren Juristen, der in der Demokratie Karriere machen
       durfte: Franz Maßfeller, in der NS-Zeit Kommentator der „Nürnberger
       Rassengesetze“.
       
       ## „Träger artfremden Blutes“
       
       „Nicht nur durch deutsch-jüdische Mischungen wird die Reinheit des
       deutschen Blutes gefährdet“, schrieb Maßfeller 1936. „Auch die Mischung
       anderen artfremden Blutes mit deutschem Blut ist für die Weiterentwicklung
       des Volkes nachteilig.“ Als „Träger artfremden Blutes“ kämen „die
       Negerbastarde im Rheinland und die sich in Deutschland aufhaltenden
       Zigeuner in Betracht“.
       
       Im März und im Oktober 1942 vertrat Maßfeller das
       NS-Reichsjustizministerium auf den Folgekonferenzen der Wannseekonferenz
       zur „Endlösung der Judenfrage“. Trotzdem war Maßfeller von 1950 bis 1964
       Referatsleiter im Bundesjustizministerium.
       
       Durch solche Elitenkontinuitäten, so schreibt der Vorsitzende des
       Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, sei es zur „Fortschreibung
       rassistischer ’Rechts‘-Auffassungen“ in der Bundesrepublik gekommen. Als
       Beispiel nennt er ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof von 1956, mit
       dem Entschädigungsansprüche einer Vielzahl NS-verfolgter Sinti und Roma
       abgeschmettert wurden.
       
       „Die Zigeuner“, so hieß es damals in der Begründung, „neigen, wie die
       Erfahrung zeigt, zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und
       Betrügereien“. Erst sieben Jahre später wurde das Urteil teilrevidiert.
       Sinti und Roma wurden gleich nach der „Machtergreifung“ der
       Nationalsozialisten 1933 diskriminiert und schließlich systematisch
       verfolgt und vernichtet.
       
       Bis zu 500.000 Sinti und Roma sind dem Völkermord der Nazis in Europa zum
       Opfer gefallen. 2011 hatte eine vom BKA eingesetzte Historikerkommission
       erarbeitet, wie in der Bundesrepublik innerhalb der Kriminalpolizei
       rassistische Kategorien weiterwirkten und zur Diskriminierung von Sinti und
       Roma beitrugen. Eine ähnliche Untersuchung schwebt dem
       Zentralratsvorsitzenden Romani Rose nun offenbar für die bundesdeutsche
       Justiz vor.
       
       10 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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