# taz.de -- Wahlkampf ist eröffnet: Piraten üben sich in Demut
       
       > Seit dem Wochenende dürfen die Parteien die Stadt mit Wahlplakaten für
       > die Bundestagswahl zupflastern. Selbstkritisch zeigen sich nur die
       > Piraten.
       
 (IMG) Bild: Jetzt kommt die Ochsentour: Auch Frank Steffel von der CDU möchte gerne in den Bundestag
       
       Christopher Lauers Haare sind ein wenig glatter, über dem Hemd trägt der
       Pirat diesmal ein Sakko und anders als bei [1][den meisten Motiven 2011]
       ist sein Mund jetzt geschlossen. "[2][Entschuldigt, wir hatten es uns auch
       einfacher vorgestellt]" steht auf dem Berlin-Plakat der Piraten zur
       Bundestagswahl im September. Darunter: "Aber das heißt nicht, dass wir
       aufgeben". Seit ihrem Einzug ins Abgeordnetenhaus vor zwei Jahren haben die
       Piraten dort viele unsinnige Streits geführt. Jetzt zeigen sie, dass sie
       dabei eines nicht verlernt haben: sich gut zu verkaufen. Kein anderes
       Plakat in der Stadt wagt einen selbstkritischen Rückblick in die
       Vergangenheit statt verheißungsvoller Versprechen für die Zukunft.
       
       Am Wochenende hat der Wahlkampf Einzug in Berlins Straßen gehalten.
       Kandidierende, Parteimitglieder und Helfer kletterten auf Leitern und
       hängten ihre Werbung an Laternenmasten, teils bei nächtlichen Touren durch
       die Stadt, teils früher als es die Vorschriften erlauben. Nur an
       bestimmten, [3][von den Bezirken ausgewiesenen Orten] darf kein Plakat
       hängen, etwa rund um das Jüdische Museum in Kreuzberg oder an
       Laternenmasten im Bayerischen Viertel in Schöneberg, wo Gedenktafeln an
       jüdische Bürger erinnern, die die Nazis ermordet haben. Die Verbote sollen
       einen Missbrauch der Gedenkorte durch die NPD und deren Plakate verhindern.
       
       Wo Wahlwerbung erlaubt ist, da folgt sie meist dem üblichen Schema: Der
       oder die Direktkandidierende posiert großflächig neben Logo und Slogan der
       Partei. Im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost etwa
       [4][Cansel Kiziltepe neben dem SPD-Claim] "Das Wir entscheidet". Dort, wo
       der Grüne Christian Ströbele 2009 knapp 47 Prozent der Erststimmen gewann,
       war SPD-Kanidat Björn Böhning, heute Chef der Senatskanzlei, mit einem
       textlastigen Plakat angetreten. Ob es damit zu tun hatte oder nicht: Die
       SPD verlor
       //www.wahlen-berlin.de/historie/Wahlen/Landeswahlleiterbericht_BTW09.pdf:17
       Prozent der Zweit- und vier Prozent der Erststimmen, wurde hinter Grünen
       und Linken nur noch drittstärkste Kraft im Wahlkreis. Diesmal setzt die SPD
       voll auf das Gesicht der im Wrangelkiez geborenen Kiziltepe. Inhalte mit
       dezidiertem Berlin-Bezug liefern [5][Flyer] zu den Themen Arbeit, Bildung
       Wohnen.
       
       Plakate, deren Wort-Inhalt auf Berlin zugeschnitten ist, haben nur Piraten,
       Grüne und FDP aufgehängt. [6][Die FDP etwa] greift Berlins
       Rekommunalisierungspläne in der Wasser-, Energie- und Wohnungsversorgung
       an, ihr Slogan "Privat vor Staat" soll laut Mitteilung "in einer Stadt
       provozieren, die trotz immenser Schulden Anstrengungen verfolgt, staatliche
       Aktivitäten immer weiter auszudehnen." Außerdem nur in Berlin im Angebot:
       "Starke Mitte statt linker Rand".
       
       Doch was macht der so genannte linke Rand? Er beschwört seine
       Verfassungstreue, zumindest die Grünen: Deren Landesverband hat Artikel 28
       aus Berlins Landesverfassung [7][auf ein Plakat drucken lassen]: "Jeder
       Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum." Zudem haben Neuköllns
       Grüne [8][ein eigenes Motiv in Auftrag gegeben]: Eine lächelnde Frau mit
       deutschen sowie türkischen Ausweispapieren in der Hand und der Forderung,
       den "Optionszwang" durch die doppelte Staatsbürgerschaft zu ersetzen.
       Bezirks-Motive haben auch die Piraten im Angebot, für
       Friedrichshain-Kreuzberg: "[9][Deephouse statt Townhaus, Investoren
       wegbassen - Kiezkultur erhalten]" etwa. Zur Berlin-Reihe der Partei gehören
       neben dem Lauer-Motiv eines für die Rechte von Sportfans
       ("[10][Menschenrechte enden nicht am Stadiontor]") und eines gegen
       Hartz-IV-Sanktionen ("[11][Sozial ist, was Würde schafft]").
       
       Derweil wird die Linke Berliner Propaganda-Know-How in die ganze Republik
       exportieren: Comiczeichner [12][Gerhard Seyfried], einstiger Schöpfer der
       Wahlkampfbilder für den Grünen Ströbele, gestaltet nun für
       Großveranstaltungen der Linken den Bühnenhintergrund.
       
       Die in Umfragen führende CDU verzichtet darauf, irgendwelche Berlin-Karten
       zu spielen. Ihre Direktkandidaten setzen sich von den Vorgaben der
       Bundespartei höchsten durch ihre Posen auf den Plakaten ab: In
       Reinickendorf etwa mimt Handball-Förderer und Sportpolitiker [13][Frank
       Steffel] den Erfolgstrainer: In dreiteiliger Bilderfolge mit ausgestrecktem
       Zeigefinger, verschränkten Armen und Siegerfaust gibt er sich "engagiert
       für Reinickendorf".
       
       4 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://p4.focus.de/img/gen/8/N/HB8NZDbk_Pxgen_r_300xA.jpg
 (DIR) [2] http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/3/3e/PP-BE-Plakat-BTW13-Motiv_Canossa.jpg
 (DIR) [3] /!119903/
 (DIR) [4] http://www.spd.de/aktuelles/105806/20130804_plakataktion.html
 (DIR) [5] http://www.spd-berlin.de/wahl-2013/virtueller-infostand/
 (DIR) [6] http://www.fdp-berlin.de/Mehr-Mut-mehr-Markt-mehr-Freiheit-FDP-Berlin-startet-in-die-Plakatierung-zur-Bundestagswahl/1759c2971i1p20/index.html
 (DIR) [7] http://gruene-berlin.de/zuhause
 (DIR) [8] http://www.gruene-neukoelln.de/fileadmin/Neukoelln/Wahlkampf_13/doppelpass-plakat-web.jpg
 (DIR) [9] http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/0/06/PP-Themen-Plakat-BTW13-Motiv_Deephouse.jpg
 (DIR) [10] http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/thumb/1/10/PP-BE-Plakat-BTW13-Motiv_Fanrechte.jpg/425px-PP-BE-Plakat-BTW13-Motiv_Fanrechte.jpg
 (DIR) [11] http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/5/5d/PP-BE-Plakat-BTW13-Motiv_Sozial.jpg
 (DIR) [12] http://www.seyfried-berlin.de/
 (DIR) [13] http://www.frank-steffel.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Puschner
       
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